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lage des Normalmaßes zu machen, mehr Anklang.
Der Astronom Mauton schlug die Länge eines
Meridianbogens von einer Minute vor (1670),
John Herschel den 10millionsten Teil der Erd-
achse. Eine von der französischen Nationalver-
sammlung eingesetzte Kommission (Laplace, Con-
dorcet usw.) sprach sich für den 10 millionsten
Teil des Erdquadranten aus, dessen Länge zuerst
auf 443.44, dann auf 443,296 alte Pariser
Linien berechnet (Messungen zwischen Dünkirchen
und Barcelona) und mit dem Namen Meter
(metre) bezeichnet wurde. Frankreich führte durch
Dekrete der Jahre 1791, 1795 und 1799 das
Metersystem als Maßeinheit ein. Spätere Mes-
sungen haben allerdings ergeben, daß das Meter
zu klein angenommen worden ist (nach Bessel um
0,025 Pariser Linien), so daß es, streng genom-
men, kein natürliches Maß ist. Zur Gewichts-
einheit wurde unter dem Namen Kilogramm
das Gewicht eines Kubikdezimeters destillierten
Wassers bei 4% Celsius; auch hier stimmt das
Gewicht nicht haarscharf, weil sehr große experi-
mentelle Schwierigkeiten mit der Bestimmung der
Dichtigkeit des Wassers verbunden sind. Dem
Vorgang Frankreichs folgten im Laufe des
19. Jahrh, die meisten andern Kulturstaaten, nur
in Großbritannien und seinen Kolonien, in den
Vereinigten Staaten von Amerika, in Rußland
(außer Finland), Dänemark und Japan ist das
metrische System noch nicht eingeführt, wohl aber
auch hier überall fakultativ zulässig.
Die Vorteile des metrischen Maß- und Ge-
wichtsystems beruhen, abgesehen von der unverän-
derlichen Einheit, darin, daß es in seinen Unter-
abteilungen und Vervielfachungen dem Dezimal-
system folgt, daß die Längen-, Flächen= und
Körpermaße einen leicht faßlichen Zusammenhang
zeigen, daß die Bezeichnungen (mit einzelnen
Ausnahmeny) systematisch wechselseitige sind, indem
die Vielfachen durch griechische, die Bruchteile
durch lateinische Beiworte gekennzeichnet sind.
Bemängelt wird namentlich das Fehlen eines
mittleren Maßes, nach Art des Fußes.
Zur internationalen Durchführung des metri-
schen Systems und im Interesse möglichst genauer
Urmaße trat 1875 in Paris die sog. Meter-st
konferenz zusammen, die zum Abschluß der In-
ternationalen Meterkonvention (20. Mai
1875) führte; 17 Staaten traten sofort bei, wei-
tere Länder schlossen sich später an. Auf Grund
der Konvention wurde ein ständiges Bureau (Bu-
reau international des poids et mesures) zu
Paris geschaffen, das einem internationalen Ko-
mitee (14 Mitgliedern) und als oberster Instanz.
der mindestens alle sechs Jahre tagenden General-
versammlung der Vertragsstaaten unterstellt ist.
Beim Bureau sind neue, aus einer Platin-Iri-
dium-Legierung (Verhältnis 9: 1) hergestellte
internationale Urmaße (Prototype) des Meters
und des Kilogramms niedergelegt; den einzelnen
Staaten (in Deutschland der Kaiserl. Normal-
Staatslexikon. III. 3. Aufl.
Maß und Gewicht.
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Eichungskommission) wurden nationale Proto-
type überwiesen, die in bestimmten Zwischen-
räumen mit den internationalen Prototypen wie-
der verglichen werden.
In Deutschland besaß aus den Tagen des
Mittelalters bis in das 19. Jahrh. hinein fast
jede Stadt und jedes Ländchen eignes Maß und
Gewicht. Die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrh.
brachten eine teilweise Beseitigung dieser Handel
und Verkehr schwer hemmenden Unzuträglichkeiten,
indem das Maß= und Gewichtswesen wenigstens
für die einzelnen Länder neu geordnet und ver-
einheitlicht wurde (in Preußen 1816). Der
Deutsche Zollverein brachte (1856) den einheit-
lichen Zollzentner (= 100 Zollpfund = 50 kg).
Auf Veranlassung des Bundestages wurden seit
1860 kommissarische Beratungen zur Vereinheit-
lichung des Maßwesens gepflogen, die aber in-
folge der Ereignisse von 1866 resultatlos blieben.
Der Norddeutsche Bund nahm in der Maß= und
Gewichtsordnung vom 17. Aug. 1868 das me-
trische System an. Durch die Bündnisverträge
von 1870 wurde sie auf die süddeutschen Staaten
mit Ausnahme Bayerns ausgedehnt. Hier er-
folgte die Einführung (mit wesentlichen Beschrän-
kungen) der deutschen Maß= und Gewichtsordnung
durch Reichsgesetz vom 26. Nov. 1871, in Elsaß-
Lothringen durch Reichsgesetz vom 19. Dez. 1874.
Nach Art. 4 der Reichsverf. unterliegt die
Ordnung des Maß= und Gewichtswesens der
Gesetzgebung und Beaufsichtigung des Reichs, für
Bayern gelten hinsichtlich des Eichwesens Reservat-
rechte. Die Maß= und Gewichtsordnung von
1868 erfuhr wiederholt Ergänzungen und Ab-
änderungen. Im Jahre 1908 wurde eine neue
Maß= und Gewichtsordnung (vom 30. Mai 1908)
erlassen. Sie ändert das alte Recht namentlich
insofern, als sie verschiedene bisher nicht verkehrs-
fähige Maße und Gewichte zuläßt, daß sie die
Verstaatlichung des Eichwesens und die Einfüh-
rung der Nacheichung an Stelle der seither vor-
geschriebenen Maß= und Gewichtsrevisionen vor-
sieht. Diese von der Ortspolizei vorgenommenen
Revisionen waren teils ausschließlich polizeiliche
teils technische; die ersteren fanden unvermutet
tatt. In Bayern (seit 1871), Elsaß-Lothringen
(1874) und Sachsen (1893) war die periodische
obligatorische Nacheichung schon vor der Maß-
und Gewichtsordnung von 1908 angeordnet. Sie
wurde im Reich allgemein eingeführt, weil die Er-
fahrung zeigte, daß das Publikum wenig geneigt
ist, die Richtigkeit der im Gebrauch befindlichen
Meßwerkzeuge aus eignem Antrieb feststellen zu
lassen, diese vielmehr so lange benützt, bis ihre
Unrichtigkeit polizeilich festgestellt wird. Die Or-
ganisation der Eichbehörden war bisher verschie-
den, die Eichämter waren infolge der verschiedenen
geschichtlichen Entwicklung teils Staats= teils,
namentlich in Preußen, Gemeindeanstalten. Das
Inkrafttreten der neuen Maß= und Gewichtsord-
nung erfolgt durch kaiserl. Verordnung, hin-
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