Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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ist das Land in 20 Amter geteilt; die beiden 
Städte Kristiania und Bergen bilden besondere 
Amter, die übrigen umfassen städtische und länd- 
liche Distrikte. Die Zentralgewalt wird in jedem 
Amt durch einen vom König ernannten Amt- 
mann vertreten, der in Kristiania, Bergen 
und den Bischofsstädten Hamar, Kristiansand, 
Trondhjem und Tromsö Stiftsamtmann genannt 
wird. Neben seiner politischen und Verwal- 
tungstätigkeit teilt er sich mit dem Bischof in 
die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten. Die 
Amter zerfallen in 63 Unterobrigkeitsdistrikte: 41 
städtische (Kiepstaeder) und 22 ländliche oder 
Vogteien, die auch die 22 Ladesteder (d. h. die 
Städte, die keinen eignen Bezirk bilden) um- 
schließen; die Gemeinden zerfallen in 61 städtische 
und 583 ländliche. Daneben bestehen eigne Eintei- 
lungen für gerichtliche und lirchliche Zwecke, Steuer- 
erhebung und Polizei, Schulen, Armenpflege, 
Aushebung usw. — Die Gemeindeverwal- 
tung ist in den Städten und Landgemeinden 
verschieden. In den Städten gibt es neben dem 
von der Regierung ernannten Magistrat, der die 
Beschlüsse zur Ausführung bringt und die Polizei- 
gewalt ausübt, 2 von den gleichen Wählern (alle 
25 Jahre alten, seit 2 Jahren in der Gemeinde 
ansässigen Bürger, auch Frauen, die weder Dienst- 
boten noch Lohndiener sind und staatliche oder ge- 
meindliche Einkommens= oder Vermögenssteuer 
zahlen) auf 4 Jahre gewählte und alle 2 Jahre 
zur Hälfte erneuerte Vertretungen: die Vormann- 
schaft oder Gemeinderat (Formandskab; 4/12, 
in Kristiania 15 Mitglieder), welche die minder 
wichtigen Angelegenheiten allein erledigt, und die 
Gemeindevertretung (Repraesentantskab), die 
aus der dreifachen Zahl der Gemeinderatsmit- 
glieder besteht und nur im Verein mit dem Ge- 
meinderat in einer öffentlichen Vollversammlung 
beschließt. Die Leitung der Kommunalgeschäfte ge- 
schieht durch den Sprecher (Ordförer), der von 
beiden Vertretungskörpern gemeinsam jedes Jahr 
gewählt wird. Der Amtmann hat hinsichtlich der 
Beschlüsse ein suspensives Velo; wichtige finanzielle 
Beschlüsse bedürfen der Zustimmung der Regie- 
rung. In den Landgemeinden fehlt der Magistrat, 
die Ausführung der Beschlüsse erfolgt durch den 
Gemeinderat (3/9 Mitglieder; Gemeindevertreter 
in der dreifachen Anzahl); auch unterstehen die 
Landgemeinden weit mehr der Zentralgewalt 
(Amtmann), deren Zustimmung zu fast allen Be- 
schlüssen notwendig ist. — Die Vereinigung der 
Landgemeinden eines Amts bilden die „Amts- 
gemeinde“ oder Amtskammer, deren Angelegen- 
heiten vom Amtmann geleitet werden. Diesem zur 
Seite stehen das Amtsthing oder die Amtsvor- 
mannschaft, die aus den Sprechern der sämtlichen 
Landbezirke besteht und sich jährlich im Juni oder 
Juli zur Beratung des Budgets und der An- 
gelegenheiten der Amtsgemeinden versammelt, sowie 
der Amtsausschuß, der aus 4 Mitgliedern besteht 
(neben dem Amtmann als Vorsitzenden), die vom 
Norwegen. 
  
1370 
Amtsthing gewählt werden. Die Rechtspflege 
wird in Zivilsachen (bei Sachen im Wert bis 
500 K)y in unterster Instanz durch Vermittlungs- 
oder Friedensgerichte (Forligelses commission) 
ausgeübt (2 Mitgliedern auf 3 Jahre von den 
gemeindewahlberechtigten Bürgern gewählt). Die 
Berufung geht an die Gerichte erster Instanz 
(25 in den Städten, 80 auf dem Lande), die aus 
einem Richter (in den Städten Byfoged, auf dem 
Lande Sorenskriver genannt) und 2/4 Schöffen 
(Lagrettesmaend) bestehen. In Kristiania und 
Bergen bestehen diese Gerichte erster Instanz (hier 
Byret genannt) aus einem Vorsitzenden (Justi= 
tiarius) und Beisitzenden (Assessorer); die Be- 
rufung von ihnen geht direkt an das höchste Ge- 
richt. Von diesen Untergerichten appelliert man 
in zweiter Instanz an die aus 3 Richtern zusam- 
mengesetzten 5 Stiftsobergerichte, von diesen an 
den höchsten Gerichtshof in Kristiania, der aus 
einem Präsidenten (Justitiarius) und 10 Räten 
(Tilforordnede) besteht; zur Urteilsfällung ist 
die Anwesenheit von 7 Mitgliedern erfordert. 
In Kriminalsachen werden kleinere Delikte von den 
Strafgerichten abgeurteilt (Meddomsretten; 
1 Richter erster Instanz und 2 Schöffen), von 
denen Berufung an die Stiftsobergerichte und den 
höchsten Gerichtshof geht, schwerere Delikte von 
den Schwurgerichten, die aus dem Vorsitzenden 
(Lagmand; 4 im Reich), 2 beisitzenden Richtern 
und 10 Geschworenen bestehen (16 Lagsogn oder 
Schwurgerichtsbezirke). Die Todesstrafe wird seit 
1876 nicht mehr vollzogen. Die Richter werden, 
mit Ausnahme der Friedensrichter, vom König 
ernannt; sie können nur auf Grund gerichtlicher 
Verurteilung ihres Amtes entsetzt werden. Neun 
Mitglieder des höchsten Gerichtshofs bilden zu- 
sammen mit dem Lagthing das Reichsgericht, das 
in erster und letzter Instanz in denjenigen Sachen 
urteilt, die vom Odelsthing anhängig gemacht 
werden entweder gegen Mitglieder des Staatsrats 
oder des höchsten Gerichts oder gegen Storthing- 
mitglieder wegen Verbrechen, deren sie sich als solche 
schuldig gemacht haben. Diese Institution ist ein 
großes Machtmittelin der Hand des Storthingsz be- 
reits sechsmal seit 1814 sind Mitglieder des Staats- 
rats durch das Reichsgericht verurteilt worden. 
Kirchliche Verhältnisse. Die lutherisch- 
evangelische Konfession ist seit 1537 Staatsreli- 
gion; nur sie wird vom Staat beschützt und unter- 
stützt. Alle Einwohner, die sich zu ihr bekennen, 
sind verpflichtet, ihre Kinder in ihr zu erziehen. 
Die Staatskirche ist durchaus von der Regierung 
abhängig und ohne Selbstverwaltung. In kirch- 
licher Beziehung sind die Rechte des Monarchen 
um so ausgedehnter, je beschränkter sie in politi- 
scher Beziehung sind. Der König ordnet den 
öffentlichen Gottesdienst an, beruft religiöse Ver- 
sammlungen, ernennt und verabschiedet die geist- 
lichen Beamten, während die Organisation der 
kirchlichen Amter den Storthingbeschlüssen unter- 
liegt. Dem Departement der Regierung für Kirche
	        
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