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tätigung staatlichen Lebens, welche in völliger
Loslösung von seiner Autorität oder gar im
Widerstreite mit derselben sich vollziehen könnte.
Er selbst aber kann diese Staatsgewalt nur aus-
üben innerhalb der vom Gesetze vorgeschriebenen
Weise, zum Teil nur durch Vermittlung bestimmter
Personen (der Minister) und unter Mitwirkung
der Volksvertretung. Diese Beschränkung der
königlichen Gewalt geht in vielen Fällen auf einen
gesetzgeberischen Akt eines bis dahin absoluten
Herrschers zurück, so daß die bestehende Verfassung
sich als eine von dem Monarchen freiwillig ge-
gebene darstellt; aber sie ist trotzdem auch für ihn
bindendes Recht, als das Gesetz des Staatsganzen
steht sie über ihm, und er kann sie ohne Rechts-
bruch nicht einseitig verändern. In der Beschwö-
rung der Verfassung durch den König beim Re-
gierungsantritt findet dieser Sachverhalt seinen
feierlichen Ausdruck.
Der Monarch ist unverantwortlich;
Handlungen seines privaten Lebens können nicht
strafrechtlich verfolgt werden, für die Regierungs-
handlungen tragen die Minister die Verantwor-
tung. Die Erstreitung vermögensrechtlicher For-
derungen ist ermöglicht durch die Unterscheidung
zwischen der Person des Königs und seiner Ver-
mögensverwaltung, Zivilliste us. Die Verant-
wortlichkeit der Minister ist die Einrichtung, durch
welche das moderne Staatsrecht das Problem ge-
löst hat, die Regierung des Monarchen an die
Gesetze zu binden, ohne seine höchste Autorität einer
andern Autorität zu unterwerfen. Regierungs-
handlungen haben rechtliche Gültigkeit nur bei
Gegenzeichnung eines Ministers, der aber damit
die Verantwortung für dieselben vor dem Lande
übernimmt. Trotzdem sind die Persönlichkeit und
der Wille des Monarchen nicht gleichgültig; der
Satz, daß der König nicht unrecht tun kann, be-
deutet nicht, daß er überhaupt nichts tue; seine
Erhabenheit soll nach J. F. Stahls Ausdruck
nicht die „des Knopfes am Kirchturm“ sein, „um
den kein Mensch sich kümmert“. Wenn durch die
konstitutionellen Einrichtungen ein schlechter Re-
gent verhindert werden soll, dem Staate zu scha-
den, so müssen sie doch einem guten Raum lassen,
seine Absichten und Fähigkeiten zugunsten des
Staates zu betätigen. Hegel meinte, der Monarch
habe nur ja zu sagen und den Punkt auf das i zu
setzen. Aber dies entsprach weder den zu seiner Zeit
in Preußen geltenden Einrichtungen, noch kann
man darin eine zutreffende Formulierung des
konstitutionell-monarchischen Staatsrechtserblicken.
Der Monarch hat nicht nur ja, sondern auch nein
zu sagen; nicht nur der Form nach, sondern auch
materiell liegt die oberste Entscheidung bei ihm.
Er ernennt die Minister nach eignem Ermessen
und freiem Willen. Wenn er dabei der öffentlichen
Meinung oder der in der Volksvertretung vor-
herrschenden Auffassung Rechnung trägt, so erfüllt
er möglicherweise ein Gebot der Klugheit, nicht
aber eine rechtliche Forderung.
Monarchie.
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In der Gesetzgebung ist er an die Mit-
wirkung der Volksvertretung gebunden; aber er
ist dabei selbst gesetzgeberischer Faktor, erst durch
seine positive Zustimmung gewinnt ein Gesetz
rechtliche Kraft. Nur mit seiner Autorisation
können die Minister Gesetzentwürfe in Vorlage
bringen. Auch wird der Regel nach die gesetz-
geberische Initiative bei der Regierung sein, wenn
auch die Volksvertretung von derselben nicht grund-
sätzlich auszuschließen ist. Der Monarch beruft
die Volksvertretung, eröffnet und schließt dieselbe;
er kann sie vor Ablauf der regelmäßigen Legis-
laturperiode auflösen und Neuwahlen anordnen.
Im Staatshaushalt ist er an die Kontrolle und
die Bewilligung der Volksvertretung gebunden.
Dagegen ist er im ausschließlichen Besitz der eigent-
lichen Regierungsgewalt; nur er hat das Recht,
im Rahmen der Gesetze und in Ausführung der-
selben Verordnungen für den ganzen Staat zu er-
lassen. Die Verfügungen der Minister und andern
Behörden gelten nur als Ausflüsse seiner obersten
Macht. Die Volksvertretung hat kein Recht der
Mitregierung, und sie kann bindende Anordnungen
nur im Bereiche ihres gesetzlich bestimmten Tätig-
keitskreises erlassen zur Leitung ihrer Geschäfte und
Aufrechterhaltung der Ordnung bei ihren Be-
ratungen. Alle einzelnen Staatsorgane sind dem
Monarchen untergeordnet, auch die Richter, ob-
gleich diesen ein von der Einwirkung des Staats-
oberhauptes unabhängiger Wirkungskreis ange-
wiesen ist; in seinem Namen und Auftrag erfolgt
die Rechtsprechung. Alle wichtigen Staatsstellen
werden von ihm besetzt. Ihm allein steht die Ent-
scheidung über Krieg und Frieden zu, ihm allein
die Vertretung des Staates nach außen.
Bei dieser Umschreibung des monarchischen
Rechts im konstitutionellen Staate ist nun aber ein
wichtiger Vorbehalt zu machen. Dasselbe gilt in
solchem Umfange in dem Lande nicht, welches
häufig als das eigentliche Urbild der konstitutio-
nellen Monarchie angesehen wird, in England.
Denn hier besteht zwar ein erbliches Königtum,
welches mit hohen Ehrenrechten umgeben, und wie
versichert wird, von der Verehrung und Liebe des
Landes getragen ist; aber von den zuvor aufge-
zählten rechtlichen Befugnissen kommen ihm gerade
die bedeutsamsten nicht zu. Die Ernennung der
Minister ist nicht in dem freien Ermessen der Krone
gelegen, sondern, was die politische Parteistellung
und die leitenden Persönlichkeiten betrifft, an die
Ma jorität des Unterhauses gebunden, mit welcher
das Ministerium steht und fällt. Zwar hat der
König das Recht, ein Parlament mit einer ihm
nicht genehmen Mehrheit aufzulösen und Neu-
wahlen anzuordnen, aber bei dem zweifelhaften
Erfolge einer derartigen Maßregel läßt sich darin
eine wirkliche Verstärkung der königlichen Macht
nicht erblicken. Man führt an, daß der König das
Recht habe, von den Ministern Mitteilung der
von ihnen beabsichtigten und vorgenommenen
Maßregeln zu erhalten und denselben seinen Rat