Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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tätigung staatlichen Lebens, welche in völliger 
Loslösung von seiner Autorität oder gar im 
Widerstreite mit derselben sich vollziehen könnte. 
Er selbst aber kann diese Staatsgewalt nur aus- 
üben innerhalb der vom Gesetze vorgeschriebenen 
Weise, zum Teil nur durch Vermittlung bestimmter 
Personen (der Minister) und unter Mitwirkung 
der Volksvertretung. Diese Beschränkung der 
königlichen Gewalt geht in vielen Fällen auf einen 
gesetzgeberischen Akt eines bis dahin absoluten 
Herrschers zurück, so daß die bestehende Verfassung 
sich als eine von dem Monarchen freiwillig ge- 
gebene darstellt; aber sie ist trotzdem auch für ihn 
bindendes Recht, als das Gesetz des Staatsganzen 
steht sie über ihm, und er kann sie ohne Rechts- 
bruch nicht einseitig verändern. In der Beschwö- 
rung der Verfassung durch den König beim Re- 
gierungsantritt findet dieser Sachverhalt seinen 
feierlichen Ausdruck. 
Der Monarch ist unverantwortlich; 
Handlungen seines privaten Lebens können nicht 
strafrechtlich verfolgt werden, für die Regierungs- 
handlungen tragen die Minister die Verantwor- 
tung. Die Erstreitung vermögensrechtlicher For- 
derungen ist ermöglicht durch die Unterscheidung 
zwischen der Person des Königs und seiner Ver- 
mögensverwaltung, Zivilliste us. Die Verant- 
wortlichkeit der Minister ist die Einrichtung, durch 
welche das moderne Staatsrecht das Problem ge- 
löst hat, die Regierung des Monarchen an die 
Gesetze zu binden, ohne seine höchste Autorität einer 
andern Autorität zu unterwerfen. Regierungs- 
handlungen haben rechtliche Gültigkeit nur bei 
Gegenzeichnung eines Ministers, der aber damit 
die Verantwortung für dieselben vor dem Lande 
übernimmt. Trotzdem sind die Persönlichkeit und 
der Wille des Monarchen nicht gleichgültig; der 
Satz, daß der König nicht unrecht tun kann, be- 
deutet nicht, daß er überhaupt nichts tue; seine 
Erhabenheit soll nach J. F. Stahls Ausdruck 
nicht die „des Knopfes am Kirchturm“ sein, „um 
den kein Mensch sich kümmert“. Wenn durch die 
konstitutionellen Einrichtungen ein schlechter Re- 
gent verhindert werden soll, dem Staate zu scha- 
den, so müssen sie doch einem guten Raum lassen, 
seine Absichten und Fähigkeiten zugunsten des 
Staates zu betätigen. Hegel meinte, der Monarch 
habe nur ja zu sagen und den Punkt auf das i zu 
setzen. Aber dies entsprach weder den zu seiner Zeit 
in Preußen geltenden Einrichtungen, noch kann 
man darin eine zutreffende Formulierung des 
konstitutionell-monarchischen Staatsrechtserblicken. 
Der Monarch hat nicht nur ja, sondern auch nein 
zu sagen; nicht nur der Form nach, sondern auch 
materiell liegt die oberste Entscheidung bei ihm. 
Er ernennt die Minister nach eignem Ermessen 
und freiem Willen. Wenn er dabei der öffentlichen 
Meinung oder der in der Volksvertretung vor- 
herrschenden Auffassung Rechnung trägt, so erfüllt 
er möglicherweise ein Gebot der Klugheit, nicht 
aber eine rechtliche Forderung. 
  
Monarchie. 
  
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In der Gesetzgebung ist er an die Mit- 
wirkung der Volksvertretung gebunden; aber er 
ist dabei selbst gesetzgeberischer Faktor, erst durch 
seine positive Zustimmung gewinnt ein Gesetz 
rechtliche Kraft. Nur mit seiner Autorisation 
können die Minister Gesetzentwürfe in Vorlage 
bringen. Auch wird der Regel nach die gesetz- 
geberische Initiative bei der Regierung sein, wenn 
auch die Volksvertretung von derselben nicht grund- 
sätzlich auszuschließen ist. Der Monarch beruft 
die Volksvertretung, eröffnet und schließt dieselbe; 
er kann sie vor Ablauf der regelmäßigen Legis- 
laturperiode auflösen und Neuwahlen anordnen. 
Im Staatshaushalt ist er an die Kontrolle und 
die Bewilligung der Volksvertretung gebunden. 
Dagegen ist er im ausschließlichen Besitz der eigent- 
lichen Regierungsgewalt; nur er hat das Recht, 
im Rahmen der Gesetze und in Ausführung der- 
selben Verordnungen für den ganzen Staat zu er- 
lassen. Die Verfügungen der Minister und andern 
Behörden gelten nur als Ausflüsse seiner obersten 
Macht. Die Volksvertretung hat kein Recht der 
Mitregierung, und sie kann bindende Anordnungen 
nur im Bereiche ihres gesetzlich bestimmten Tätig- 
keitskreises erlassen zur Leitung ihrer Geschäfte und 
Aufrechterhaltung der Ordnung bei ihren Be- 
ratungen. Alle einzelnen Staatsorgane sind dem 
Monarchen untergeordnet, auch die Richter, ob- 
gleich diesen ein von der Einwirkung des Staats- 
oberhauptes unabhängiger Wirkungskreis ange- 
wiesen ist; in seinem Namen und Auftrag erfolgt 
die Rechtsprechung. Alle wichtigen Staatsstellen 
werden von ihm besetzt. Ihm allein steht die Ent- 
scheidung über Krieg und Frieden zu, ihm allein 
die Vertretung des Staates nach außen. 
Bei dieser Umschreibung des monarchischen 
Rechts im konstitutionellen Staate ist nun aber ein 
wichtiger Vorbehalt zu machen. Dasselbe gilt in 
solchem Umfange in dem Lande nicht, welches 
häufig als das eigentliche Urbild der konstitutio- 
nellen Monarchie angesehen wird, in England. 
Denn hier besteht zwar ein erbliches Königtum, 
welches mit hohen Ehrenrechten umgeben, und wie 
versichert wird, von der Verehrung und Liebe des 
Landes getragen ist; aber von den zuvor aufge- 
zählten rechtlichen Befugnissen kommen ihm gerade 
die bedeutsamsten nicht zu. Die Ernennung der 
Minister ist nicht in dem freien Ermessen der Krone 
gelegen, sondern, was die politische Parteistellung 
und die leitenden Persönlichkeiten betrifft, an die 
Ma jorität des Unterhauses gebunden, mit welcher 
das Ministerium steht und fällt. Zwar hat der 
König das Recht, ein Parlament mit einer ihm 
nicht genehmen Mehrheit aufzulösen und Neu- 
wahlen anzuordnen, aber bei dem zweifelhaften 
Erfolge einer derartigen Maßregel läßt sich darin 
eine wirkliche Verstärkung der königlichen Macht 
nicht erblicken. Man führt an, daß der König das 
Recht habe, von den Ministern Mitteilung der 
von ihnen beabsichtigten und vorgenommenen 
Maßregeln zu erhalten und denselben seinen Rat
	        
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