Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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(5 Bde, M. 1902/07); Girard, L'organisation 
et le régime des chemins de fer au Mexique 
(Par. 1907); Trentini, La prospérité du Mexique 
(ebd. 1908); Sapper, Wirtschaftsgeographie von 
M. (1908); Holm, Aus M. (1908); Hegemann, 
M.s Übergang zur Goldwährung (1908); Schip- 
pel, Die mexikan. Währungsreform u. ihre Be- 
ziehungen zum Silberhandel (1909).— Periodische 
Erscheinungen: Anuario Estadistico (nicht jähr- 
lich); Boletin de la Sociedad Mexicana de Geo- 
grafia y Estadistica (M. 1850/94); Anales del 
Museo Nacional de México (ebb. 1877 ff); Ana- 
les del Museo Nacional de Arqueologia (M. 
1909 ff); The Mexican TYearbock (Lond. 1908). 
[1 Knupfer, 2—6 Lins.] 
MNilitarismus. lBegriff und Arten; Heu- 
tiger Bestand; Wirkungen; Abhilfe.) 
I. Begriff und Arten. Militarismus schlecht- 
hin bedeutet Kriegswesen, Soldatenwesen über- 
haupt. Häufiger wird das noch nicht alte Wort 
jetzt gebraucht zur Bezeichnung einer die bürger- 
lichen Verhältnisse benachteiligenden Vorherr- 
schaft des Kriegswesens in einem 
Staate. In diesem Sinne ist Militarismus jener 
Zustand des Staates, in welchem das Kriegswesen 
auch in Friedenszeiten den unmittelbaren Staats- 
zweck, die salus oder prosperitas publica, beein- 
trächtigt. Der Begriff von Militarismus in diesem 
engeren, landläufig gewordenen Sinne erheischt 
demnach, daß infolge des Überwiegens des Kriegs- 
wesens über die andern Seiten der öffentlichen 
Tätigkeit der Staat nicht mehr alle Bedingungen er- 
füllt, welche notwendig sind, damit alle Glieder des 
Staates frei und selbsttätig an ihrem wahren ir- 
dischen Glücke wirken können, daß es also ent- 
weder am Rechtsschutze oder an der positiven 
Förderung der Privattätigkeit mehr oder weniger 
mangelt. Dabei ist dieser Begriff nur dann ge- 
geben, wenn der bezeichnete Zustand ein regel- 
mäßiger, auch in der Zeit des Friedens dauernder 
ist, nicht aber, wenn er nur in allgemeiner Not 
zur Rettung und Befreiung des Vaterlandes ein- 
tritt. 
Ein Übermaß des Kriegswesens ist nur mög- 
lich, wenn die herrschende Auffassung den Staat 
ganz zum Selbstzweck erhebt und ihm die natür- 
lichen Rechte und Freiheiten seiner Glieder 
opfert. In hohem Maße geschah dies durch die 
antike Staatsidee, nach welcher das Indivi- 
duum nur für den Staat da war, der Staat alle 
Kräfte der Untertanen in seinen Dienst stellte. Da 
nun der antike Staat vorzugsweise kriegerische 
Macht zu entfalten suchte, erzeugte er eine Art des 
Militarismus, welche das ganze Volk in den 
Waffen übte, um nicht nur den eignen Bestand 
zu erhalten, sondern auch durch Eroberungen zu 
vergrößern. Dieser nationale Militarismus 
fand seine starrste Ausbildung in Sparta, auch im 
alten Rom, bis dieses den Kampf um Italien und 
das Westbecken des Mittelmeeres siegreich aus- 
gesochten hatte. Als dann die Imperatoren ihre 
außerordentliche Machtfülle mißbrauchten, durch 
  
Militarismus. 
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persönliche Unfähigkeit oder Lasterhaftigkeit ihr 
halbgöttliches Ansehen untergruben, als die be- 
herrschten Völker immer mehr in Armut und 
dumpfe Gleichgültigkeit gegen politische Angelegen- 
heiten sanken, entstand eine zweite Art des Mili- 
tarismus, der Prätorianismus, d. i. der 
übermächtige Einfluß des Söldnertums auf den 
Staat, seine Verfassung und Verwaltung, indem 
ehrgeizige Heerführer den oder die Träger der 
Staatsgewalt in Abhängigkeit von sich brachten 
und selbst über Thron und höchste Staatsorgane 
willkürlich verfügten. Diese Erscheinung zeigte 
sich nicht nur im entarteten Rom, sondern überall 
da, wo alte Rechte und Einrichtungen durch ge- 
waltsame Eingriffe über den Haufen geworfen 
wurden, nachdem der nationale Militarismus die 
Untertanen lange bedrückt und die Blüten fried- 
licher Kultur geknickt hatte, so nach dem Tode 
Alexanders des Großen im makedonischen Welt- 
reiche, seit dem 9. Jahrh. im Reiche der Kalifen, 
in neuerer Zeit in den durch Militärpronuncia- 
mentos heimgesuchten Freistaaten Mittel- und 
Südamerikas und in Spanien. 
Dem christlichen Mittelalter war der Mili- 
tarismus fremd. Erst als die Antike in der Re- 
naissance wieder erwachte und der Mißbrauch des 
alten Römerrechts die bisherige christliche Auf- 
fassung vom Staate erschütterte und den Fürsten 
mit einer Macht umkleidete, welche ihm selbst 
Privatrechte, Religion und Sitte unterstellte, so- 
bald es sein Interesse verlangte, entstand auch der 
Militarismus von neuem, aber in anderer Ge- 
stalt, in der man ihn den fürstlichen Mili- 
tarismus nennen kann, weil er nur dem Willen 
der Fürsten diente. Als solcher gehört er dem 
Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus 
an. Er erreichte seine Höhe, als die Aufklärung den 
Vernichtungskrieg'gegen das Christentum eröffnete, 
die mittelalterliche Ständegliederung zu zerfallen 
begann und eine wirksame Teilnahme der Unter- 
tanen an den öffentlichen Angelegenheiten mittels 
ständischer Vertretung aufgehört hatte. Charak- 
teristisch ist diesem fürstlichen Militarismus das 
stehende Heer, das teils durch Werbung teils 
durch Aushebung (oft gewaltsame) ergänzt wird. 
Preußen unter Friedrich II. trieb diesen Mili- 
tarismus auf die Spitze, indem es die Zwangs- 
konskription zuerst durchführte und damit die 
Werbung (sogar Pressung) verband, welche auch 
aus dem Ausland Menschenmaterial beibrachte. 
So stieg das Heer schon im Frieden auf ungefähr 
drei vom Hundert der Bevölkerung, konnte jedoch 
für den Kriegsfall nicht bedeutend vermehrt wer- 
den. Das genügte der Revolution nicht. Sie 
rief in Frankreich das ganze Volk unter Waffen, 
vund der aus ihr hervorgegangene Diktator wußte 
für seine ehrgeizigen Pläne den letzten waffen- 
fähigen Mann aufzubieten, so daß die Nation 
unter seinem blutigen Militarismus zu erliegen 
drohte. Immerhin waren es außerordentliche 
  
Verhältnisse, Revolution und Diktatur, welche die
	        
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