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des Kriegszustandes in Elsaß-Loth-
ringen ist ein besonderes Reichsgesetz vom
30. Mai 1892 ergangen, welches an Stelle einer
abgelehnten Regierungsvorlage über den Belage-
rungszustand in Elsaß-Lothringen vom Reichstag
auf Grund eines Antrages der Zentrumsfraktion
angenommen wurde. Dieses Spezialgesetz ermäch-
tigt die obersten Militärbefehlshaber Elsaß Loth-
ringens, im Falle eines Krieges oder eines un-
mittelbar drohenden feindlichen Angriffs — nicht
auch im Falle eines Aufruhrs — in den ihnen
unterstellten Orten oder Landesteilen die Aus-
übung der vollziehenden Gewalt vorläufig
zu übernehmen, verpflichtet sie aber, alsdann un-
verzüglich die Entscheidung des Kaisers über die
Verhängung des Kriegszustandes einzuholen. Die
Übernahme der vollziehenden Gewalt erfolgt durch
die Erklärung des obersten Militärbefehlshabers
gegenüber der Zivilverwaltungsbehörde des be-
treffenden Ortes oder Landesteiles; sie ist in orts-
üblicher Weise öffentlich bekannt zu machen und
hat die Folge, daß die Zivilverwaltungs= und
Gemeindebehörden den Anordnungen und Auf-
trägen der Militärbefehlshaber Folge zu leisten
haben. Über die getroffenen Verfügungen, für
welche die Militärbefehlshaber persönlich verant-
wortlich sind, muß dem Bundesrat und dem
Reichstag Rechenschaft gegeben werden.
III. Kriegsbereitschaft; Kriegsschatz. Der
Kaiser ist befugt, die kriegsbereite Aufstellung
eines jeden Teiles der deutschen Land= und See-
macht anzuordnen und Reserve, Landwehr, See-
wehr und Landsturm einzuberufen; ausgenommen
ist nur das bayrische Kontingent, bei welchem die
Anordnung der Kriegsbereitschaft (Mobilisierung)
„auf Veranlassung“ des Kaisers durch den König
von Bayern erfolgt (Reichsverf. Art. 63, Abf. 4;
bayr. Bündnisvertrag III, § 5, Ziff. 3, Abs. 5;
Wehrgesetz vom 9. Sept. 1867, § 8, Abs. 1 und
vom 11. Febr. 1888, § 25). Um im gegebenen
Fall die kriegsbereite Aufstellung möglichst rasch
und zweckmäßig durchzuführen, wird schon im
Frieden ein bis in die kleinsten Einzelheiten wohl-
durchdachter Nobilmachungsplan entworfen
und in seiner Ausführung vorbereitet; „alle be-
reits im Frieden zur schleunigen Überführung auf
den Kriegsfuß erforderlichen Vorbereitungen sind
nach den Bestimmungen des Kaisers zu treffen“
(Militärgesetz vom 2. Mai 1874, § 6, Abs. 1).
Nur für das bayrische Kontingent wird der Mobil-
machungsplan durch den König von Bayern fest-
gestellt; letzterer ist aber verpflichtet, „in Bezug auf
die Mobilmachung volle Übereinstimmung mit den
für das Bundesheer bestehenden Normen herzu-
stellen“ (Bündnisvertrag III, § 5, Ziff. 3, Abs. 2).
Ein Stück finanzieller Kriegsbereitschaft bildet
der im Juliusturm der Zitadelle zu Spandau ver-
wahrte, ausschließlich für Zwecke der Mobil-
machung bestimmte Kriegsschatz gemünzten
Geldes im Betrag von 120 Mill. A, welcher aus
der von Frankreich geleisteten Kriegsentschädigung
Militärwesen des Deutschen Reichs.
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entnommen wurde; über denselben kann nur mittels
kaiserlicher Anordnung unter vorgängig oder nach-
träglich einzuholender Zustimmung des Bundes-
rats und des Reichstags verfügt werden (Reichs-
gesetz vom 11. Nov. 1871, § 1). Die Verwaltung
des Reichskriegsschatzes geschieht durch den Reichs-
kanzler unter der Kontrolle der Reichsschulden-
kommission.
IV. Kriegserklärung; Kriegführung. Der
Kaiser hat im Namen des Reichs Krieg zu er-
klären und Frieden zu schließen; zur Kriegserklä-
rung im Namen des Reichs ist die Zustimmung
des Bundesrats nur dann erforderlich, wenn es
sich nicht um die Abwehr eines Angriffs auf das
Reichsgebiet handelt (Reichsverf. Art. 11, Abs. 1
und 2). Die Kriegführung ist in allen Fällen
ausschließlich Aufgabe des Kaisers und seiner
Kommandogewalt. Dagegen bedarf es zur Be-
streitung der durch die Kriegführung entstehenden
Ausgaben immer eines Etatsgesetzes, also der Zu-
stimmung des Bundesrats und des Reichstags,
so daß insofern stets eine Mitverantwortung der
verbündeten Regierungen und der Volksvertretung
für die Kriegführung besteht. So hat das Bundes-
gesetz vom 21. Juli 1870 den Bundeskanzler er-
mächtigt, zur Bestreitung der durch die angeord-
nete Mobilmachung der Armee und durch die
Kriegführung gegen Frankreich entstehenden außer-
ordentlichen Ausgaben der Heeres= und Flotten-
verwaltung Geldmittel bis zur Höhe von 120 Mill.
Talern im Wege des Kredits flüssig zu machen
und zu diesem Zweck eine Anleihe aufzunehmen und
Schatzanweisungen auszugeben. Als im Juli und
Aug. 1900 eine kriegerische Expedition nach China
erfolgt war, ohne daß der Reichskanzler Fürst
v. Hohenlohe die vorgängige Genehmigung der
Ausgaben bei dem Reichstag eingeholt hatte, er-
bat der neue Reichskanzler v. Bülow in der Sitzung
des Reichstags vom 19. Nov. 1900 Indemnität
und erhielt solche durch § 6 des Reichsgesetzes vom
25. Febr. 1901.
E. Klasseneinfeilung der Militärpersonen
(ogl. die Anlage zum Mil.St. G. B.). Die zum
deutschen Heer und der Kaiserlichen Marine ge-
hörigen Militärpersonen bestehen aus Personen
des Soldatenstandes und Militärbeamten.
I. Personen des Soldatenstandes sind: 1) die
Offiziere, und zwar a) im Heer: Generalität,
Stabsoffiziere, Hauptleute und Rittmeister, Sub-
alternoffiziere (Oberleutnants und Leutnants);
b) in der Marine: Flaggoffiziere oder Admirale,
Stabsoffiziere, Kapitänleutnants, Subalternoffi-
ziere (Leutnants und Unterleutnants zur See);
2) die Unteroffiziere, welche im Heer und
in der Marine in Portepee-Unteroffiziere, die das
Offiziersportepee tragen, und in Unteroffiziere
ohne Portepee eingeteilt werden; 3) die Ge-
meinen mit Einschluß der Obergefreiten und
Gefreiten; 4) die Mitglieder des Sani-
tätskorps sowie 5) die Mitglieder des
Maschinen-Ingenieurkorps gehören nach