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ziehungen soll eine dem Rechte der Kirche abträg-
liche Anderung nur im Einverständnisse beider
Gewalten verfügt werden. Die Kirche bietet,
überall unter Wahrung ihrer Prinzipien, dem
Staate die Hand zu einer ihm staatlichen Interesse
notwendig erscheinenden Anderung der beider-
seitigen Beziehungen sowie auch zu deren durch-
gängiger vertragsmäßiger Reglung. Abgesehen
davon, sind die Konkordate eine politische Not-
wendigkeit, wenn ein zwischen Staat und Kirche
ausgebrochener Konflikt rechtlich ausgetragen und
nicht nur ausgesetzt werden soll (vgl. auch die Art.
Kirchengewalt, landesherrliche; Staatskirchentum).
XXI. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen,
daß die Ordnung der zwischen Staat und Kirche
obwaltenden Beziehungen im einzelnen Falle nicht
so leicht sein kann, als dies nach den Lehren der
Theorie zu sein scheint. Es können sich hier die
mannigfachsten Schwierigkeiten ergeben:
Kollisionen der beiderseitigen Rechte und In-
teressen, die Erfolglosigkeit eingeleiteter Verhand-
lungen, staatsrechtliche Bedenken gegen die An-
wendbarkeit des Begriffs von ius quaesitum
auf öffentlich-rechtliche Verhältnisse (ugl. Abschn.
XX, 7), die Rücksicht auf die Stimmung des
Volkes, auf die verschiedensten Faktoren der
äußern wie der innern Politik, der Bestand von
dem Buchstaben nach kirchenfeindlichen Staats-
grundgesetzen, welche gleichwohl nicht kurzerhand
abgeändert werden können, die Existenz anderer
Religionsgenossenschaften im Lande, deren Zahl
und Stärke, die Unzulänglichkeit der staatlichen
Finanzen, endlich die Unmöglichkeit, die höchste,
gleiche Selbständigkeit fordernde Instanz mit
rechtlicher Wirksamkeit zu kontrollieren oder zu
inhibieren. So erscheint unter allen Umständen
ein ruhiger, leidenschaftsloser Blick nötig, um das
Verhältnis zwischen Kirche und Staat entsprechend
zu würdigen, und beiderseitiger guter Wille, ge-
paart mit Verständnis für die Interessen und
Ansprüche des andern Teils, um das Verhältnis
zu einem friedlichen zu gestalten: Koexistenz, wenn
nicht Harmonie!
Literatur. Außer der bereits angeführten mögen
hier noch vermerkt werden: Horoy, Des rapports
du sacerdoce avec Dautorité civile (2 Bd
Par. 1882); v. Hammerstein S. J., K. u. S. vom
Standpunkte des Rechts (1883); De ecclesia
et statu iuridice consideratis (Trier 1886);
Ad. Franck, Philosophie du droit ecclésiast.:
Des rapports de la religion et de D’état (Par.
1884); Quilliet, De civilis potestatis origine
(Lille 1893); Phillips, Kirchenrecht III (1848)
1/569; v. Scherer, Handbuch des Kirchenrechts 1
(1886) 27/110.
Auf seiten der Protestanten: H. V. Schulze,
Staat u. Christentum in ihren gegenseitigen Ver-
hältnissen (1867); Friedberg, Die Grenzen zwischen
Staat u. Kirche u. die Garantien gegen deren Ver-
letzung (1872); Zeller, Staat u. Kirche (1873);
Sohm, Verhältnis von Staat u. Kirche aus dem
Begriffe von Staat u. Kirche entwickelt (Sep.=
Abdr. aus der Zeitschrift für Kirchenrecht 1873);
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—
Kirchenamt.
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Geffcken, Staat u. Kirche (1875); Hinschius,
Allg. Darstellung der Verhältnisse von Staat u.
Kirche, in Marquardsens Handbuch des öffentl.
Rechts der Gegenwart 1 1 (1883), 187/372.
Lv. Scherer.)
Kirchenamt. lBegriff; Kirchenamt, Bene-
fizium, Pfründe; Einteilung; Errichtung und
Aufhebung; Besetzung; Erledigung.)
1. Begriff. Das Kirchenamt (offcium eccle-
siasticum) ist ein von der kirchlichen Rechtsord-
nung fest und dauernd bestimmter Kreis von
Funktionen, zu dessen Verwaltung nur ein Kle-
riker berufen werden kann, und welcher diesem
(dem Amtsträger, Kirchenbeamten, Kirchenorgan,
persona ecclesiastica) entweder einen Anteil
an der Ausübung der Kirchengewalt gewährt oder
wenigstens solche Geschäfte umfaßt, die als Hilfs-
sunktionen die Ausübung der Kirchengewalt vor-
bereiten oder unterstützen sollen. Der Kreis der
Amtsfunktionen, welche dem jeweiligen Amts-
träger obliegen, welche er zu verwalten verpflichtet
und berechtigt wird, ist vom objektiven Rechte
bleibend und dauernd festgestellt; das Kirchenamt
bedeutet seinem Wesen nach einen dauernden und
regelmäßigen Bestandteil des kirchlichen Verwal-
tungsorganismus; dieser stabile Charakter des
Kirchenamtes als einer bleibenden kirchlichen Ein-
richtung mit fest bestimmten Aufgaben unter-
scheidet das Kirchenamt von der Stellung eines
Klerikers, welcher von einem kirchlichen Amts-
träger vorübergehend mit der Verwaltung kirch-
licher Funktionen beauftragt wird, deren Dauer
und Umfang vom Belieben des letzteren abhängen.
Obwohl bleibende, für die Dauer geschaffene In-
stitutionen der Kirche, sind die einzelnen Kirchen-
ämter doch nur Gebilde der geschichtlichen Ent-
wicklung, welche in der Kirche nicht mit Notwen-
digkeit, ex iure divino, sondern „nur kraft
menschlichen Rechts“ (Hinschius) bestehen und
deshalb nach dem Zeugnisse der Geschichte als
Schöpfungen der kirchlichen Rechtsentwicklung
weder unveränderlich noch der Aufhebung durch
die kirchliche gesetzgebende Autorität entrückt sind.
Eine Ausnahme kann nur für den Primat des
Papstes und das Bischofsamt behauptet werden,
welche im göttlichen Rechte begründete fundamen-
tale Institutionen des kirchlichen Regierungs-
organismus, also nach dem Dogma der Kirche
absolut notwendige, in ihrem Wesen unveränder-
liche Amter sind.
Wenn wir von dem Amte des Papstes absehen,
dessen primatiale Stellung ihn verpflichtet, seine
Gewalt in der gesamten Kirche zu üben, so ist
jedem Kirchenamt auch ein bestimmter örtlicher
Wirkungskreis vorgezeichnet, ein Amtsbezirk
(Sprengel), innerhalb dessen der Amtsträger seine
Funktionen zu verwalten berechtigt bzw. ver-
pflichtet ist. Eigenmächtige Ausübung der Amts-
befugnisse außerhalb des Amtssprengels ist immer
unerlaubt und kann sogar die Nichtigkeit des
Aktes begründen. Der Inbegriff der mit einem