Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1357 
angefallenen letztwilligen Zuwendungen könig- 
licher Genehmigung (Art. 170 Einf.Ges. z. B. G. B.; 
Ges. v. 23. Febr. 1870); unterliegen ferner ent- 
sprechend Art. 86 Einf. Ges. z. B.G.B. in Preußen 
die Schenkungen und Zuwendungen von Todes 
wegen an in= oder ausländische rechtsfähige Or- 
densniederlassungen, sofern sie 5000 M überstei- 
gen, der Genehmigung des Königs oder der durch 
königliche Verordnung bestimmten Behörde (Art. 6 
Ausf.Ges. z. B.G.B.; Ministerialerlaß v. 10. Nov. 
bzw. 22. Dez. 1904); ist schließlich zum Erwerbe 
von Grundstücken und grundstückgleichen Rechten 
im Werte von mehr als 5000 M durch rechtsfähige 
Ordensniederlassungen mit dem Sitz in Preußen 
die Genehmigung der Aufsichtsbehörde und mit dem 
Sitz in einem der übrigen Bundesstaaten oder im 
Auslande die Genehmigung des Landesherrn oder 
der durch landesherrliche Verordnung bestimmten 
Behörde erforderlich (Art. 7 Ausf. Ges. z. B.G.B.; 
Art. 88 Einf.Ges. z. B. G. B.). 
In gleicher Weise ist in Preußen die Wirksam- 
keit von Verfügungen der Ordensniederlassungen 
über Grundstücke, Kostbarkeiten und Rechte durch 
Veräußerung, Verpfändung oder Tausch an das 
Erfordernis der staatlichen Genehmigung geknüpft 
(ogl. Allgem. Landrecht TI II, Tit. 11, 8§ 219f, 
949 f; Ministerialverf. vom 13. Mai 1875). 
Wie in Preußen, so bestehen auch in den übrigen 
deutschen Bundesstaaten gesetzliche Vorschriften 
über die Zulassung religiöser Genossenschaften der 
katholischen Kirche und die Errichtung von Nieder- 
lassungen. Hiernach sind regelmäßig nur bestimmte 
Ordensverbände zugelassen und hängt die Grün- 
dung von Niederlassungen in jedem einzelnen Falle 
von besonderer behördlicher Erlaubnis ab. Vgl. 
d. Art. Orden und Kongregationen. 
8) In den deutschen Schutzgebieten. 
Alle diese Niederlassungsbeschränkungen für katho- 
lische Ordensverbände innerhalb des deutschen 
Bundes= bzw. Reichsgebietes gelten nicht für die 
deutschen Schutzgebiete, weil sie mit dem Mutter- 
lande kein einheitliches Rechtsgebiet bilden. Vgl. d. 
Art. Kolonien (Bd III, Sp. 334 f). In denjenigen 
Teilen von Deutsch-Ostafrika und von Kamerun, 
welche zum sog. Kongobecken gehören, ist die Aus- 
übung eines jeden Kultus durch die Generalakte 
der Berliner Konferenz vom 26. Febr. 1885, die 
sog. Kongoakte (vogl. d. Art. Kongostaat Bd III, 
Sp. 395), gesichert. Art. 6 derselben lautet: 
„Alle Mächte, welche in den gedachten Gebieten 
Souveränitätsrechte oder einen Einfluß ausüben.. 
werden ohne Unterschied der Nationalität oder des 
Kultus alle religiösen, wissenschaftlichen und wohl- 
tätigen Einrichtungen und Unternehmungen schützen 
und begünstigen, welche . dahin zielen, die Ein- 
gebgrnen zu unterrichten und ihnen die Vorteile 
der Zivilisation verständlich und wert zu machen. 
Christliche Missionäre, Gelehrte, Forscher sowie ihr 
Gefolge, ihre Habe und ihre Sammlungen bilden 
gleichfalls den Gegenstand eines besondern Schutzes. 
Gewissensfreiheit und religiöse Duldung werden 
sowohl den Eingebornen wie den Landesangehöri- 
gen und Fremden ausdrücklich gewährleistet. Die 
freie und öffentliche Ausübung aller Kulte, das 
Niederlassung. 
  
1358 
Recht der Erbauung gottesdienstlicher Gebäude und 
der Errichtung von Missionen, welcher Art Kultus 
dieselben angehören mögen, soll keinerlei Beschrän- 
kungen noch Hinderung unterliegen.“ 
Für sämtliche deutschen Schutzgebiete ist die 
gleiche Freiheit aller Ordensniederlassungen der 
katholischen Kirche im Reichsgesetz vom 17. April 
1886 betr. die Rechtsverhältnisse der deutschen 
Schutzgebiete begründet, welches nach mehrfachen 
Anderungen als Schutzgebietsgesetz am 10. Sept. 
1900 neu verkündet wurde. Es bestinimt in 8 14: 
„Den Angehörigen der im Deutschen Reiche an- 
erkannten Religionsgemeinschaften werden in den 
Schutzgebieten Gewissensfreiheit und religiöse Dul- 
dung gewährleistet. Die freie und öffentliche Aus- 
übung dieser Kulte, das Recht der Erbauung gottes- 
dienstlicher Gebäude und der Einrichtung von 
Missionen der bezeichneten Religionsgemeinschaften 
unterliegen keinerlei gesetzlicher Beschränkung noch 
Hinderung."“ 
Tatsächlich haben heute in den deutschen Schutz- 
gebieten die verschiedenen geistlichen Gesellschaften 
der katholischen Kirche ausnahmslos ihre Mis- 
sionsniederlassungen und können ihre Tätigkeit 
wirksam entfalten. Trotzdem ist nach wie vor den 
im Mutterlande verbotenen religiösen Genossen- 
schaften, dem Orden der Gesellschaft Jesu, der 
Kongregation der Lazaristen und der Gesellschaft 
vom heiligsten Herzen Jesu, nicht gestattet, im 
Mutterlande Missionäre für ihre Missionen in den 
deutschen Schutzgebieten auszubilden. Die Unzu- 
träglichkeit und der innere Widerspruch in diesem 
Zustande wurde seitens der Reichsregierung wieder- 
holt zugegeben, eine Besserung ist jedoch seither 
nicht eingetreten. 
3. Deutschen Reichsangehörigen ist im In- 
lande die Gründung des Wohnsitzes, der Aufent- 
halt sowie als Vorbedingung für den Betrieb 
eines Gewerbes, welchen § 1 der Reichsgewerbe- 
ordnung allgemein freigibt, die Errichtung einer 
geschäftlichen Niederlassung unbeschränkt gestattet. 
Dagegen haben Ausländer kein festes Recht auf 
Niederlassung innerhalb des Deutschen Reiches. 
Jederzeit ohne Angabe von Gründen kann ihnen 
der Aufenthalt im Inlande versagt und ihre ge- 
schäftliche Niederlassung aufgelöst werden. Ebenso 
sind die deutschen Reichsangehörigen nicht berech- 
tigt, in den übrigen Kulturstaaten sich niederzu- 
lassen. Beides gilt aber nur, soweit nicht völker- 
rechtliche Verträge — sog. Niederlassungs-, 
Freundschafts-, Konsular-, Handels-oder 
Schiffahrtsverträge — einderartiges Recht 
ausdrücklich gewährleisten. Schon vor der Grün- 
dung des Deutschen Reiches hatten Baden (d. d. 
Bern, 31. Weinmonat 1863) und Württemberg 
(d. d. Bern, 18. März 1869) mit der schwei- 
zerischen Eidgenossenschaft Niederlas- 
sungsverträge abgeschlossen. Die übrigen in der 
Schweiz sich aufhaltenden Deutschen unterlagen 
dagegen mannigfaltigen Niederlassungs= und Ge- 
werbeausübungsbeschränkungen, namentlich der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.