1137 Militärwesen des
diejenigen Orders, welche der König in Personal-
angelegenheiten erläßt, ohne Gegenzeichnung ex-
pediert (Arndt, Staatsrecht § 46. S. 464), wäh-
rend in Bayern, Sachsen und Württemberg alle
Ernennungen und Beförderungen der Gegenzeich-
nung des Kriegsministers bedürfen (Seydel, Bay-
risches Staatsrecht III7 706; Gaupp, Staatsrecht
des Königreichs Württemberg: 407 A. 2). Als
Teil der Regierungsgewalt kann die militärische
Befehlsgewalt jedenfalls nur innerhalb der durch
die Gesetze gezogenen Schranken ausgeübt werden;
sie ist delegierbar. — Der Befehlsgewalt entspricht
die „unbedingte" Gehorsamspflicht der
Militärpersonen, von welcher die Reichs-
gesetzgebung nur die eine Ausnahme anerkennt:
wenn der Befehl des Vorgesetzten eine Handlung
betrifft, von welcher der Untergebene weiß, daß
sie ein bürgerliches oder militärisches Verbrechen
oder Vergehen bezweckt (Reichsverf. Art. 64, Abs. 1;
Mil.St. G. B. § 47). Die Erfüllung der Gehor-
samspflicht wird im Fahneneid angelobt. Der
Ungehorsam ist mit schweren Kriminalstrafen und
strengen Disziplinarstrafen bedroht; auch ist den
militärischen Vorgesetzten gestattet, zur Erzwin-
gung des Gehorsams im Falle der äußersten
Not und dringendsten Gefahr von der Waffe Ge-
brauch zu machen (Mil. St.G.B. 88 58, 92 bis
95, 124).
D. Berwendung des Militärs. I. Polizei-
liche Aufgaben. Schon in Friedenszeiten hat
das Militär zur Aufrechterhaltung der öffentlichen
Ordnung, Ruhe und Sicherheit mannigfache
Dienste zu leisten. So haben die militärischen
Wachen, Posten und Patrouillen unter bestimmten
Voraussetzungen vorläufige Festnahmen vorzu-
nehmen (Instruktion für die Wachen vom 29. Jan.
1881). Bei öffentlichen Notständen, insbesondere
bei Brandfällen, hat das Militär Hilfe zu leisten
(Kabinettsorder vom 6. Jan. 1899). Den Bun-
desfürsten und Senaten (ausgenommen Bayern)
ist durch die Reichsverf. Art. 66 ausdrücklich
das Recht zuerkannt, „zu polizeilichen Zwecken“
nicht bloß ihre eignen Truppen zu verwenden,
sondern auch alle andern in ihren Ländergebieten
dislozierten Truppenteile des Reichsheeres zu re-
quirieren. Bei diesen Dienstleistungen hat das
Militär erforderlichenfalls auch von seinen Waffen
Gebrauch zu machen, um einen Angriff abzu-
wehren, einen Widerstand zu überwältigen, die
Flucht festgenommener Personen oder dem Mili-
tär übergebener Gefangenen zu vereiteln, die der
Bewachung des Militärs anvertrauten Personen
und Sachen zu schützen; der Gebrauch der Schuß-
waffe tritt nur dann ein, wenn entweder ein be-
sonderer Befehl dazu erteilt worden ist, oder wenn
die andern Waffen dazu unzureichend erscheinen;
die Frage, in welchem Zeitpunkte und in welcher
Art und Weise der Waffengebrauch eintreten soll,
ist von dem handelnden Militär auch dann selbst
zu entscheiden, wenn es zum Beistand einer Zi-
vilbehörde befohlen ist (preußisches Gesetz vom
Deutschen Reichs. 1138
20. März 1837 und Verordnung vom 17. Aug.
1835, auchin Württembergeingeführt. Für Bayern
gilt das Gesetz vom 4. Mai 1851 und die Garni-
sondienstinstruktion vom 5. April 1855).
II. Kriegszustand. Der Kaiser kann, wenn
die öffentliche Sicherheit im Reichsgebiet bedroht
ist, einen jeden Teil desselben in Kriegszustand
(Belagerungszustand) erklären; ausgenommen ist
das bayrische Staatsgebiet, für welches nur der
König von Bayern den Kriegszustand erklären
kann. Bis zum Erlaß eines die Voraussetzungen,
die Form der Verkündigung und die Wirkung
einer solchen Erklärung regelnden Reichsgesetzes,
welches dann auch für Bayern maßgebend wäre,
gelten dafür im nichtbayrischen Reichsgebiet die
Vorschriften des preußischen Gesetzes über den Be-
lagerungszustand vom 4. Juni 1851, in Bayern
die landesrechtlichen Bestimmungen über das
Standrecht (Reichsverf. Art. 68; bayr. Bündnis-
vertrag III, § 5, Ziff. 6). — 1) Der Kriegszu-
stand kann verhängt werden im Fall eines Krie-
ges oder einer durch Aufruhr herbeigeführten
dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit
(preuß. Gesetz §§ 1, 2). — 2) Die Verkündigung
des Kriegszustandes hat zu geschehen bei Trommel-
schlag oder Trompetenschall und ist außerdem durch
Mitteilung an die Gemeindebehörde, durch An-
schlag an öffentlichen Plätzen und durch öffentliche
Blätter zur allgemeinen Kenntnis zu bringen
(preuß. Gesetz § 3). — 3) Mit der Bekannt-
machung der Erklärung des Kriegszustandes geht
die vollziehende Gewalt an die Militärbefehlshaber
über. Die Zivilverwaltungs= und Gemeinde-
behörden haben den Anordnungen und Aufträgen
der Militärbefehlshaber, welche für ihre Ver-
fügungen persönlich verantwortlich sind, Folge zu
leisten (preuß. Gesetz § 4). Außerdem treten
wichtige Anderungen auf dem Gebiet des Straf-
rechts und Strafverfahrens ein: gewisse Ver-
brechen, insbesondere Hochverrat, Landesverrat,
Kriegsverrat, Brandstiftung, werden, wenn sie
sonst mit lebenslänglicher Zuchthausstrafe be-
droht sind, nunmehr mit dem Tode bestraft
(Einf. Ges. z. R. St. G. B. vom 31. Mai 1870,
§4); die Militärpersonen sind in den von der Er-
klärung des Kriegszustandes betroffenen Gebieten
den Kriegsgesetzen unterworfen (Mil. St. G.B.
vom 20. Juni 1872, § 9, Ziff. 2), und der
militärische Befehlshaber hat die höhere Ge-
richtsbarkeit über alle zur Besatzung gehören-
den Militärpersonen (Mil. St.G.O. vom 1. Dez.
1898, §§ 27, 20). Außerdem können erforder-
lichenfalls für die Dauer des Kriegszustandes die
Gesetze über die Gewährleistung der persönlichen
Freiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, die
Freiheit der Presse, das Versammlungs= und Ver-
einsrecht und das Einschreiten der bewaffneten
Macht außer Kraft gesetzt und Kriegsgerichte
mit außerordentlicher Zuständigkeit und summa-
rischem Verfahren eingesetzt werden (preuß. Gesetz
§§ 5, 10/14). — 4) Über die Vorbereitung