Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1203 
mittel eines ausgedehnten Gebietes gestützt, kann 
er durch den Reichtum und die Pracht seines Hof- 
staates imponieren. Verlangt sonach die Mon- 
archie eine gewisse räumliche Größe des Staates, 
so kommen nun auch in großen Staaten ihre Vor- 
züge zu deutlicherer Geltung. In der Monarchie 
besitzt die Einheit des Staatswesens ihre Ver- 
körperung in der Person des Monarchen. Das 
hat nicht bloß symbolische Bedeutung. Der Mon- 
arch repräsentiert nicht nur das Staatsganze nach 
innen und außen, sondern indem er die Macht 
des Staates in seiner Person vereinigt, steigert 
sich naturgemäß diese Macht und steigert sich die 
Leichtigkeit ihrer Verwendung. Der Regierungs- 
apparat großer republikanischer Staaten wird in 
der Regel weit schwieriger zu handhaben sein als 
der von monarchischen, wo alles in eine einheitliche 
Spitze zusammenläuft und ein einheitlicher Wille 
vom Zentrum aus alle Organe gleichsam mit 
einem Schlage in Bewegung zu setzen vermag. 
In jedem Geschäfte wächst der Erfolg mit der 
Einheitlichkeit des Betriebes. In der Stufenleiter 
der lebenden Wesen bemessen wir die zunehmende 
Vollkommenheit an der zunehmenden Arbeits- 
teilung, der Uberweisung verschiedener Funktionen 
an gesonderte Organe. Der monarchische Staat 
besitzt in der Person des Staatsoberhauptes ein 
einheitliches Organ für die oberste Leitung der 
staatlichen Geschäfte; ihm allein steht diese Funk- 
tion zu, alle andern Organe sind nur in Unter- 
ordnung unter ihn tätig. Das vielberufene Wort 
Ludwigs XIV.: L'Etat c'est moi!l bedeutete im 
Munde des Sprechers eine vollkommene Um- 
kehrung des allein richtigen Verhältnisses; aber 
es läßt sich demselben auch ein guter Sinn abge- 
winnen: im monarchischen Staat ist der König 
ganz und gar da für den Staat; seine Interessen 
sind die des Staates, mit dem Wohlstande und 
der Macht desselben steigert sich der Glanz, der 
seine Person umgibt, mit der Befriedigung der 
Staatsbürger erhöht sich das Glück seines eignen 
Lebens. In der erblichen Monarchie reicht diese 
innige Verkettung der Interessen von Fürst und 
Staat über das Leben des einzelnen Herrschers 
hinaus. Die Fürsorge für die dauernde Wohl- 
fahrt des Staates deckt sich hier mit dem echt 
menschlichen Bestreben, das Glück der eignen Nach- 
kommen zu sichern. Kein Mitglied einer ange- 
stammten Dynastie wird bei gesunden Sinnen den 
Satz: „Nach mir die Sündflut!“ zur Maxime 
seiner Regierungshandlungen machen. 
Damit hängt die größere Stetigkeit zusam- 
men, welche das öffentliche Leben in einem mon- 
archischen Staate der Negel nach aufweist. In 
einer demokratischen Republik pflegt die periodisch 
wiederkehrende Wahl des Präsidenten oder des 
gesetzgebenden Körpers das ganze Land bis in 
seine untersten Tiefen aufzuwühlen; ihr Ergebnis 
kann möglicherweise zu einer völligen Umgestal- 
tung aller Verhältnisse führen. Auch im mon- 
archischen Staat hat der Thronwechsel nicht selten 
Monarchie. 
  
1204 
einen Wechsel der Politik nach sich gezogen, aber 
derselbe beschränkte sich der Natur der Sache nach 
immer nur auf einzelne Gebiete; die eigentlichen 
Grundpfeiler des staatlichen Gebäudes, blieben un- 
angetastet; ihre Erschütterung würde zuallererst 
die monarchische Spitze in Gefahr bringen. Im 
eignen Interesse wie in dem seiner Nachkommen 
wird der neue Regent sich vor Maßregeln zu hüten 
haben, durch welche eines der festesten Bande 
monarchischer Institutionen, die Gewöhnung an 
das Hergebrachte, ohne Not würde gelockert wer- 
den. Tatkraft und Unternehmungslust eines jungen 
Herrschers können dadurch unter Umständen auf 
eine harte Probe gestellt werden. Auch wer an 
den Stufen eines Thrones geboren wurde, ist da- 
durch nicht gegen den gewöhnlichen Fehler der 
Jugend gefeit, den Weg der eignen, noch nicht 
an der Sonne des Lebens gereiften Ideen zu über- 
schätzen. Schlimmer noch, wenn er die Höhe des 
Standpunktes, auf den die ererbte Würde ihn ge- 
stellt hat, verwechseln sollte mit einem gesteigerten 
Maße eigner Einsicht und Urteilsschärfe. 
Der Hauptvorzug der Monarchie liegt darin, 
daß in ihr das Staatsoberhaupt in eine Sphäre 
erhoben ist, welche dasselbe jedem Widerstreit der 
Klasseninteressen, jeder Eifersucht der Parteien und 
jedem Ehrgeiz politischer Streber entrückt. Der 
Monarch als solcher gehört keiner Klasse an, jener 
der Grundbesitzer und Industrieunternehmer so 
wenig wie jener der Kaufleute oder Arbeiter. Auch 
wenn sein Privatvermögen in landwirtschaftlichen 
oder industriellen Werten angelegt ist, verschlägt 
dies dagegen nichts; seine Stellung als König 
wird nicht durch den größeren oder geringeren 
Ertrag seiner Güter bedingt, welcher zudem in der 
Regel weit hinter dem ihm als König zustehenden 
Einkommen zurückbleiben wird. Nur der Gewinst 
im Börsenspiel könnte auch für einen König ver- 
lockend sein, die Beteiligung eines Monarchen an 
demselben aber würde unrettbar den Untergang 
der Monarchie zur Folge haben. So wird in 
Zeiten ausgebildeter Klassengegensätze und Klassen- 
kämpfe die Monarchie am leichtesten unpartei- 
lich sein und für unparteilich gelten. Viel eher 
wird es in einer Republik geschehen, daß ein ein- 
zelner übermächtiger Stand die Gesetzgebung in 
egoistischer Weise handhabt und das ganze Land 
den eignen Interessen dienstbar macht. Wo ein 
Monarch in die Klassenkämpfe eingreift, wird er 
es immer als seine erste Aufgabe ansehen, die 
Interessen der wirtschaftlich Schwachen zu schützen; 
denn er ist stark genug, auch die wirtschaftlich 
Stärksten im Staate nicht fürchten zu müssen. 
In einer demokratischen Republik sodann gibt es 
keine staatliche Stellung, welche grundsätzlich der 
Bewerbung der Bürger entzogen wäre, auf welche 
sich daher der Ehrgeiz nicht richten, die er nicht 
mit allen Mitteln der Parteiagitation und Volks- 
verführung, der Intrige und Bestechung zu er- 
ringen trachten könnte. So achtenswert im übrigen 
das Beispiel Nordamerikas die republikanischen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.