Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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entrichtet haben; vom 1. Aug. bis 31. Jan. in 
derselben Gemeinde Wohnsitz (bei einmal gestat- 
tetem Wechsel) gehabt und einen in den einzelnen 
Gemeinden verschiedenen Minimalsatz an Miete 
bezahlt haben; oder ein Boot von mindestens 
24 chm Inhalt kraft Eigentums, Nutzbrauches 
oder Miete besitzen; oder vom 31. Jan. rückwärts 
13 Monate in derselben Stellung sich befunden 
und ein örtlich verschiedenes Minimaleinkommen 
oder (seit 1. Febr.) eine diesem Minimaleinkommen 
entsprechende Pension bezogen haben; oder seit 
einem Jahre für 100 Gulden Staatsgläubiger 
sind oder ein Postsparkassenguthaben von 50 Gul- 
den besitzen; oder die zur Bekleidung eines Amtes 
oder Ausübung eines Berufes gesetzlich vorgeschrie- 
bene Prüfung bestanden haben. Ausgeschlossen 
vom aktiven Wahlrechte sind Personen in Haft 
oder Gefangenschaft, solche, die durch gerichtliches 
Urteil die Verfügung über ihr Vermögen verloren 
haben, die ein Jahr vor Aufstellung der Wähler- 
liste öffentliche Armenunterstützung genossen oder, 
soweit Steuerzensus vorgeschrieben ist, die Steuer 
nicht bezahlt haben, sowie Personen, denen das 
Wahlrecht durch Urteil aberkannt wurde. Suspen- 
diert vom Wahlrecht sind Personen des Soldaten- 
standes unter dem Grade eines Sergeanten mit 
Ausnahme derjenigen Freiwilligen, die auf Grund 
einer Zahlung von Miete oder Staatssteuern 
wahlberechtigt sind. Wählbar sind alle Nieder- 
länder, die das 30. Jahr vollendet und nicht durch 
Urteil die Verfügung über ihr Vermögen verloren 
haben. Mitglieder der Zweiten Kammer können 
nicht zugleich Mitglieder des Staatsrates, des 
höchsten Gerichtshofes, der Oberrechnungskammer 
noch Regierungskommissar in einer Provinz sein. 
Die Erste Kammer setzt sich aus 50 Mitgliedern 
zusammen, die durch die Provinziallandtage auf 
9 Jahre gewählt und alle 3 Jahre zu einem Drittel 
erneuert werden. Wählbar sind diejenigen Per- 
sonen, welche die für die Mitgliedschaft der Zweiten 
Kammer vorgeschriebenen Erfordernisse besitzen und 
die höchsten direkten Staatssteuern entrichten; 
außer den Höchstbesteuerten auch die Personen, die 
eines der (gesetzlich ausdrücklich bezeichneten) höhe- 
ren Staatsämter bekleiden oder bekleidet haben, 
Bürgermeister der Orte mit mehr als 40 000 Ein- 
wohnern, Kuratoren der Universitäten (auch der 
freien) und Universitätsprofessoren, die es schon 
10 Jahre lang sind. Die Liste der Höchstbesteuerten 
wird für jede Provinz derart bestimmt, daß auf 
1500 Einwohner ein passiv Wahlberechtigter ent- 
fällt. — Aktive Militärpersonen treten für die 
Dauer ihrer Wirksamkeit in einer der beiden Kam- 
mern in Nichtaktivität. Wenn der Landtag in 
doppelter Zahl zu berufen ist, so wird den ordent- 
lichen Mitgliedern jeder Kammer eine gleiche An- 
zahl außerordentlicher beigefügt, die in der gleichen 
Weise zu wählen sind. 
Die Generalstaaten treten jährlich am dritten 
Dienstag im September zur ordentlichen Tagung 
zusammen; außerordentliche Tagungen kann der 
Niederlande. 
  
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König berufen, wenn er sie für nötig hält. Beim 
Tode oder Thronverzicht des Souveräns versam- 
melt sich das Parlament ohne vorherige Berufung, 
wenn es geschlossen ist. Die Sitzungen sind öffent- 
lich; wenn ½0 der Mitglieder es verlangt oder 
der Präsident es für nötig hält, finden sie bei ge- 
schlossenen Türen statt. Bei einer Plenarsitzung 
führt die Leitung der Präsident der Ersten Kam- 
mer. Die Minister haben Zutritt zu beiden Kam- 
mern, aber Stimme nur dann, wenn sie zugleich 
Mitglied in einer sind; die parlamentarische In- 
demnität gilt nicht für Ministerabgeordnete. — 
Alle Mitglieder beziehen Diäten: die der Ersten 
Kammer 10 Gulden täglich und Reiseentschädi- 
gung, die der Zweiten Reisegelder und 2000 Gul- 
den jährlich. Der Präsident der Ersten Kammer, die 
keinen Vizepräsidenten hat, wird vom Staatshaupt 
ernannt; der der Zweiten ebenfalls aus 3 von der 
Kammer vorgeschlagenen Kandidaten, während der 
Vizepräsident von der Kammer gewählt wird. 
Die Generalstaaten teilen mit dem König die 
gesetzgebende Gewalt. Die Gesetzentwürfe gehen 
vom König zunächst an die Zweite Kammer, die 
zur Anderung berechtigt ist. Die Erste Kammer 
darf den ihr von der Zweiten mitgeteilten Gesetz- 
entwurf nur annehmen oder verwerfen, aber nicht 
umgestalten; sie hat auch nicht, im Gegensatz zur 
Zweiten Kammer das Recht der Initiative, so daß 
ihre Tätigkeit fast rein registrierend ist. Doch hat 
sie das Recht der Ministerinterpellation, und ein 
Mißtrauensvotum ihrerseits kann das Ministerium 
stürzen. Das Budget muß den Kammern jährlich 
vorgelegt und von diesen angenommen werden. 
Beabsichtigt man Verfassungsänderungen, so muß 
zunächst ein Gesetz erklären, daß Grund dazu vor- 
handen ist. Dann werden die Generalstaaten auf- 
gelöst, und die neuen Kammern müssen der Ande- 
rung mit Zweidrittelmajorität zustimmen, ehe sie 
in die Verfassung übergehen darf. 
Jede der 11 Provinzen (Drenthe, Friesland, 
Gelderland, Groningen, Limburg, Nordbrabant, 
Nordholland, Overyssel, Seeland, Südholland, 
Utrecht) wird durch Provinzialstände (Provin-- 
ciale Staten) vertreten, deren Mitglieder (35/80) 
auf 6 Jahre (alle 8 Jahre hälftige Erneue- 
rung) und ebenso wie die der Zweiten Kammer 
gewählt werden. Ihnen obliegt die Sorge für alle 
Angelegenheiten bezüglich Organisation und Ver- 
waltung der Provinz; ihre Verordnungen müssen 
vom König gebilligt sein, ebenso die Beschlüsse 
wegen Einführung, Abschaffung oder Anderung 
der Provinzialsteuern. Sie versammeln sich jähr- 
lich zweimal unter dem Vorsitz des königlichen 
Kommissars und wählen aus ihrer Mitte einen 
engeren Vollziehungsausschuß (Collegie van ge- 
deputeerde Staten; in der Regel 6, in der Pro- 
vinz Drenthe 4 Mitglieder), welchem die fort- 
dauernde Leitung und Ausführung der Provinzial- 
angelegenheiten übertragen ist. Niemand kann zu- 
gleich Mitglied der Ersten Kammer und der Pro- 
vinzialstaaten noch Mitglied von mehreren Pro-
	        
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