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im Haag und 1 Ackerbaukolonie für verwahrloste
Knaben zu Rysselt bei Zutphen. — Für den
höheren Unterricht (Gesetz von 1876) bestehen
29 Gymnasien (unter einem Inspektor), die
3 Reichsuniversitäten in Leiden (gegründet 1575),
Groningen (1614) und Utrecht 1634) und die
1877 aus dem Athenäum entstandene konfessionelle
Gemeinde-Universität zu Amsterdam und die kal-
vinische Hochschule zu Amsterdam. Eine katho-
lische Hochschule ist in Vorbereitung. Die Pre-
diger der Reformierten erhalten ihre Ausbildung
auf den Universitäten, die der übrigen Bekennt-
nisse in Seminarien, die der Staatsaufssicht nicht
unterworfen sind. Es bestehen Priester= und
Knabenseminarien der Katholiken in jedem Bis-
tum, das Seminar der Mennoniten, das der Luthe-
raner in Amsterdam und das der „Altrömischen“
in Amersfoort.
VI. Wirtschaft. Die Landwirtschaft,
welche über ½ Mill. Menschen beschäftigt, wird
mit Fleiß und Sorgfalt betrieben und hat seit den
Ablösungen von Rentenlasten (1872 des Zehnten)
und der Teilung der Gemeindegenossenschaften
einen hohen Ausschwung genommen. Die pro-
duktive Bodenfläche betrug 1908: 2401 194 ha
(72,5% des Gesamtareals); davon entfielen auf
Ackerland 862740, Wiesen und Weiden 1204433,
Gemüsegärten 47 094, Obst= und Blumengärten
27 481, Waldungen 259 446 ha. Der Getreide-
bau deckt den Bedarf nicht. Die Ernte lieferte
1908: 1,8 Mill. hl Weizen, 5.6 Mill. hl Roggen,
1,39 Mill. hl Gerste, 6,94 Mill. hl Hafer, 34,1
Mill. hl Kartoffeln, 1,56 Mill. t Zuckerrüben,
656 000 hl Bohnen, 738 000 hl Erbsen usw.
In höchster Blüte steht die Gartenbaukunst: die
Handelsgärtnerei namentlich in Nord= und Süd-
holland, die Kultur von feinen Obstsorten in
Gelderland und Utrecht, von Beeren in Südhol-
land usw. Die geringe Waldfläche vermag nur
einen Teil des Holzbedarfs zu decken. — Bezüg-
lich der Grundbesitzverteilung überwiegt der mitt-
lere und Kleinbesitz; nach einer Statistik von
1904 gab es 92 693 landwirtschaftliche Betriebe
mit weniger als 5 ha, 34 798 mit 5/10, 29 797
mit 10/20, 220005 mit 20/50, 3089 mit 50/100,
185 mit mehr als 100 ha. 54,4% waren von
den Eigentümern, 45,6 % von Pächtern bewirt-
schaftet. — Die Viehzucht ist eine der wichtigsten
Quellen des Nationalreichtums; Butter und Käse
(Alkmaar, Edam) sind neben Tieren ein wichtiger
Ausfuhrartikel. 1904 zählte man 295 800 Pferde,
1 690 500 Stück Rindvieh, 607000 Schafe,
165.500 Ziegen, 862800 Schweine. Die See-
fischerei, ebenfalls ein Haupterwerbszweig, beschäf-
tigte 1908: 5356 Schiffe mit 289 321 Register-
tonnen und 20 502 Mann Besatzung; der Wert
der Heringsfischerei in der Nordsee betrug 10,4
Mill. Gulden. Unter den mineralischen Produkten
ist nur der Torf von größerer Bedeutung (an
2 Mill. Gulden jährlich); in der Provinz Lim-
burg gibt es kleinere Kohlenlager, die meist dem
Niederlande.
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Staate gehören (Ausbeute 1908: 908200 t im
Wert von 6,1 Mill. Gulden). — Die Industrie,
welche auf dem Grundsatze vollständiger Gewerbe-
freiheit beruht, hat seit der Trennung von Belgien
wieder einen nicht unbedeutenden Aufschwung ge-
nommen und wird durch 69 Handels= und Fabrik-
kammern und zahlreiche Vereinigungen Gewerbe-
treibender („Niederländische Gesellschaft zur Be-
förderung der Industrie“" u. a.)wesentlich gefördert.
Im Schiffs= und Mühlenbau sowie in der Her-
stellung hydraulischer Bauten und Maschinen
leisten die Niederländer Hervorragendes; von den
600 bis 700 Schiffswerften beschäftigen sich an
150 mit dem Bau von Seeschiffen. Für die Aus-
fuhr arbeiten außerdem: die Fabrikation in Ton-
waren, Gold und Silber, die Diamantenschleiferei
(in Amsterdam), die Fabrikation von Zucker
(1907: 28 Fabriken und 11 Raffinerien), von
Baumwoll= und Wollwaren, die Tabakverarbei-
tung, die Erzeugung von Bier (453 Brauereien),
Branntwein (Genever, 551 Brennereien), Salz
(37 Werke), Teppichen, Segeltuch, Schuhwaren,
Papier und Kerzen; der Orgelbau, die Glocken-
gießerei und die Fabrikation von Glockenspiel-
werken sind hier heimisch. — Der Handel, und
zwar der internationale Zwischenhandel, ist von
jeher die Seele der niederländischen Kultur und
Macht gewesen. Obgleich seit dem 18. Jahrh. von
England überflügelt (1650 verhielt sich der nieder-
ländische Handel zum englischen wie 5: 1, 1750
wie 6: 7, 1880 wie 2: 11), gehören die Nieder-
lande im Verhältnis zu ihrer Größe immer noch
zu den wichtigsten, reichsten Handelsstaaten der
Welt. Die Handelspolitik ist seit 1850 liberal;
das Gesetz vom 1. Nov. 1862 setzte die Eingangs-
zölle mit wenigen Ausnahmen auf 5% fest und
schaffte die Ausgangszölle (außer auf Lumpen)
ganz ab. Der Gesamtwert des Handelsverkehrs be-
trug 1908: 2823,7 Mill. Gulden in der Ein= und
2181 Mill. Gulden in der Ausfuhr. Davon ent-
fielen auf Genuß= und Nahrungsmittel 657,3 (Aus-
fuhr 649,8), Rohstoffe 1097,8 (784,2), Fabrikate
514, 3 (424, 1), verschiedene Waren 539,4 (312,9),
Edelmetalle 14,9 (10) Mill. Gulden. Hauptaus-
fuhrartikel sind (1907): Getreide und Mehl
(297.8 Mill. Gulden), Eisen und Stahl (189,2),
Kupfer (129,8), Textilwaren (117,1), Holz
(64,8), Papier (62,6), Zucker (53,4), Margarine
(45,6), Reis (39,6), Kaffee (35,3), Flachs (32,1),
Häute (31,8), Kohlen (30,9), Butter (29,4),
Farbwaren (23,5), Olsaaten (19,1), Käse (18),
Zinn (17,6), Zink (17,2), Tabak (10,1) usw.;
der Einfuhr: Getreide und Mehl (495,0), Eisen
und Stahl (294,4), Kupfer (149,9), Textilwaren
(161,1), Kohlen (91,5), Holz (84,1), Reis (75),
Kaffee (51,9), Olsaaten (40,1), Häute (34,9),
Zucker (34,6), Gold und Silber (33,3) usw.
Hauptverkehrsländer: Großbritannien 294,4
(476,3 Ausfuhr), Deutschland 694.6 (1028,1),
Belgien 270,8 (280,5), Rußland 280,1 (13,1),
Holländisch-Ostindien 405,3 (89,1), Vereinigte