Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Regierung ordnete die Beziehungen zwischen Kirche 
und Staatsgewalt, Mit der Oberleitung der 
Katholiken wurde ein in Vechta residierender Offi= 
zial des Bischofs von Münster betraut (der Groß- 
herzog hatte anfangs ein eignes Bistum für 
Oldenburg gewünscht). Diese Konvention wurde 
durch Kabinettsorder vom 5. April 1831 „als 
Fundamentalstatut der katholischen Kirche im 
Herzogtum“ veröffentlicht, ihr aber gleichzeitig 
ein einseitig vom Staat erlassenes „Normativ zur 
Wahrung des landesherrlichen Majestätsrechts 
circa sacra“ beigegeben. Infolge der aus diesem 
staatlichen Vorgehen entstandenen Streitigkeiten 
blieb das Offizialat zu Vechta 1846/53 unbesetzt. 
Die Verfassungsurtunde vom 22. Nov. 1852 
brachte wesentliche Milderungen. Das „Plazet 
und Visum“ wurde aufgehoben und bestimmt, daß 
ede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten 
selbständig ordnet und verwaltet, den Kirchengesell- 
chaften der Besitz ihres Kirchenvermögens aus- 
drücklich garantiert. Differenzen blieben jedoch 
weiterhin bestehen, weil bei der Wahl, Ernennung 
oder Einsetzung der Beamten und Diener der 
Kirche die Gutheißung des Staates verlangt 
wurde. Die deshalb schon im Dez. 1852 ein- 
geleiteten Unterhandlungen führten erst 1868 zu 
einer Einigung, derart, daß seitdem die Besetzung 
der Pfarreien (in der 20jährigen Konfliktszeit 
hatte der Offizial nur Pfarrverwalter angestellt) 
nach vorausgegangener Verständigung mit der 
Regierung stattfindet und die kirchlichen Verord- 
nungen gleichzeitig mit der Veröffentlichung der 
Regierung mitgeteilt werden. Auf die wenigen 
übrigen Benefizien wurde diese Art der Besetzung 
1872 ausgedehnt. Die oldenburgische Regierung 
zeigte und zeigt auch heute den kirchlichen Be- 
hörden gegenüber ein wohlwollendes Entgegen- 
kommen. Vom Kulturkampf blieb Oldenburg 
verschont, dank der edlen Gesinnung des Groß- 
herzogs Peter, der die preußische Kirchenverfol- 
gung offen mißbilligte. — In dem „Normativ“ 
von 1831 ist eine „Kommission zur Wahrneh- 
mung der staatlichen Rechte gegenüber der katho- 
lischen Kirche“ vorgesehen, die noch jetzt besteht 
und aus zwei vom Großherzog ernannten höheren 
Staatsbeamten (in der Regel einem Katholiken 
und einem Protestanten) gebildet wird. Dieser 
Kommission liegen ob alle Verhandlungen mit 
dem Bischof zu Münster, besonders wegen Be- 
setzung der Stellen des Offizials, seiner Beisitzer 
und seines Sekretärs, sowie der beiden Land- 
dechanten, ferner alle Verhandlungen zwischen 
Regierung und dem Offizialat, z. B. wegen Be- 
setzung von Pfarrstellen, Errichtung oder Ande- 
rung von Parochien oder geistlichen Benefizien. 
Die Kommission hat jede Veräußerung oder hypo- 
thekarische Belastung unbeweglicher Kirchengüter 
zu genehmigen. — Im Herzogtum Oldenburg 
befinden sich 2 Dekanate, Cloppenburg (für die 
Amter Cloppenburg und Friesoythe, 18 Pfarreien) 
und Vechta (für die übrigen 18 Pfarreien des 
  
Oldenburg. 
  
1436 
Herzogtums). — Die Niederlassungen der Orden 
sind frei. Staatliche Bestimmungen darüber gibt 
es nicht. Es sind vertreten Franziskaner (Mühlen 
bei Steinfeld) und Dominikaner (Konvikt für 
Gymnasiasten in Vechta), ferner Barmherzige 
Schwestern (4 Niederl.), Franziskanerinnen (7 
Niederl.), Franziskanessen (1 Niederl.), Graue 
Schwestern (1 Niederl.), Schwestern U. L. Frau 
aus Mülhausen (7 Niederl.). Die Schwestern 
sind teils in der Krankenpflege teils in von ihnen 
gegründeten Privatschulen tätig. — Der Staat 
hat zu Anfang des 19. Jahrh. die früher dem 
Johanniterorden gehörigen sog. Kommendegüter 
im Amt Friesoythe und die sog. Schilderschen 
Lehen im Amt Cloppenburg nach Auflösung des 
Ordens in Sequestration genommen. Der katho- 
lischen Kirche ist dabei zugesichert, daß die Ein- 
künfte aus diesen Gütern ihr überwiesen werden, 
was tatsächlich auch geschieht. Im ganzen zahlt 
der Staat mit Einschluß dieser Einkünfte jährlich 
ca 22000 I! für Zwecke der katholischen Kirche 
im Herzogtum. Diese hat bislang als solche kein 
Besteuerungsrecht, doch schweben darüber zurzeit 
Verhandlungen. 
In der „evangelisch-luterischen Kirche 
des Herzogtums Oldenburg“ hat die Kirchen- 
verfassung vom 3./15. Aug. 1849 als oberste 
kirchliche Verwaltungsbehörde für äußere wie für 
innere kirchliche Angelegenheiten einen Oberkirchen- 
rat eingeführt. Nach dieser Kirchenverfassung war 
der Oberkirchenrat Organ der Synode und wurde 
von dieser gewählt. Das kirchliche Verfassungs- 
gesetz vom 11. April 1853, das Ergebnis einer 
lebhaften Oppositionsbewegung geistlicher Kreise 
gegen die „an Bekenntnislosigkeit und Revolutio- 
nierung des Kirchenregiments“ leidende Kirchen- 
verfassung von 1849, bestimmte aber, der Ober- 
kirchenrat solle als zentrales Verwaltungs= und 
Aussichtsorgan die kirchlichen Angelegenheiten der 
evangelischen Kirche wahrnehmen. Der Ober- 
kirchenrat wird vom Landesherrn bestellt. Die 
Kirchenverfassung hat Gemeindevertretungen, jähr- 
liche Kreissynoden und eine alle drei Jahre zu- 
sammentretende Landessynode. Die Gemeinde- 
vertretungen sind: 1) allgemeine Gemeindever- 
sammlungen der 25 Jahre alten, selbständigen 
und kirchlich unbescholtenen Männer der Pfarr- 
gemeinde, welche die Altesten und nach Maßgabe 
des Gesetzes vom 18. Nov. 1859 den Pfarrer 
wählen; 2) engere Gemeindeversammlungen der 
zu den Kirchenumlagen Verpflichteten; 3) die 
Kirchenräte; 4) die Kirchenausschüsse, über welche 
noch ein Kirchengesetz vom 20. Jan. 1871 erging. 
Die evangelischen Gemeinden des Fürstentums 
Birkenfeld haben Presbyterien und größere Syno- 
dalvertretungen unter dem Konsistorium (Regie- 
rung zu Birkenfeld) nach dem Gesetz vom 5. Sept. 
1855. Für das Fürstentum Lübeck beruht die 
Organisation der evangelisch-lutherischen Kirchen- 
gemeinden Eutin usw. auf dem Gesetz vom 9. Sept. 
1844. Der Landesherr übt hier das Kirchen-
	        
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