1383
Jahres noch länger in Kraft bleiben soll. Die
Notverordnung tritt hier also, wo die Genehmi-
gung nicht nachgesucht oder verweigert wird, mit
Ablauf eines Jahres nach Erlaß der Verordnung
von selbst außer Geltung.
In den beiden Mecklenburg ist auf den Ge-
bieten, die nicht ausdrücklich ständische Rechte be-
rühren, der Landesherr unbeschränkt. In Fällen
dringender Not kann die Regierung auch Gesetze
erlassen, die ständische Rechte berühren, aber nur
mit Zustimmung des sog. Engeren Ausschusses der
Ritter= und Landschaft.
In Sachsen-Weimar-Eisenach besitzt
der Großherzog für die Zeit, wo der Landtag nicht
versammelt ist, in dringenden Fällen das Notver-
ordnungsrecht, das sich auf alle Gebiete der Gesetz-
gebung erstreckt mit Ausnahme der Verfassung
und des Wahlgesetzes. Die provisorischen Gesetze
müssen dem nächsten Landtag vorgelegt werden
und verlieren, wenn der Landtag seine Zustimmung
verweigert, mit dem Schluß der Sitzungsperiode
von selbst und ohne weiteres ihre Rechtskraft.
Einer ausdrücklichen Aufhebung bedoarf es also hier
nicht. Dasselbe gilt in den Herzogtümern Sach-
sen-Coburg und Gotha und im Fürstentum
Schwarzburg-Sondershausen.
Im Herzogtum Sachsen-Altenburg be-
sitzt der Landesherr die unbeschränkte Berechtigung
zum Erlaß von Verordnungen zur Sicherheit des
Staats unter Verantwortlichkeit des Gesamtmini-
steriums.
Die Verfassungsurkunde des Herzogtums
Braunschweig, die sog. „Neue Landschaftsord-
nung“, überträgt das Recht der Zustimmung zu
denjenigen, das Landes-, Finanz= und Steuerwesen
betreffenden Gesetzen, die gewöhnlich der Zustim-
mung der Landesversammlung bedürfen, dem land-
ständischen Ausschüß für solche Fälle, wo „das
Staatswohl dringende Eile gebietet oder der vor-
übergehende Zweck des Gesetzes durch Verzögerung
vereitelt würde“ — Voraussetzungen, über deren
Vorhandensein die Landesregierung unter Verant-
wortlichkeit sämtlicher stimmführenden Mitglieder
des Staatsministeriums entscheidet (N.L.O. 8 120).
Solche „Notgesetze“ sind der Landesversammlung
selbst „baldigst“ zur Genehmigung vorzulegen und
treten bei deren Versagung ohne weiteres außer
Wirksamkeit. Allgemeine „Polizeiverordnungen“
— d. h. polizeiliche Strafverbote mit verbindlicher
Kraft für den ganzen Bereich des Herzogtums —
sind dem braunschweigischen Staatsrecht unbekannt.
Erlasse solcher Art unterliegen den Formen des Ge-
setzes. Beim Erlaß von Gesetzen, die „das Landes-
polizeiwesen“, d. h. das gesamte Gebiet der innern
Verwaltung, Sicherheitspolizei wie Wohlfahrts-
pflege, betreffen, ist die Landesversammlung nur
„mit Rat und Gutachten“ zu hören, falls in ihnen
nur Polizeistrafen bis zu 6 Wochen Haft oder
1 Monat Gefängnis oder 150 M Geldstrafe an-
gedroht sind. Kommt ein höheres Strafmaß in
Betracht, so bedarf es wiederum ihrer Zustimmung.
Notrecht.
1384
Die Verfassung des Fürstentums Schwarz-
burg-Rudolstadt gewährt in § 25 dem Lan-
desherrn „in Fällen dringenden Bedürfnisses das
Recht, wenn der Landtag nicht versammelt ist,
unter Verantwortlichkeit der obersten Regierungs-
behörde Gesetze zu erlassen. Dieselben sind aber
dem Landtag sofort nach seinem nächsten Zu-
sammentritt zur Genehmigung vorzulegen“. Wei-
tere Bestimmungen sind nicht getroffen. Ahnliche
Vorkehrungen enthält die Verfassung von Reuß
älterer Linie.
Die Verfassung von Reuß jüngerer Linie
überträgt im § 66 ebenfalls der Regierung das
Notverordnungsrecht, bemerkt in § 67 ausdrück-
lich, daß „aus der versagten Zustimmung des
Landtags zu einer solchen Zustimmung nicht folgt,
daß diese auf die seit ihrem Erlaß vergangene Zeit
unwirksam werde“.
Im Fürstentum Waldeck müssen die Notver-
ordnungen, wenn der Landtag sie nicht nachträg-
lich genehmigt, entweder sofort aufgehoben oder
einem neuen, innerhalb dreier Monate zu ver-
sammelnden Landtag zur Genehmigung vorgelegt
werden. Im Fall der nochmaligen Ablehnung
treten sie außer Kraft.
In den drei Hansestädter besitzt der Senat
das Notverordnungsrecht, ist aber an die nachträg-
liche Genehmigung der Bürgerschaft bzw. in Ham-
burg an die sofortige Genehmigung des Bürger-
ausschusses gebunden.
In Elsaß-Lothringen steht das Recht,
Notverordnungen zu erlassen, dem Kaiser mit Zu-
stimmung des Bundesrats zu. Hier ist jedoch nicht
erforderlich die Voraussetzung eines Notstandes
und die dringenden Erfordernisse im Interesse der
staatlichen Sicherheit. Voraussetzung ist hier nur,
daß der Reichstag zur Zeit nicht versammelt ist.
Die für Elsaß-Lothringen ergehenden Notverord-
nungen dürfen nicht im Widerspruch stehen mit
der Reichsverfassung und den in den Reichslanden
geltenden Reichsgesetzen, auch nicht die Aufnahme
von Anleihen oder die Ubernahme von Garantien,
die das Reich belasten, zum Gegenstand haben
(Reichsges. betr. Einführung der Reichsverf. in
Elsaß-Lothringen v. 25. Juni 1873, § 8, auf-
recht erhalten durch das Reichsges. betr. Verfas-
sung und Verwaltung von Elsaß-Lothringen v.
4. Juli 1879, §21). Der § 10 des Gesetzes vom
30. Dez. 1871 für Elsaß-Lothringen, der sog.
Diktaturparagraph, der den Statthalter ohne ge-
setzliche Schranke ermächtigte, „bei Gefahr für die
öffentliche Sicherheit alle Maßregeln zu treffen,
die er zur Abwendung der Gefahr für erforderlich
erachtet“, ist durch Gesetz vom 18. Juni 1902
aufgehoben.
Für die Osterreich-Ungarische Mon-
archie besteht im Bereich der gemeinsamen
Angelegenheiten „ein ganz exzeptionelles Reservat-
gesetzgebungsrecht des gemeinsamen Monarchen
zur Festsetzung der Beitragsquoten der beiden
Gliedstaaten des Reichs zu den Kosten der prag-