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ins Gewicht. Desgleichen wird in sozialer Be-
ziehung der Eigenwirtschaft der Vorzug zu geben
sein, indem von dem intensiveren Interesse des
Eigentümers an dem Verhältnis zur Bevölkerung,
namentlich zur Arbeiterschaft, zu Gemeinde und
Kommunalverband, durchschnittlich nach dieser
Richtung günstigere Wirkungen erwartet werden
dürfen. Dagegen dürfte mehr der Besitz als die
Betriebsform für die persönliche soziale Stellung
des Wirtschafters entscheidend sein. — Auch daß
unter den erwähnten Voraussetzungen vom privat-
wirtschaftlichen Standpunkt aus die Selbstbewirt-
schaftung, wo sie ausführbar ist, der Verpachtung
vorzuziehen ist, bedarf keiner weiteren Darlegung;
kommt doch bei jener dem Wirtschafter neben dem
auf den Naturfaktor entfallenden Teil des Rein-
ertrags, der Landrente, der Arbeitsertrag ebenso
zugute, wie er dem Pächter zufällt. Indessen
wird man im allgemeinen annehmen dürfen, daß
die Notwendigkeit, dem Verpächter den Pachtzins
entrichten zu müssen, den Pächter zu intensiverer
Arbeit anspornen wird, als sie der Eigenwirt-
schafter zu entwickeln pflegt, ein Umstand, der
auch volkswirtschaftlich nicht bedeutungslos ist.
Die Statistik zeigt auch, daß in Deutschland die
Pachtung dort am verbreitetsten ist, wo der Be-
trieb am intensivsten sich entwickelt hat. „Der
Eigentümer pflegt, wenn er arm ist, knauseriger
zu wirtschaften als der Pächter; wenn er reich ist,
verschwenderischer.“ — Die volkswirtschaftlichen
Nachteile des Pachtbetriebs zeigen sich am deut-
lichsten bei der Zeitpacht, und dort namentlich
dann, wenn die Pachtperiode ihrem Ende zugeht
oder überhaupt kurz ist. In diesen Fällen wird
der Pächter zu eignen Aufwendungen kaum sich
verstehen, in den von dem Eigentümer unter-
nommenen Meliorationsarbeiten aber oft genug
eine Störung seines Betriebs erblicken und mit-
hin ihnen Hindernisse bereiten, da ihm nur in
seltenen Fällen noch die Vorteile zufließen. Diese
Schattenseiten sind daher nur zu vermeiden, wenn
der Pächter nach beiden Richtunger sichergestellt ist;
die Bestimmungen des B.G. B. dürften in dieser
Beziehung als praktisch anzusprechen sein. Auch
zeigt sich in jenen Fällen häufig bei den Pächtern
die Neigung, schädlichen Raubbau zu treiben; auch
in dieser Richtung ist durch die mitgeteilten Vor-
schriften des B.G.B., soweit dies durch Gesetz
überhaupt geschehen kann, ausreichend Vorkehrung
getroffen. Am wirksamsten würden die etwaigen
Nachteile abgewehrt, wenn „dem Pächter, so viel
wie möglich, dieselbe Sicherheit der Kapitalver-
wendung und dieselbe Freiheit und Würde der
Arbeit“ gewährt würde, wie sie der selbstwirt-
schaftende Eigentümer besitzt. Diese Forderung
erfüllte das Institut der Erbpacht unter gewissen
ganz heilsamen Einschränkungen der Bewegungs-
freiheit des Erbpächters besser als die Zeitpacht.
Es wird daher heute fast allgemein als ein legis-
latorischer Fehler betrachtet, daß dasselbe fast
allerwärts ausgehoben ist (ogl. unter I, 2) und
Pacht.
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in den Rentengütern nur einen unvollkommenen
Ersatz erhalten hat. Die angedeuteten Nachteile
lassen sich nur auf dem Weg langfristiger Pacht-
verträge einigermaßen vermeiden, eine Maßregel,
auf welche der Gesetzgebung keine oder wenigstens
nur eine sehr mäßige Einwirkung zu verschaffen
möglich sein dürfte. Es muß schon als ein sozial
und volkswirtschaftlich verdienstvolles Beginnen
anerkannt werden, wenn das B.G.B. die Möglich-
keit der vorzeitigen Endigung seitens des Ver-
pächters tunlichst einschränkt, insbesondere den
Pächter, außer, wie ganz gerechtfertigt, gegen die
Folgen seines eignen Verschuldens in hohem
Maß sicherstellt. — Das im vorstehenden Ge-
sagte gilt gleichmäßig von der Naturalienpacht
wie von der Geldpacht. Tiefer als beide steht der
Teilbau mit gewissen Ausnahmen. Indem dieses
System dem Grundherrn nur eine wechselnde, also
unsichere Rente bringt, ihm dauernd die Quelle
zu Mißtrauen wegen Veruntreuung ist, von dem
Wirtschafter anderseits um so drückender empfunden
wird, je intensiver und lohnender dessen Arbeit,
je größer also das abzugebende Quantum des
Rohertrags ist, befriedigt es nicht nur keinen der
beiden Teile, es leidet dazu auch noch an dem
nationalökonomischen Fehler, daß keiner von beiden
Teilen erhebliche Opfer für Verbesserungen zu brin-
gen geneigt ist, die ja doch zur Hälfte dem andern
zugute kommen. Nur da, wo es sich um die Nutzung
perennierender Kulturpflanzen (Obst-, Ol-, Maul-
beer-, Kaffee= usw. Bäume, Weinstöcke u. dgl.) han-
delt, ist der Teilbau angebracht und kann von
Nutzen sein; daher ist er auch, wie oben (I, 2)
bereits bemerkt, noch im ganzen südlichen Europa,
namentlich in Italien und Südfrankreich, ferner
in Vorderasien und Japan weit verbreitet (vogl.
ferner unter V, 2).
2. Am deutlichsten ergibt sich die soziale und
volkswirtschaftliche Bedeutung der Pacht aus ihrer
der Statistik zu entnehmenden tatsächlichen
Verbreitung. Die statistischen Erhebungen
darüber sind in den verschiedenen Staaten nach
verschiedenen Grundsätzen, dem eignen Bedürfnis
angepaßt, angestellt, so daß ein Vergleich der Er-
gebnisse untereinander nur in sehr beschränktem
Maß möglich ist. Österreich, Italien, Schweiz,
Portugal haben nur für Teile ihres Staatsgebiets
Erhebungen, bleiben also im folgenden außer
Betracht. Nur möge hier bemerkt sein, daß nach
dem Handbuch der politischen Okonomie von
Schönberg in Italien noch im Jahr 1871 neben
1532 795 kleinen Grundeigentümern, welche selbst
ihr eignes Besitztum bewirtschafteten, sich 1 503 476
Teilbauern fanden.
In Deutschland ist die Ausdehnung der
Pacht und ihre Entwicklung gemäß den letzten Be-
rufs= und Betriebszählungen aus den Tabellen auf
Sp. 1523 zu ersehen.
Gegen das Jahr 1895 hat also die Zahl der Be-
triebe mit Pachtland wie auch die gepachtete Fläche
zugenommen, aber auch die Zahl der Betriebe mit
ausschließlich eignem Land. Die eigenbewirtschaftete
Fläche und das nicht verpachtete Land haben da-
gegen an Umfang abgenommen. Vergleicht man