Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Geschlechts zum Zweck gemeinsamen Zusammen- 
lebens nach einer kirchlich anerkannten Regel unter 
einem Obern behufs Erreichung besonderer reli- 
giöser Ziele, aber ohne ausdrückliche Gelübde. Hier 
kann ein Austritt jederzeit auf Grund beiderseitiger 
üÜbereinkunft erfolgen. Solche Institute sind z. B. 
die Oratorianer, Sulpizianer. 
XI. Bruderschaften (confraternitates, so- 
dalitates) sind von der Kirche, also kanonisch 
errichtete Vereinigungen von in der Welt leben- 
den Personen zur Übung besonderer guter Werke 
oder zur Erreichung bestimmter kirchlicher Zwecke, 
aber ohne Gelübde, ohne Regel, ohne vita com- 
munis, mit freiem Ein= und Austritt. Fehlt 
die kanonische Errichtung, besteht nur eine all- 
gemeine Billigung seitens der kirchlichen Behörde, 
so hat man einen „frommen Verein“. Werden 
die Bruderschaften durch den Bischof errichtet, so 
die Erzbruderschaften durch den Papst. Diese er- 
halten die Befugnis, andere Bruderschaften an 
verschiedenen Orten der christlichen Welt mit glei- 
chem Zweck und gleichem Namen sich anzugliedern 
und derselben Gnaden und Ablässe teilhaftig zu 
machen, die sie selbst haben. Solche Bruderschaften 
sind z. B. die Skapulierbruderschaft, die Rosen- 
kranzbruderschaft, die Marianischen Kongregatio- 
nen. Ahnliche Vereinigungen sind die sog. „Drit- 
ten Orden“ für Weltleute. 
XII. Statistit. An ungefähren Mitgliederzahlen 
gibt die Statistik im Jahre 1905 für besonders 
hervorragende Orden und Kongregationen an: 
Assumptionisten 800/1000; Augustinereremiten, 
beschuhte 2100 (1500 Priester), unbeschuhte 250 
(150 Priester); Barmherzige Brüder 1800; Bene- 
diktiner 5300 (3000 Priester); Beuroner Kongre- 
gation 700 (270); Kartäuser 700 (290); Zister- 
zienser alter Observanz 960 (640); Dominikaner 
4400 (2500); Franziskaner 17.000 (8300); Fran- 
ziskanerkonventualen 1500 (800); Jesuiten 15.000 
(7000); Kapuziner 10 000 (4400); Karmeliter, un- 
beschuhte 2100 (1200), beschuhte 1400 (750); La- 
zaristen 3300; Passionisten 1000; Piaristen 600; 
Prämonstratenser 1000 (800); Redemptoristen 
3300 (1700); Salefianer 2000; Salvatorianer 
420 (180); Schulbrüder 15.000; Serviten 800 
(400); Sulpizianer 400; Trappisten 3500 (700); 
Väter vom Heiligen Geist 2000 (650); Weiße 
Bäter 500; Barmherzige Schwestern 30 000; Da- 
men vom Heiligen Herzen Jesu 4700; Domini- 
kanerinnen 1500; Englische Fräulein 1500; Urfu- 
linerinnen 5000. Vgl. P. M. Baumgarten, Der 
Papst, die Regierung und die Verwaltung der hei- 
ligen Kirche in Rom (1905) 215 ff. 
Auf Deutschland entfielen unter entsprechen- 
der Verteilung auf die einzelnen Länder im Jahr 
1899: 4250 männliche Ordensleute, darunter 432 
Benediktiner, 750 Franziskaner, 515 Kapuziner, 
192 Redemptoristen, 154 Trappisten und 32 831 
weibliche Ordensangehörige, darunter mehr als die 
Hälfte Barmherzige Schwestern. Osterreich- 
Ungarn zählte 1901: 2910 Klöster mit 9850 
Ordensmännern und 23 433 Ordensfrauen. Vgl. 
O. Braunsberger, Rückblick auf das katholische 
Ordenswesen im 19. Jahrh. (1901) 125, 128. Daß 
seitdem die Zahlen stark gewachsen find, ergibt sich 
  
Orden ufw. 
  
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aus H. A. Krose, Kirchliches Handbuch für das 
katholische Deutschland II (19t08/09) 281. Danach 
befinden sich in Preußen, Bayern, Hessen u. Elsaß- 
Lothringen 54 964 Ordensmitglieder. 
XIII. Staatliche Gesetze. Da die evangeli- 
schen Räte ure divino begründet sind und ihre 
Verwirklichung in vollkommener Weise nur in 
einem Orden oder in einer Kongregation möglich 
ist, so ist die Gründung und Unterhaltung der- 
selben als eine res mere ecclesiastica zu be- 
zeichnen. Da aber der Staat doch hieran unter 
verschiedenen Gesichtspunkten ein Interesse hat, ist 
die Kirche nicht abgeneigt, das Ordenswesen als 
fres mixta anzusehen. Nur dürfen die Orden 
und Kongregationen nicht von vornherein vom 
Staat wie die andern Vereine behandelt werden. 
Im Syllabus ist in Nr 52 der Satz verworfen, 
daß der Staat das Alter für den Eintritt in einen 
Orden ändern und seine Zustimmung zur Ge- 
lübdeablegung geben müsse, und in Nr 53, daß 
die staatlichen Gesetze zum Schutz der Orden auf- 
zuheben seien. Abgesehen von der unter Karl 
Martell stattgehabten Säkularisation war der 
mittelalterliche Staat den Klöstern fast durchweg 
freundlich gesinnt. Dagegen vernichteten die pro- 
testantisch gewordenen Fürsten die Klöster nicht 
bloß wegen der mit dem Protestantismus unver- 
träglichen evangelischen Räte, sondern noch viel 
mehr wegen der großen materiellen Vorteile, die 
sie daraus zogen. Der öde, alles kirchliche Leben 
ertötende Josephinismus samt der sog. Aufklärung 
hat zunächst den Klöstern ein Ende gemacht, die 
nur dem beschaulichen Leben oblagen. Die fran- 
zösische Revolution aber und die Säkularisation 
hat in schreiendem Rechtsbruch alle Klöster in 
Frankreich und Deutschland aufgehoben und das 
Klostergut der Kirche weggenommen. In der 
katholischen Restauration des 19. Jahrh. jedoch 
blühten Orden und Kongregationen in allen Län- 
dern aufs neue auf, freilich von der staatlichen 
Gewalt von Zeit zu Zeit da und dort schwer be- 
drückt, ja öfters tyrannisch unterdrückt. 
Die Gründe, mit denen solche Behandlung ge- 
rechtfertigt werden will, sind nicht stichhaltig. Aus 
einer materiellen Welt= und Lebensanschauung her- 
aus wendet man ein, „daß so viele Kräfte für die 
menschliche Gesellschaft brach gelegt würden. Die 
Geschichte beweist das gerade Gegenteil. Brach- 
gelegt für unnütze, verschwenderische, gemeinschäd- 
liche Tätigkeit werden viele Hände; für gemein- 
nützige Arbeit, für Ackerbau, Zivilisation, Hebung 
der Künste und Wissenschaften, für Linderung von 
Armut und Not werden erst recht viele Hände tätig 
gemachtundiintensivertätig gemacht. Woes gilt, mit 
vereinten Kräften und mit dauernder Ergänzungder 
Kräfte zu arbeiten, da ist es der Ordensstand, der 
eine solche Arbeit wagen kann und oft wagen muß. 
Aber besonders die beschaulichen Orden hält man 
für einen unnötigen Auswuchs an der menschlichen 
Gesellschaft. In Wahrheit weihen alle Orden 
einen Teil der Zeit dem beschaulichen Leben. Auch 
 
	        
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