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des staatlichen Rechtslebens. Seine Hauptstärke
dürste Adam Müller wohl auf dem national-
ökonomischen Gebiete durch sein Ankämpfen gegen
den sog. wirtschaftlichen Liberalismus entfaltet
haben. Sowohl als rechtliches wie als ökonomisches
Gemeinwesen soll nach Müller endlich der Staat
auf religiöser, ja kirchlich-religiöser Basis ruhen,
und dennoch — „ruht er ganz in sich“, ist das
„ewig bewegte Reich aller Ideen“, ist „die Tota-
lität der menschlichen Angelegenheiten, ihre Ver-
bindung zu einem lebendigen Ganzen“, und ins-
besondere sind „Wissenschaft und Staat, was sie
sein sollen, wenn sie beide eins sind“ (Elemente
der Staatskunst I 62/66). Danach würde der
Staat alles Menschliche in sich begreifen; das
bürgerlich-soziale, wissenschaftliche, künstlerische,
sittlich-religiöse und namentlich auch das dem
übernatürlichen Heilszwecke zugewendete kirchlich-
religiöse Leben würde im staatlichen aufgehen.
Nun ist allerdings der Staat kein bloßer Rechts-
staat, sondern auch Kulturstaat, welcher die mate-
riellen und idealen Interessen der Menschheit und
die ihnen dienenden Ordnungen zu fördern hat;
daraus folgt aber keineswegs, daß er — alles in
allem sei.
Literatur. J. H. Fichte, Ethik (1856) §§ 184
bis 185; Bluntschli, Gesch. des allg. Staatsrechts
(1884) 502/506; Rosenthal, Konvertitenbilder aus
dem 19. Jahrh. I (1865) 48/71; Wurzbach, Bio-
graphisches Lexikon des Kaisertums Osterreich XIX
(1868) 322/328; Allg. deutsche Biographie XXII
(1885) 501/511 (von Mischler); A. Dombrowssky,
A. M., die historische Weltanschauung u. die poli-
tische Romantik, in Zeitschrift für die gesamte
Staatswissenschaft LXV (1909) 377/403 (Kapitel
einer angekündigten A. M.-Monographie); Ste-
phinger, Die Geldlehre A. M.3 (1909).
Al. v. Schmid, rev. Ettlinger.)
Münzverbrechen. IBegriff; Stellung im
System; Gegenstand; Geschichte; Arten, Strafen,
besondere Bestimmungen nach deutschem und öster-
reichischem Recht.)
I. Begriff. Münzverbrechen ist die Zuwider-
handlung gegen die auf das Münzwesen und den
Verkehr mit Geld und bestimmten andern Wert-
zeichen sich beziehenden Strafgesetze. Als Stich-
wort ist die Bezeichnung dem geltenden deutschen
Recht gegenüber wegen des zugleich mit den Münzen
auch den Geldpapieren gewährten Schutzes und der
Dreiteilung der strafbaren Handlungen in Ver-
brechen, Vergehen und Übertretungen zu eng.
Das Münzverbrechen richtet sich nach der
herrschenden (Merkel bei Holtzendorff S. 216;
Hälschner S. 571; Gubser S. 74; Berner
S. 419f; Birkmeyer S. 1186; Wachenfeld bei
Holtzendorff-Kohler S. 812; Meyer S. 602),
allerdings noch heiß umstrittenen Lehre gegen
die publica fides, Treu und Glauben im öffent-
lichen Verkehr. Der Staat will dem Verkehr die
grundsätzlich notwendige Nachprüfung jedes ein-
zelnen Geldstücks und Wertzeichens ersparen. Er
versieht es deshalb mit einem Prägezeichen oder
Münzverbrechen.
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Stempel und übernimmt so gewissermaßen die Ge-
währ für seine Echtheit, verleiht ihr Nachdruck und
Rückhalt durch wirksame Strafandrohungen und
erreicht dadurch, daß der Verkehr auf die Echtheit
der umlaufenden Zahlungsmittel vertraut. Dieses
allgemeine Vertrauen wird durch das Münzver-
brechen erschüttert; dagegen richtet sich also sein
Angriff. — Träger dieser publica fides ist nicht
der einzelne, der etwa durch das Münzverbrechen
geschädigt, auch nicht der Staat, dessen Münz-
hoheit dadurch verletzt wird, sondern die Gesell-
schaft als Ganzes. Abweichend reiht Binding
(S. 108 f) das Münzverbrechen unter die „Ver-
brechen wider die Beweismittel und Beglaubi-
gungszeichen“ ein, Loening (S. 134) und Ger-
land (S. 89) fassen es als „Verbrechen gegen
die Münzhoheit des Staates“ auf, und Liszt
(S. 514 f) will für seine Stellung im System
maßgebend sein lassen nicht, daß es die „Integrität
der Geldzeichen an sich“ verletzt, sondern in ihr
„andere Rechtsgüter bedroht: die Vermögensinter-
essen des einzelnen, das Interesse des Publikums
an der Sicherheit des rechtlichen Verkehrs und die
Münzhoheit des Staates“. Es ist ihm „Miß-
brauch der Geldzeichen“ und gehört deshalb zu
den „durch das Mittel des Angriffs gekennzeich-
neten Delikten“.
Gegenstand des Münzverbrechens ist das Geld,
d. h. im strafrechtlichen Sinne der vom Staate
als Tauschmittel anerkannte, ersichtlich beglau-
bigte Wertmesser, und zwar Metall= wie Papier-,
inländisches wie ausländisches Geld, soweit es
irgendwo Kurs hat, und gewisse geldvertretende
Wertpapiere (Geldpapiere) samt den zugehörigen
Zins-, Gewinnanteils= und Erneuerungsscheinen.
II. Geschichte. Die Einführung eines geord-
neten Münzwesens machte bei allen Völkern auch
Strafbestimmungen gegen das Münzverbrechen
erforderlich. So berichtet schon Diodor von Sizi-
lien in seiner historischen Bibliothek (Buch I,
Kap. 78) von Agypten: Den Falschmünzern
sollten, andern zur Warnung, beide Hände ab-
gehauen werden. Bei den Römern findet sich die
älteste Strafbestimmung in der lex Cornelia
(L. 8, 9, 19 de lege Corn. de falsis 48, 10);
sie behandelt die Verfälschung von Gold= und
Silbermünzen als besonderes Betrugsverbrechen.
Abweichend davon geht das Kaiserrecht (Cod. de
falsa moneta 9, 24 und vorher Cod. Theod.
9, 21) davon aus, daß nur der Kaiser Münzen
schlagen lassen dürfe; es erklärt die Münzfälschung
für einen Eingriff in dieses Hoheitsrecht und be-
straft sie als crimen laesae maiestatis. Alt-
deutsches Stammesrecht ahndete die Münzfälschung
mit Abhauen der Hand als des Symbols der
Treue und zugleich des Werkzeugs der Missetat.
Dem Sachsenspiegel (II, 26) dagegen ist sie ein
„Verbrechen an den Hals“, während der Schwa-
benspiegel (192, 363) die Todesstrafe nur be-
dingt und im übrigen den Verlust der Hand als
Strafe androht. Späteres Stadtrecht schließlich