Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Was den Ursprung der Monarchie betrifft, 
so scheint es am nächsten zu liegen, denselben aus 
der Familie herzuleiten. Aus eignem Recht, und 
solange er lebt, ist der Hausvater die oberste Autori- 
tät. Weil er der Vater ist, herrscht er über Weib 
und Kinder. Aber daraus folgt trotzdem nicht, 
daß jedes monarchische Staatswesen unmittelbar 
aus dem Familienverhältnis müsse hervorgegangen 
sein. Denn zunächst ist die Familie als solche noch 
kein Staat, und sie wird es auch nicht, wenn sich 
das einzelne Hauswesen zur Sippe und zum 
Stamme erweitert, solange das Bewußtsein der 
Zusammengehörigkeit allein auf dem Familien- 
und Stammesgefühl beruht. Ein Staat ist erst 
gegeben, wo sich ein Menschheitskomplex unab- 
hängig von Familienbanden, und deshalb auch 
darüber hinausgreifend, in Anerkennung einer für 
alle Glieder gemeinsamen Wohlfahrt und einer für 
alle gültigen Rechtsordnung zu einem Ganzen zu- 
sammenschließt. Alsdann kann allerdings der an 
der Spitze stehende Herrscher, das anerkannte 
Staatshaupt, ursprünglich Familienhaupt ge- 
wesen sein; der Patriarch (s. d. Art. Patriarchie), 
der zuerst nur über Kinder und Kindeskinder seine 
hausväterliche Gewalt ausübte, kann zum König 
geworden sein, weil etwa fremde, schwächere 
Stämme,die sich anschlossen, bereitwillig sich da- 
mit seiner Autorität unterwarfen, oder auch, weil 
während seines langen, mehrere Generationen 
umfassenden Lebens die Familienbande unter den 
zahlreichen Nachkommen sich naturgemäß gelockert 
und das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit 
jenen veränderten Charakter angenommen hatte. 
Mit dem Staat zugleich entstand auf solche Weise 
eine Monarchie; die lange Gewöhnung an die 
vorgefundene Autorität trug wesentlich zu ihrer 
Befestigung bei; die Verehrung, welche den Pa- 
triarchen umgeben hatie, hob den König in eine 
höhere Sphäre, und es konnte wohl auch als 
selbstverständlich erscheinen, daß die endlich durch 
den Tod hervorgerufene Lücke von demjenigen 
ausgefüllt wurde, welcher dem Verstorbenen wäh- 
rend seines Lebens am nächsten gestanden hatte, 
von seinem ältesten Sohn also, wenn ein solcher 
vorhanden war. Immerhin aber wird doch auch 
da, wo man sich das monarchische Staatswesen 
aus der Familie hervorgegangen denkt, beim 
Thronwechsel der persönliche Wert des Nach- 
folgers von Bedeutung gewesen sein, und ehe der 
Erbgang gesetzlich geregelt war, die größere kör- 
perliche oder geistige Tüchtigkeit den Ausschlag 
gegeben haben. — Den ausschließlichen Bestim- 
mungsgrund aber gab der persönliche Wert in 
den ohne Frage weit zahlreicheren Fällen ab, in 
denen ein monarchisches Staatswesen aus dem 
Kriege hervorging. Das Bedürfnis gemeinsamer 
Abwehr feindlicher Angriffe verknüpfte bis dahin 
gesonderte gesellschaftliche Elemente zu einem ein- 
heitlichen Ganzen, ebenso führten Eroberungs- 
züge, unternommen, um bessere Wohnsitze und 
fruchtbareren Boden zu gewinnen, zur Bildung 
Monarchie. 
  
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von Staaten. Einheitliche Leitung aber, Manns- 
zucht und willige Unterwerfung unter die Befehle 
des Vorgesetzten sind im Kriege die unerläßlichen 
Bedingungen des Erfolges; je länger die Kriegs- 
gefahr dauert, je mehr sich in ihr das Verdienst 
des Heerführers bewährt, desto näher wird es 
liegen, daß er auch nach dem Eintritte friedlicher 
Zustände die oberste Gewalt in Händen behält. 
Der Erretter des Volkes, der ruhmgekrönte Kriegs- 
held wird zum König, und der Vorrang in alle- 
dem, worauf kriegerische Tugend beruht, Tapfer- 
keit und Stärke, Ausdauer und Umsicht, gibt den 
Anspruch darauf, zum König berufen zu werden. 
Bei den Athiopiern wurde nach Herodot der körper- 
lich Größte König. Saul überragte um Hauptes- 
länge alles Volk Israel; noch Wilhelm dem Er- 
oberer war es förderlich, daß er einen Bogen 
im Galopp spannen konnte, den kein anderer 
stehend zu handhaben vermochte. 
2. Verschiedene Formen. Auf solche 
Weise mag man sich das erste Aufkommen der 
Monarchie in den Urzeiten vorstellen. Späterhin 
konnte sich dann die Errichtung einer monarchischen 
Verfassung in einem bestimmten Lande und die 
Berufung einer einzelnen Persönlichkeit zur Herr- 
schaft unter sehr mannigfaltigen Umständen und 
aus sehr verschiedenen Beweggründen vollziehen. 
Ebenso erhellt bereits aus dem gleich zu Anfang 
Gesagten, daß auch die Formen, in denen 
hierbei der monarchische Gedanke seine Verwirk- 
lichung gefunden hat, sehr verschieden gewesen 
sind. Es mag auf sich beruhen, ob wirklich, wie 
manche geglaubt haben, die gleichmäßig wieder- 
kehrende Reihenfolge dieser Formen in der Ge- 
schichte der verschiedenen Völker eine naturgesetz- 
liche Entwicklung der Monarchie erkennen lasse. 
Der Ablauf der Begebenheiten und der Wechsel 
der Zustände widerstreiten in der Regel den An- 
forderungen einer systematischen Gliederung und 
lassen sich nur gezwungen und unter Anerkennung 
zahlreicher Ausnahmen derselben einordnen. Da- 
gegen ist es für das Verständnis ihres Wesens 
von Wichtigkeit, die hauptsächlichen Formen, in 
denen die Monarchie tatsächlich aufgetreten ist, des 
näheren zu betrachten. 
Dererste und am meisten in die Augen springende 
Unterschied ist der zwischen unbeschränkter 
(absoluter) und beschränkter Monarchie. In 
der ersteren ist der Monarch der ausschließliche 
Träger der vollen Staatsgewalt; in der Bestim- 
mung der staatlichen Aufgaben wie in der Wahl 
der ihrer Erfüllung dienenden Mittel ist er allein 
von seinem Ermessen abhängig. Daß sich auch hier 
noch verschiedene Stufen und Phasen unterscheiden 
lassen, ist anderwärts gezeigt worden (s. d. Art. 
Absolutismus). Bezüglich der beschränkten Mon- 
archie ergibt sich ein weiterer Unterschied, je nach- 
dem die Beschränkung den Umfang der Staats- 
gewalt oder die Ausübung derselben betrifft. Man 
kann sich eine Einrichtung denken, durch welche 
dem Monarchen freie Verfügung über die in seiner
	        
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