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tum Ratzeburg und die Stadt Neustrelitz (erst
1733 zur Stadt erhoben), die keinen Vertreter zu
den mecklenburgischen Landtagen entsenden. Wis-
mar wurde erst 1. Juli 1897 in den ständischen
Verband ausgenommen. Zur Ritterschaft ge-
hören die (etwa 750) Besitzer der (etwa 1200)
landtagsfähigen Güter, gleichviel, ob adlig oder
bürgerlich; sie repräsentieren auch die Bauern und
Hintersassen. An ihrer Spitze stehen die drei Erb-
landmarschälle (einer für jeden Kreis), deren
Würde an den Besitz gewisser Güter geknüpft ist.
Die Landschaft bilden die Obrigkeiten (Bürger-
meister) der beiden Seestädte Rostock und Wismar
sowie der 40 Schweriner und 7 Strelitzer Land-
städte. Diese Städtedeputierten erstatten den städti-
schen Organen nur Bericht, sie nehmen von ihnen
keinerlei Instruktion an. Das Landschaftsdirek-
torium führen die drei Vorderstädte: Parchim für
den Mecklenburgischen, Güstrow für den Wendi-
schen und Neubrandenburg für den Stargardschen
Kreis. Ordentliche Landtage finden alljährlich im
Herbst abwechselnd in den Städten Sternberg und
Malchin statt; außerordentliche können von der
Landesherrschaft berufen werden. Die Leitung der
Landtagsgeschäfte führt das Direktorium der Land-
stände, bestehend aus 8 Landräten, den 3 Land-
marschällen und einem Deputierten (Bürgermeister)
der Stadt Rostock. Den Vorsitz im Landtag führt
der älteste Landrat. Die Landräte (4 für jedes
der Herzogtümer Schwerin und Güstrow) ernennt
auf Lebenszeit der Landesherr nach ständischer
Präsentation (Schwerin 7, Strelitz 1); sie ver-
treten sowohl das landesherrliche wie das stän-
dische Interesse. Die 3 (Erb-)Landmarschälle ver-
mitteln den Verkehr ständischerseits mit dem Lan-
desherrn. Die Landstände haben in Steuersachen
und ihre Rechte berührenden Fragen entscheidende
Stimme, doch muß auch bei allen andern allge-
meinen Landesgesetzen zuvor „ein ratsames Er-
achten und Bedenken“ der Stände eingeholt wer-
den. Das sog. Manutenenzrecht gibt den Landes-
herren die Freiheit, Gesetze und Verordnungen zu
erlassen, die der Genehmigung der Stände nicht
bedürfen, die ohne weiteres gültig sind, sobald der
Landesfürst sie erläßt. Gegen ein derartiges Ver-
fahren steht den Ständen die Appellation an ein
Schiedsgericht zu. Jeder Landstand ist zur Stel-
lung von Anträgen berechtigt; die Gesetzesinitia-
tive ist den Landesherren vorbehalten. Die Ver-
handlungen mit der Landesherrschaft werden schrift-
lich geführt; es sind dazu 3 landesherrliche Kom-
missarien am Orte anwesend, die den Sitzungen
der Stände nicht beiwohnen dürfen. Ritter und
Landschaft tagen in einer Versammlung, in der
Stimmenmehrheit entscheidet; dabei hat jeder
Gutsbesitzer das gleiche Stimmrecht wie jede ein-
zelne Stadt. Es kann jedoch jeder Stand ab-
gesonderte Beschlußfassung der beiden Stände
Citio in partes) beantragen; zum Zustandekommen
eines Landtagsbeschlusses ist dann die Überein-
stimmung der Beschlüsse der beiden Stände er-
Mecklenburg.
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forderlich. Eine Tagesordnung und Rednerliste
gibt es nicht. Eine Beschlußfassung ist nicht von
der Zahl der anwesenden Mitglieder abhängig.
Über jede abgelehnte Vorlage kann wieder geredet
und abgestimmt werden.
In der Zeit zwischen den Landtagen vertritt der
Engere Ausschuß der Ritter= und Landschaft
(Sitz in Rostock) als ständiges Kollegium die
Landstände. Er besteht aus 2 Landräten (einer
aus jedem Herzogtum), 3 Deputierten der Ritter-
schaft (einer aus jedem Kreise) und 4 Magistrats-
deputierten der Städte Rostock, Parchim, Güstrow
und Neubrandenburg, führt die Aufträge des
Landtages aus und bereitet die Verhandlungen
vor. Die ritterschaftlichen Mitglieder bilden zu-
gleich einen Ausschuß für die besondern Angelegen-
heiten der Ritterschaft. Die Stände jedes Groß-
herzogtums versammeln sich zur Behandlung
wichtiger oder eiliger Sonderangelegenheiten nach
Einladung des Landesherrn auf Konvoka-
tionstagen. Landesherrliche Kommissarien
verhandeln mit ständischen Deputierten in „kom-
missarisch-deputatischen Zusammenkünften“ (De-
putationstagen). Außerdem entsenden die
Stände Abgeordnete zu Amts-, Kreis= und
allgemeinen Landeskonventen nach eignen Be-
schlüssen.
Die Einwohner des Domaniums (43% der
Fläche, 32 % der Einwohner) sind auf dem Land-
tage nicht vertreten. Im Domanium ist der Lan-
desherr nach Gesetzgebung und Besteuerung ab-
soluter Herrscher.
Das Fürstentum Ratzeburg hat eine gewisse
selbständige Existenz behauptet, die Verbindung
mit Mecklenburg-Strelitz trägt einen unionartigen
Charakter, doch ist das ganze staatsrechtliche Ver-
hältnis ein unklares. Bis 1869 war die Re-
gierung eine absolute; die dem Lande oktroyierte
Verfassung vom 9. Nov. 1869 schuf eine Stände-
versammlung, bestehend aus 3 Pastoren, 3 Do-
mänenpächtern, 3 Rittergutsbesitzern, 3 Vertretern
der Stadt Schönberg und 9 Vertretern der Haus-
wirte, die aber erst 1906 in Wirksamkeit trat,
weil die bäuerlichen und bürgerlichen Abgeordneten
bis dahin fern blieben.
Mecklenburg = Schwerin hat 2 Stimmen im
Bundesrat und wählt 6 Reichstagsabgeordnete
(3 Konserv., 1 Nat.-Lib., 2 Freis.), Mecklenburg-
Strelitz hat eine Stimme im Bundesrat und einen
Reichstagsabgeordneten (seit 1893 Reichspartei,
vorher abwechselnd nat.-lib. und konserv.).
An der Spitze der Staatsverwaltung von
Mecklenburg = Schwerin steht das Staatsmini-
sterium (errichtet 1849) mit vier Einzelministerien:
Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten,
des Innern, der Finanzen (mit einer Abteilung
für Domänen und Forsten) und für die Justiz
mit den Abteilungen für geistliche, Unterrichts-
und Medizinalangelegenheiten. Unmittelbar unter
dem Großherzog stehen der Oberkirchenrat und
das Militärdepartement.