1065 Meinung,
Umfange, als es deutschem Empfinden zusagt, oder
als der Deutsche es gewohnt ist, theologische und
rein kirchliche Angelegenheiten in der Tagespresse
zur Erörterung kommen müssen so gut wie jede
andere politische Angelegenheit.
In Belgien mit seiner halb germanischen,
halb romanisch-wallonischen Bevölkerung über-
wiegt die französische Presse. Der Liberalismus
hat seine Indépendance Belge, Etoile, der So-
zialismus seinen Peuple; ohne Unterschied be-
kämpfen diese in der dem romanischen Kirchenhaß
eignen hämisch-brutalen Weise das Katholische,
welches ihnen der Glaube überhaupt ist. Patriote
und Bien public sind dem gegenüber die Stützen
der katholischen Sache. Das Journal de Bru-
Nelles vertritt das katholische Ministerium und
dessen Vorlagen, das XXe Siecle die christliche
Demokratie.
Der politische Einfluß der Katholiken in Frank-
reich wurde aufs empfindlichste geschwächt durch
ihre Spaltung in Republikaner und Monarchisten;
erstere vertritt der Univers, letztere die Gazette
de France. Da diese Schwächung dem Radikalis-
mus freiere Bahn gab, schlossen sich viele Katho-
liken dem Nationalismus an, einer bunt schillern-
den politischen Gesellschaft, welche im Grunde nur
durch prinzipielle Opposition zusammengehalten
wird. Organe dieser Opposition sind Libre Pa-
role, Patrie. Das katholische Volksblatt Croix
ist sehr verbreitet. Eine besondere Gruppe in der
Opposition bilden die ehemaligen Opportunisten,
heutigen Fortschrittler mit der République fran-
gLaise, neben der das sich in akademische Würde
fleidende Journal des Débats und der Temps
zu nennen sind. Gaulois und Figaro stellen sich
mehr oder weniger katholisch und nationalistisch,
während die Regierung in der radikalen und einem
Teil der in sich gespaltenen sozialistischen Presse
ihre Vertretung findet.
Muß man bei einem Rückblick auf die Geschichte
der Presse sich zunächst mit Jtalien beschäftigen,
so hat doch das Land, in welchem die Tagespresse
zuerst Wurzel faßte, heute keineswegs eine dieser
Geschichte entsprechende Entfaltung des Zeitungs-
wesens aufzuweisen. Die katholische Presse ist vor
allem in dieser Heimat der katholischen Religion
im Rückstande. An Bemühungen, die katholische
Presse Italiens zu heben, hat es in letzter Zeit
nicht gefehlt; einige behaupten, für deren Auf-
schwung sei das inzwischen allerdings gemilderte
päpstliche Verbot der Beteiligung an der Wahl-
bewegung hinderlich, andere machen, wohl mit
mehr Recht, den wirtschaftlichen und Bildungs-
stand der italienischen Bevölkerung dafür verant-
wortlich, ohne damit die Ursachen annähernd zu
erschöpfen. Der Osservatore Romano ist das
Blatt des Vatikans. Den an die heutige Presse
zu stellenden Anforderungen sucht der Corriere
AAtalia zu genügen. In Neapel erscheint die
Libertaà cattolica, in Genua das Eco d’Italia,
in Mailand die Unione, eines der führenden
öffentliche. 1066
Blätter der jungen christlich-demokratischen Partei,
die sich mehr und mehr in der Presse geltend macht,
in Turin der Momento. Popolo Romano, Tri-
buna, Messaggero, gemäßigt bis radikal, alles
römische Blätter, sind papstfeindliche Verkündiger
des sog. Nationalitätsprinzips; neben ihnen muß
seiner Verbreitung wegen noch das Mailänder
Secolo erwähnt werden, ein radikales Blatt, in
welchem Religionsfeindschaft und Sensationssucht
einander zu übertreffen suchen. Sozialismus und
Priesterhaß vereint der römische Avanti.
Die katholischen Interessen in Spanien leiden
wie in Frankreich auf das schwerste durch die poli-
tische Spaltung ihrer berufenen Vertreter; Kar-
listen (Correo Espamol) und Anhänger der Dy-
nastie stehen einander entgegen, auch unter dem
Klerus, was die Veranstaltung von Katholiken-
kongressen unrätlich gemacht hat. Stieß doch das
Movimiento catolico auf entschiedenen Wider-
stand bei einem hohen Kirchenfürsten, als es den
Ideen des ersten spanischen Katholikenkongresses
folgend sich auf den Boden der Anerkennung der
Dynastie stellte. Die Epoca ist das Organ der
konservativen Regierungen; El Mundo, El Uni-
verso sind katholisch. Von den (gemäßigt) libe-
ralen Blättern ist Imparcial das bekannteste, da-
neben El Liberal und Heraldo. Portugal
hat jetzt seine katholische Partei; wenn diese auch
noch erst in bescheidenen Anfängen steckt, so macht
sie sich doch im Parlament und Zeitungswesen
bemerkbar. Bischöfe und Laien haben sich zur
Aufgabe gesetzt, die Katholiken von der Bevor-
mundung durch die freimaurerische Presse zu eman-
zipieren und auf diesem Wege allmählich auch
einen Umschwung in der Zusammensetzung der
Volksvertretung herbeizuführen. Die Gründung
dreier katholischer Blätter innerhalb zweier Jahre
war die erste Betätigung des Aufraffens: Correio
nacional in Lissabon und Palavra in Oporto.
Ahnlich wie in England ist das Verhältnis
zwischen Katholiken und Nichtkatholiken auf dem
Gebiete der Presse in den Vereinigten Staaten
von Amerika, wenigstens soweit die englische
Zunge in Betracht kommt. Die dieser angehörigen
nordamerikanischen Katholiken haben es über
Wochenblätter nicht hinausgebracht, weil ihnen
die bestehende englische Presse genügt und diese
den katholischen Leser über das ihn Interessierende
aus Stadt und Land und Welt auf dem Laufen-
den zu erhalten sucht. Zwischen den katholischen
Irisch-Amerikanern und Deutsch-Amerikanernhatte
sich mit den Jahren ein stellenweise recht gespann-
tes Verhältnis herausgebildet, das in Hierarchie
und Kirche, namentlich auf dem Schulgebiete und
in der Presse als ein schwerer Druck empfunden
wurde. Durch die Federation wurde auf die
Behandlung polemischer Stoffe in der beidersei-
tigen Presse immerhin mäßigend eingewirkt, was
dem gemeinsam zu Verteidigenden zu gute kam.
Blätter der deutschen Katholiken sind: „Wan-
derer", „Exzelsior“, „Katholisches Volksblatt“,