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hat auf Anregung des Reichstags zur Ausarbei-
tung und Veröffentlichung einer wertvollen Kri-
minalstatistik für das deutsche Heer und die
Kaiserliche Marine, beginnend mit dem Jahre
1901, geführt. Seit 1904 hat der Reichstag
wiederholt eine Reform des Militärstraf-
gesetzbuches im ganzen oder in einzelnen Teilen
verlangt; als verbesserungsbedürftig wurden na-
mentlich einzelne allzu strenge Strafbestimmungen
sowie die ungleiche Behandlung der von Vor-
gesetzten und der von Untergebenen begangenen
Verfehlungen bezeichnet. Der Bundesrat hat je-
doch allen derartigen Beschlüssen des Reichstags
eine Folge nicht gegeben.
II. Disziplinarstrafrecht. 1) Die Vorschriften
über die Handhabung der Disziplin im Heere
werden vom Kaiser erlassen (Reichsmilitärgesetz
vom 2. Mai 1874, 8 8). Als Freiheitsstrafe darf
im Disziplinarweg nur Arrest festgesetzt werden,
welcher 4 Wochen gelinden Arrestes oder Stuben=
arrestes, 3 Wochen mittleren und 2 Wochen stren-
gen Arrestes nicht übersteigen darf (Einf.Ges. zum
Mil. St. G. B. vom 20. Juni 1872, 8 3, Abs. 3);
die Zulässigkeit schwererer Strafmittel muß als
hierdurch ausgeschlossen angesehen werden. Auch
die Fälle, welche der disziplinaren Behandlung
unterliegen sollen, sind durch Gesetz nicht er-
schöpfend geregelt; nur bezüglich leichterer Fälle
bestimmter militärischer Vergehen sagt § 3, Abs. 2
des Einf. Ges. zum Mil. St. G. B., daß sie im
Disziplinarweg geahndet werden dürfen. Die gel-
tenden kaiserlichen Verordnungen sind die Dis-
ziplinarstrafordnung für das Heer
vom 31. Okt. 1873, auch in Bayern und Würt-
temberg eingeführt, und die Disziplinarstraf-
ordnung für die kaiserliche Marine
vom 1. Nov. 1902. Danach unterliegen der Dis-
ziplinarbestrafung außer den erwähnten leichteren
Fällen gewisser militärischer Vergehen alle Hand-
lungen gegen die militärische Zucht und Ordnung
und gegen die Dienstvorschriften, für welche die
Militärgesetze keine Strafbestimmungen enthalten;
die Disziplinarstrafen sind: für Offiziere Verweis,
Stubenarrest; für Unteroffiziere Verweis, Auf-
erlegung gewisser Dienstverrichtungen außer der
Reihe, Arreststrafen; für Gemeine einschließlich
der Gefreiten die Auferlegung gewisser Dienst-
verrichtungen außer der Reihe, Entziehung der
freien Verfügung über die Löhnung und die Uber-
weisung derselben an einen Unteroffizier zur Aus-
zahlung in täglichen Raten, Beschränkung der
Ausgangsfreiheit, Arreststrafen, Entfernung von
der Gefreitencharge, Einstellung in eine Arbeiter-
abteilung; für Militärbeamte Warnung, Verweis,
Geldbußen, Arreststrafen. Strafbare Handlungen,
welche nur der Disziplinarbestrafung unterliegen,
dürfen in der Regel 3 Monate nach der Verübung
nicht mehr mit Strafe belegt werden. In eine
Arbeiterabteilung können ferner auch Militär-
pflichtige eingestellt werden, welche die bürgerlichen
Ehrenrechte verloren haben, dieselben aber vor
Militärstrafrecht, deutsches.
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Ablauf ihrer aktiven Dienstzeit wieder erlangen
werden (Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874,
§ 18). — In das Gebiet der Disziplin gehören
ferner die Vorschriften über das Beschwerde-
verfahren. Danach darf die Beschwerde nicht
sofort, sondern, wenn sie sich gegen eine verhängte
Disziplinarstrafe richtet, erst nach Verbüßung der
Disziplinarstrase, oder wenn sie sich gegen eine
verletzende Behandlung von seiten eines Vorge-
setzten wendet, frühestens am folgenden Morgen
erhoben werden und muß den vorgeschriebenen
Dienstweg, insbesondere die Meldung bei dem
nächsten unmittelbaren Vorgesetzten, genau ein-
halten. Wer eine Beschwerde unter Abweichung
von dem vorgeschriebenen Dienstweg einbringt
oder wiederholt und leichtfertig auf unwahre Be-
hauptungen gestützte Beschwerden erhebt, wird mit
Arrest gestraft; wer wider besseres Wissen eine auf
unwahre Behauptungen gestützte Beschwerde an-
bringt, hat Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr
verwirkt (Mil. St.G.B. § 152). Am 17. Febr.
1892 bat der Reichstag um Erleichterung des Be-
schwerderechts, worauf die geltenden Disziplinar-
vorschriften vom 6. März 1873 durch Bestim-
mungen vom 14. Juni und 10. Aug. 1896 so-
wie vom 30. März 1895 für das Heer und vom
23. Okt. 1894 für die Marine teilweise abgeändert
wurden. — 2) Gegen richterliche Militär-
justizbeamte kann wegen Dienstvergehen als
Disziplinarstrafe Warnung, Verweis, Geldstrafe,
Strafversetzung oder Dienstentlassung verhängt
werden (Reichsgesetz vom 1. Dez. 1898). Gegen
die übrigen Militärbeamten ist außer den
unter 1) angeführten Disziplinarstrafen auch noch
die Entfernung aus dem Amt, und zwar entweder
Strafversetzung oder Dienstentlassung, zulässig
(Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873).
III. Ehrengerichtliches Einschreiten. Um
die gemeinsame Ehre des Offizierstandes und die
Ehre der einzelnen Offiziere zu wahren, sind
Ehrengerichte der Offiziere errichtet,
welche zwar keine Strafgewalt haben, aber wegen
Gefährdung der Standesehre eine Warnung und
wegen Verletzung der Standesehre die Entlassung
mit schlichtem Abschied oder die Entfernung aus
dem Offizierstande beantragen können. Zur Be-
urteilung der Ehrengerichte gehören alle Hand-
lungen und Unterlassungen von Offizieren, welche
dem richtigen Ehrgefühl oder den Verhältnissen
des Offizierstandes zuwider sind, sowie alle Fälle,
in welchen Offiziere zum Schutz ihrer eignen Ehre
einen ehrengerichtlichen Spruch beantragen, um
sich von unbegründeten Verdächtigungen ihrer
Ehrenhaftigkeit zu reinigen. Verordnungen über
die Ehrengerichte der Offiziere, über deren Rechts-
gültigkeit neuerdings Zweifel laut wurden, sind
ergangen für die Offiziere im preußischen Heer
am 2. Mai 1874, für die Offiziere der Marine
am 26. Juli 1895; hierzu Ergänzungsbestim-
mungen über Zweikampf und Erledigung von
Ehrenhändeln am 1. Jan. 1897, für die Offiziere