Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1483 
erworbenen Länder Bosnien und Hercegovina 
(s. Abschn. 1). ç · · 
DerMonarchfühktsett1868denT1tel,,Ka1ser 
von Osterreich, König von Böhmen usw. und 
Apostolischer König von Ungarn“. Seine Zivil- 
liste wird von jeder Reichshälfte gesondert fest- 
gestellt und geleistet; sie beträgt in jedem Staat 
je 11 300 000 K. Der Hofstaat ist gemeinsam 
für beide Reichshälften und gliedert sich in 4 Hof- 
ämter. Die Mitglieder des kaiserlichen Hauses 
und derehemals souveränen, in Osterreich residieren- 
den Familien haben ihren Gerichtsstand in Zivil- 
streitsachen vor dem Obersthofmarschallamt. Die 
Person des Monarchen und die kaiserliche Familie 
stehen unter besonderem strafrechtlichen Schutz 
(österreich. St. G. B. 88 58, 63), unterstehen jedoch 
vermögensrechtlich dem A. B.G. B. Die bver- 
fassungsmäßigen Rechte des Monarchen in Bezug 
auf den Gesamtstaat sind: 1) die Sanktion der 
Delegationsbeschlüsse, 2) die Vertretung der 
Monarchie gegenüber dem Ausland, 3) die Ent- 
scheidung über Krieg und Frieden und der Ober- 
befehl über die bewaffnete Macht, 4) die Er- 
nennung der gemeinsamen Minister. In jeder 
der beiden Reichshälften stehen dem Monarchen 
zu: 1) die Ernennung und Entlassung der 
Minister, 2) die Einberufung, Vertagung und 
Auflösung der gesetzgebenden Körper, 3) die 
Sanktion der Reichs= und Landesgesetze, 4) die 
Besetzung jener Staatsämter, die der Monarch 
sich vorbehalten hat, 5) die oberste Leitung der 
Verwaltung, im Bereich der Justizverwaltung, 
ein Begnadigungs-undein Abolitionsrecht (Nieder- 
schlagung der öffentlichen Anklage im Strafver- 
fahren), 6) die Verleihung von Orden und 
sonstigen Auszeichnungen. Man unterscheidet Hof- 
ehrenorden: das goldene Bließ (seit 1429) und 
der Sternkreuzorden für Damen (1688); Ver- 
dienstorden dem Range nach: Maria-Theresia- 
Orden (1757), Stephans-Orden (1764), Leopolds- 
Orden (1808), Eiserne Krone (1805), Franz= 
Josephs-Orden (1849), Kaiserin-Elisabeth-Orden 
(1898); Ehrenzeichen: Medaille für Kunst und 
Wissenschaft, das goldene und das silberne Ver- 
dienstkreuz. Die familienrechtlichen Beziehungen 
der Dynastie sind durch die nicht kundgemachten 
Hausgesetze geregelt, nur die Pragmatische 
Sanktion des Jahres 1713 ist Hausgesetz 
und zugleich Verfassungsgesetz in beiden Reichs- 
hälften. Nach derselben vererben sich die habs- 
burgischen Länder ungeteilt nach den Grundsätzen 
der Linearordnung und innerhalb derselben der 
Erstgeburt, wobei den männlichen Mitgliedern 
aller Linien das Vorrecht vor den weiblichen zu- 
steht und nur die Nachkommen aus ebenbürtiger 
Ehe thronfolgefähig sind. Das ungarische Staats- 
recht fordert überdies das katholische Bekenntnis 
des Herrschers. Bei Regierungsantritt leistet der 
Monarch in Osterreich in Gegenwart des Reichs- 
rats das Verfassungsgelöbnis, in Ungarn ist als 
staatsrechtlicher Akt die Königskrönung erforderlich. 
Osterreich-Ungarn. 
  
1484 
Alsgemeinsame Angelegenheiten bei- 
der Staaten sind durch das österreichische Aus- 
gleichsgesetz vom 21. Dez. 1867 und den ungari- 
schen Gesetzesartikel XII erklärt: 1) die auswär- 
tigen Angelegenheiten, 2) das Kriegswesen, 
3) das Finanzwesen rücksichtlich der Auslagen 
für die gemeinsamen Einrichtungen. Demgemäß 
bestehen 3 gemeinsame Ministerien: 1) das Mi- 
nisterium des Außern, 2) das Kriegsministerium, 
3) das gemeinsame Finanzministerium; letzterem 
untersteht auch die Verwaltung von Bosnien und 
der Hercegovina. Der Kontrolle der gemein- 
samen Finanzen dient der gemeinsame oberste 
Rechnungshof. Die gemeinsamen Behörden haben 
ihren Sitz in Wien. Zur Kontrolle der gemein- 
samen Verwaltung, zur Feststellung ihres Budgets 
und zur Geltendmachung der Verantwortlichkeit 
des gemeinsamen Ministeriums werden von den 
Parlamenten beider Reichshälften jährlich De- 
legationen (je 60 Mitglieder, zu zwei Dritteln 
von den Unterhäusern, zu einem Drittel von den 
Oberhäusern gewählt) entsendet. Diese tagen ab- 
wechselnd in Wien und Budapest, jedoch getrennt. 
Nur durch gleichlautenden Beschluß beider Dele- 
gationen kommen rechtskräftige Beschlüsse zustande. 
Wenn trotz dreimaligem Schriftenwechsel ein 
gleichlautender Beschluß nicht erzielt werden kann, 
so treten die Delegationen zu gemeinsamer Ab- 
stimmung zusammen, wobei die einfache Mehrheit 
entscheidet. Die Delegierten erhalten von ihren 
Parlamenten kein imperatives Mandat. Zur 
Deckung des gemeinsamen Finanzbedarfs wird 
in erster Linie das Reinerträgnis der Zölle ver- 
wendet. Der verbleibende Abgang wird von bei- 
den Staaten im Verhältnis von (ursprünglich 
70: 30) jetzt 63,6 % (DOsterreich) zu 36,4% 
(Ungarn) gedeckt. Dieses Verhältnis, die Quote, 
wird für je 10 Jahre durch die von beiden Par- 
lamenten zu wählenden Quotendeputationen, 
oder solang diese sich nicht einigen können 
(1897/1907) vom Monarchen von Jahr zu Jahr 
festgestellt. Neben den gemeinsamen Angelegen- 
heiten nennt das Ausgleichsgesetz noch eine Reihe 
von Gegenständen, bezüglich derer von Zeit zu 
Zeit die Grundsätze für eine gleiche Behandlung 
in beiden Staaten vereinbart werden sollen. Es 
sind dies: 1) die kommerziellen Angelegenheiten, 
speziell die Zollgesetzgebung; 2) die Gesetzgebung 
über die mit der industriellen Produktion in enger 
Verbindung stehenden indirekten Abgaben; 3) die 
Feststellung des Münzwesens und des Geldfußes; 
4) Verfügungen bezüglich jener Eisenbahnlinien, 
welche das Interesse beider Reichshälften berühren; 
5) die Feststellung des Wehrsystems. Hierüber 
werden für je 10 Jahre von den beiderseitigen Regie- 
rungen Verhandlungen gepflogen, deren Ergebnis 
den beiden Parlamenten zum Zweck einer materiell 
übereinstimmenden Gesetzgebung unterbreitet wird 
(österreichisch-ungarischer Ausgleichjletzter 
Ausgleichsabschluß 1907). Hiernach sollen die 
Konsumabgaben in beiden Staaten nach gleichen
	        
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