Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Kirche die Hierarchie durch den Subdiakonat und 
die vier ordines minores (Akolythen, Exorzisten, 
Lektoren, Ostiarier) erweitert. Die Ordinations- 
gewalt steht nur den Bischöfen zu, welche allein 
das heilige Sakrament der Priesterweihe (und 
Firmung) spenden können; dagegen stehen den- 
selben in der Ausübung der Weihegewalt die 
Priester gleich. Die Regierungsgewalt ist nach 
göttlichem Recht in Primat und Episkopat ab- 
gestuft. Die zahlreichen Zwischenglieder (Legaten, 
Metropoliten, Patriarchen, Primaten usw.) sowie 
die Jurisdiktionsstellen unter dem Bischofe sind 
Bildungen des kirchlichen Rechts. So bilden der 
Jurisdiktionsprimat des römischen Bischofs, die 
Weihe= und Jurisdiktionsstellung des Episkopats 
und die Weihegewalt des Presbyterats die drei 
Grundpfeiler der kirchlichen Verfassung. 
Der Primat des Papstes beruht auf dem 
Primat des Petrus (Matth. 16, 18. Joh. 21, 15), 
dessen Nachfolger und Stellvertreter der Bischof 
von Rom ist. Der Primat des Petrus ist nach 
dem Wortlaut der Verheißung und Übertragung 
sowie nach der Stellung des Petrus in der 
apostolischen Kirche, die selbst im Galaterbrief an- 
erkannt ist, nicht bloß ein Ehrenprimat (primus 
inter pares), sondern ein Primat der Regierungs- 
gewalt. Derselbe ist aber für die ganze Kirche bis 
zur Wiederkunft Christi notwendig, er mußte als 
dauernde Einrichtung von Christus gewollt sein und 
deshalb auf den Nachfolger des Petrus übergehen. 
Da aber Petrus in Rom starb, so kann als solcher 
nur der Bischof von Rom gelten. Wer anders hätte 
denn der Erbe Petri sein sollen? Das Vatikanische 
Konzil (sess. IV) geht von der im hohenpriester- 
lichen Gebet (Joh. Kap. 17) erflehten Einheit aus, 
um daraus auf die Forldauer der Hirten und Lehrer 
in der Kirche mit dem Prinzip der Einheit im 
Nachfolger des Petrus zu schließen, wie es schon 
der hl. Cyprian ausgeführt hat. Deshalb handelt 
es zuerst von der Einsetzung des Primats in Petrus 
und verwirft die Behauptung, daß Petrus nicht 
mit dem wahren und eigentlichen Primat der 
Jurisdiktion ausgerüstet, oder daß dieser Primat 
ihm nicht unmittelbar und direkt, sondern der 
Kirche und von dieser ihm als dem Diener der 
Kirche übertragen worden sei. Der bloße Ehren- 
vorrang (Febronius) und Autoritätsprimat (Gal- 
likaner) wird ausdrücklich verworfen. Sodann 
bespricht das Vatikanum die Fortdauer des Pri- 
mats des Petrus im römischen Papst und beruft 
sich besonders auf die Stelle des hl. Irenäus: 
Ad Romanam Eeclesiam propter potentiorem 
principalitatem necesse fuit omnem con- 
venire Ecclesiam (Adv. haer. 3, 3, 2). End- 
lich wird das Wesen des Primats dahin bestimmt: 
Ecclesiam Romanam super omnes alias or- 
dinariae potestatis obtinere principatum, et 
hanc Romani Pontificis iurisdictionis po- 
testatem, qguae vere episcopalis est, immedia- 
tam esse, so daß alle Hirten und Gläubigen zur 
hierarchischen Unterordnung und zum wahren Ge- 
Kirche. 
  
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horsam nicht bloß in Sachen des Glaubens und 
der Sitten, sondern auch in der Disziplin und 
Regierung der Kirche verpflichtet sind. Zum Be- 
weise beruft sich die Synode auf die römischen 
Päpste und die allgemeinen Konzilien, namentlich 
auf das Konzil von Florenz (1439), welches den 
Primat des römischen Papstes über den ganzen 
Erdkreis definiert habe. Es ist besonders an die 
Dekrete des Papstes Stephanus I. und Gelasius 
(494) und an die berühmte Formel des Hormisdas 
(514/523), welche von den Bischöfen der orien- 
talischen Kirche (519) und dem 8. allgemeinen 
Konzil (869) unterzeichnet wurde, zu erinnern. 
Später traten Nikolaus I., Leo IX., Gregor VII. 
und die großen Päpste des Mittelalters für den 
Primat ein. Die Griechen anerkannten denselben 
auf dem allgemeinen Konzil von Lyon (1274), 
während die bezüglichen Irrtümer von Wiclif und 
Hus auf dem Konzil zu Konstanz, jene des Petrus 
Oxomensis durch Sixtus IV. (1479) verworfen 
wurden. Die gallikanischen und jansenistischen 
Streitigkeiten haben wenigstens dazu beigetragen, 
die Bedeutung des Primats und namentlich der 
Unfehlbarkeit des Papstes zu klären und zum all- 
gemeinen Bewußtsein zu bringen. Über das unfehl- 
bare Lehramt des römischen Papstes definiert das 
Vatikanum, daß wenn er ex cathedra loquitur, 
i. e. eum omnium Christianorum Pastoris et 
Doctoris munere fungens pro suprema sua 
Apostolica auctoritate doctrinam de fide vel 
moribus ab universa Eeclesia tenendam de- 
finit, per assistentiam divinam ea infalli- 
bilitate pollere, qua divinus Redemptor 
Ecclesiam suam in definienda doctrina de 
fide vel moribus instructam esse voluit; 
ideoque eiusmodi Romani Pontificis defini- 
tiones ex sese, non autem ex consensu Ec- 
clesiae irreformabiles esse (sess. IV, c. 4). 
Als Beweis wurden außer den biblischen Stellen 
über den Primat Luk. 22, 32, die Formel des 
Hormisdas und die Bestimmungen der Konzilien 
von Lyon (1274) und Florenz (1439) angeführt. 
Das Vatikanum bemerkt ausdrücklich, daf diese 
Vollgewalt des Papstes der ordentlichen und un- 
mittelbaren bischöflichen Gewalt keinen Ein- 
trag tue, vielmehr seien die Bischöfe vom Heiligen 
Geist als die rechtmäßigen Nachfolger der Apostel 
eingesetzt (sess. IV. c. 3). Dies bezieht sich auf 
Apg. 20, 28, wo die Presbyter von Ephesus als 
Bischöfe angeredet werden und ihr Hirtenamt ge- 
nannt wird, das einerseits an den guten Hirten, 
den Hirten und Bischof der Seelen (1 Petr. 2, 25), 
den Oberhirten (1 Petr. 5, 4), anderseits an die 
Vorsteher der Gemeinden (1 Thesf. 5, 12) er- 
innert. Außerdem kommt die Bezeichnung Bischof 
Phil. 1, 1 und in den Pastoralbriefen vor. Eine 
feste Gestaltung und Absonderung von dem Pres- 
byterat erhielt der Episkopat erst im nachaposto- 
lischen Zeitalter (Klemens von Rom, Ignatius), 
während das Fortdauern der Charismen für 
Apostel, Propheten, Lehrer sich noch in der „Lehre
	        
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