Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1149 Militärwesen des 
amtskandidaten nicht, ihren Wünschen ist aber 
möglichst Rechnung zu tragen; die demselben 
Truppenteil überwiesenen Lehrer sind grundsätzlich 
gemeinschaftlich unterzubringen; sie nehmen, so- 
weit möglich, an der Rekrutenausbildung der 
Einjährig-Freiwilligen teil und sollen tunlichst zu 
Unteroffizieren des Beurlaubtenstandes ausgebildet 
werden. Soweit die Lehrer als Einjährig-Frei- 
willige ihrer aktiven Dienstpflicht genügen wollen 
oder genügen, finden die allgemeinen Vorschriften 
über Einjährig,Freiwillige auf sie Anwendung. Auf 
Antrag des Zentrumsabgeordneten Dr Lieber 
verlangte der Reichstag am 7. März 1895 Be- 
stimmungen, wonach der erfolgreiche Besuch eines 
Lehrerseminars die Berechtigung zum einjährig- 
freiwilligen Dienst in sich schließt; durch Erlaß 
des Reichskanzlers vom 19. Febr. 1896 entsprach 
der Reichskanzler diesem Verlangen, indem er die 
staatlichen Lehrerseminare als Lehranstalten an- 
erkannte, welche gültige Zeugnisse über die wissen- 
schaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen 
Dienst ausstellen dürfen. — 2) Dienstpflicht 
im Beurlaubtenstand. Der Beurlaubten- 
stand umfaßt die Reserve und Marinereserve, 
Landwehr und Seewehr, Ersatzreserve und Marine- 
Ersatzreserve, außerdem die vorläufig in die Hei- 
mat beurlaubten Rekruten und Freiwilligen sowie 
die zur Disposition der Ersatzbehörden entlassenen 
Mannschaften und diezur Disposition der Truppen- 
oder Marineteile beurlaubten Mannschaften. — 
a) Allen Personen des Beurlaubtenstandes ge- 
meinsam ist die Verpflichtung, die zur Ausübung 
der militärischen Kontrolle erforderlichen An- 
ordnungen zu befolgen und geeignete Vorkehrungen 
zu treffen, daß dienstliche Befehle ihrer Vorgesetzten, 
namentlich Gestellungsbefehle, ihnen jederzeit zu- 
gestellt werden können; auch sind sie im dienst- 
lichen Verkehr mit ihren Vorgesetzten, oder wenn 
sie in Uniform erscheinen, der militärischen Dis- 
ziplin unterworfen. Bei einer allgemeinen Mobil- 
machung haben alle im Ausland befindlichen Per- 
sonen des Beurlaubtenstandes sich unverzüglich in 
das Inland zurückzubegeben. Im übrigen sind 
die Rechtsverhältnisse der einzelnen Klassen des 
Beurlaubtenstandes verschieden geregelt und na- 
mentlich die Verpflichtungen zu dienstlichen Mel- 
dungen sowie zur Teilnahme an Kontrollversamm- 
lungen und Übungen nach der militärischen Brauch- 
barkeit der Klassen abgestuft. Die Angehörigen 
der Land= und Seewehr ersten Aufgebots, der 
Ersatzreserve und Marine-Ersatzreserve können all- 
jährlich einmal, die übrigen Personen des Be- 
urlaubtenstandes alljährlich zweimal zu Kontroll= 
versammlungen zusammenberufen werden. An- 
gehörige der Land= und Seewehr zweiten Aufgebots 
dürfen im Frieden zu Kontrollversammlungen nicht 
herangezogen werden. — b) Jeder Reservist oder 
Marinereservist ist während der Dauer des Re- 
serve-(Marinereserve-,Verhältnisses zur Teilnahme 
an zwei Ubungen verpflichtet, welche die Dauer 
von je 8 Wochen nicht überschreiten sollen; als 
  
Deutschen Reichs. 1150 
UÜbung ist auch jede Dienstleistung im Heer oder 
in der Marine aus Anlaß notwendiger Verstär- 
kungen oder eine Mobilmachung anzusehen. Mann- 
schaften der Landwehr ersten Aufgebots oder der 
Seewehr ersten Aufgebots können während ihrer 
Dienstzeit in der Landwehr bzw. Seewehr ersten 
Aufgebots zweimal auf 8—14 Tage zu Übungen 
einberufen werden; die Landwehrkavallerie und 
die Mannschaften der übrigen Waffengattungen 
in der Landwehr zweiten Aufgebots sowie die 
Seewehr zweiten Aufgebots werden im Frieden zu 
Übungen nicht einberufen. Die Ersatzreservisten 
sind im Frieden zur Ableistung von drei Ubungen 
verpflichtet, von denen die erste 10, die zweite 6 
und die dritte 4 Wochen dauert; ÜUbungen von 
Marine-Ersatzreservisten finden im Frieden nicht 
statt. Mannschaften der Landwehr ersten Auf- 
gebots und Ersatzreservisten, welche das 32. Lebens- 
jahr überschritten haben, können zu den gesetzlichen 
Übungen regelmäßig nicht herangezogen werden. 
Die schiffahrttreibenden Mannschaften der Re- 
serve, der Landwehr ersten Aufgebots sowie der 
Ersatzreserve sollen zu Ubungen im Sommer nicht 
einberufen werden. Die Landwehrinfanterie übt 
in besondern, aus Mannschaften des Beurlaubten- 
standes gebildeten Formationen, während die 
Mannschaften der übrigen Waffengattungen auch 
im Anschluß an die betreffenden Linientruppen- 
teile üben dürfen. Die Zeit für alle Ubungen der 
Personen des Beurlaubtenstandes ist von den 
Militärbehörden unter möglichster Berücksichti- 
gung der Interessen der bürgerlichen Berufskreise, 
namentlich der Ernteverhältnisse, festzusetzen (Reichs- 
gesetz vom 15. April 1905, Art. 2, 8§ 3, 4 
) Bei notwendigen Verstärkungen oder Mobil- 
machungen bzw. bei Bildung von Ersatztruppen- 
teilen werden die Mannschaften des Beurlaubten- 
standes, soweit die militärischen Interessen es ge- 
statten, nach den Jahresklassen, mit den jüngsten 
beginnend, einberufen. Hierbei können dringende 
häusliche und gewerbliche sowie amtliche Verhält- 
nisse durch zeitweise Zurückstellung berücksichtigt 
werden. Reichs-, Staats= und Kommunalbeamte 
sollen durch ihre Einberufung zum aktiven Dienst 
in ihren bürgerlichen Dienstverhältnissen keinerlei 
Nachteil erleiden; ihre Stellen, ihr persönliches 
Diensteinkommen aus denselben, ihr Dienstalter 
sowie alle sich daraus ergebenden Ansprüche bleiben 
ihnen in der Zeit der Einberufung zum aktiven 
Dienst gewahrt. — d) Schon das Militärgesetz 
vom 2. Mai 1874. § 65 bestimmte, daß Personen 
des Beurlaubtenstandes, welche ein geistliches 
Amt in einer mit Korporationsrechten innerhalb 
des Reichsgebiets bestehenden Religionsgesellschaft 
bekleiden, zum Dienst mit der Waffe nicht 
heranzuziehen sind. Ein Antrag der Zentrums- 
fraktion, diese Vorschrift auf die dem geistlichen 
Stand angehörigen Personen auszudehnen, 
wurde im Reichstag 1874 abgelehnt, 1880 aber 
gegen die Stimmen der Fortschrittspartei (Eugen 
Richter) angenommen; dieser letztere Antrag war,
	        
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