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bestraft werden; wer jedoch mit Gewaltanwen-
dung eigenmächtig vom Amte Besitz ergreift, ver-
liert zur Strase von Rechts wegen sein Amt.
Ist ein Kirchenamt nicht innerhalb der gesetz-
lichen Frist in kanonischer Weise wieder besetzt
worden (d. h. wurde das Amt überhaupt nicht
besetzt, oder muß die vorgenommene Provision als
nichtig angesehen werden), so geht der zur Be-
setzung Berufene seines Rechts für diesen Er-
ledigungsfall verlustig, und das Besetzungsrecht
steht für diesen Vakanzfall iure devolutionis dem
nächsthöheren Kirchenobern zu. Ist die kanonische
Besetzung des Amtes ohne jedes Verschulden des
Provisionsberechtigten unterblieben, so ist eine
Devolution ausgeschlossen; bei Amtern, deren
Wiederbesetzung dem Ermessen der Kirchenobern
überlassen ist, kann von einer Devolution über-
haupt nicht die Rede sein. Die Devolution des
Verleihungsrechts kann ferner dann nicht eintreten,
wenn für die Vornahme des Verleihungsaktes eine
Frist nicht vorgeschrieben ist (hier ist Abhilfe nur
durch eine Beschwerde beim höheren Kirchenobern
Mmrööglich, welcher den Kollator zur Erfüllung seiner
Pflicht zu verhalten hat). Die Besetzung, welche
von einem höheren Kirchenobern kraft Devolu-
tionsrechts vorgenommen wird, ist von der Schule
übereinstimmend als ein Fall der außerordent-
lichen Verleihung (provisio s. collatio extra-
ordinaria) aufgefaßt worden (den Begriff der
provisio s. collatio ordinaria s. Sp. 153); es
ist jedoch vollkommen richtig, wenn von vielen
neueren Schriftstellern ebenso auch die Fälle, in
welchen die Verleihung niederer Benefizien kraft
besondern Vorbehalts unmittelbar durch den Papst
erfolgt, und wenn endlich von manchen Autoren
die auf Grund spezieller Rechtstitel vorkommen-
den, das Provisionsrecht des collator ordinarius
ausschließenden Verleihungsrechte als außerordent-
liche Verleihungsarten (als Fälle einer provisio
s. collatio extraordinaria) behandelt werden.
Diese Auffassung der erwähnten päpstlichen Ver-
leihungsrechte ist allerdings mit dem Standpunkte
des Dekretalenrechts nicht vereinbar (vgl. cap. 2
de praeb. in VII· (3, 441 potest de iure
conferre . ); es ist jedoch mit dem Ergebnisse
der historischen Entwicklung völlig im Einklang,
wenn die unmittelbare Verleihung niederer, der
bischöflichen Jurisdiktion unterworfener Benefizien
durch den Papst zu den Fällen der provisio s.
collatio extraordinaria gerechnet wird. Die Be-
setzung durch die ordentlichen Kollatoren bildet im
neueren Rechte durchaus die Regel; die Päpste
haben sich damit begnügt, daß das (im päpstlichen
Universalepiskopate begründete) oberste Kollations-=
recht des Papstes zwar grundsätzlich anerkannt,
dessen Ausübung aber auf einzelne Benefizien
(regelmäßig Kapitelsdignitäten oder andere Stifts-
ämter) beschränkt werde, deren Verleihung dem
Papste zur Wahrung des Prinzips vorbehalten
wurde. Nach heutigem Rechte können nicht ein-
mal die (selbst vom Basler Konzil und seinen An-
Kirchenamt.
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hängern anerkannten) im Corpus iuris canonici
clausum enthaltenen Reservate als gemeinrecht-
liche, als in der ganzen Kirche grundsätzlich be-
stehende päpstliche Verleihungsrechte bezeichnet
werden; nach der heutigen Rechtsauffassung gelten
vielmehr in jedem Gebiete nur jene päpstlichen
Vorbehalte, welche in den besondern, für dieses
Gebiet maßgebenden (gewöhnlich auf Grund einer
Vereinbarung zwischen dem Papste und der
Staatsregierung erlassenen) kirchlichen Rechtsnor-
men über die Besetzung der höheren Kirchenämter
und der Kapitelsstellen ausdrückliche Anerkennung
gefunden haben.
Die politische Stellung der Prälaten im mittel-
alterlichen Feudalstaate läßt es erklärlich erscheinen,
daß die Landesherren die Besetzung der höheren
Kirchenämter gänzlich an sich zu ziehen oder doch
ihrem entscheidenden Einflusse zu unterwerfen
trachten. Der Ausgang des sog. Investiturstreites
vermochte den fürstlichen Einfluß auf die Be-
setzung der höheren Kirchenämter keineswegs dau-
ernd zu beseitigen; nachdem die ungünstige poli-
tische Lage des Papsttums, welche durch den
Aufenthalt zu Abignon und das Schisma herbei-
geführt worden war, dessen Widerstandskraft gegen
die Forderungen der weltlichen Fürsten lahmgelegt
und dem schon früher häufig genug maßgebenden
Einflusse der Landesherren noch bedeutenderen
Spielraum verschafft hatte, mußte in einzelnen
Gebieten die Ausübung des nach dem Investitur-
streite beseitigten königlichen Ernennungsrechts
wieder zugelassen, ja seit dem 15. Jahrh. den
Landesherren der meisten katholischen Staaten das
Nominationsrecht bezüglich der höheren Benefizien
zugestanden werden. Die Wahlfreiheit der Ka-
pitel blieb, von verschwindenden Ausnahmen ab-
gesehen, nur für die reichsunmittelbaren Kirchen
Deutschlands aufrecht. Um diesen landesherrlichen
Gerechtsamen gegenüber das Prinzip der kirchlichen
Einheit zu wahren und den Forderungen des all-
gemeinen kirchlichen Interesses einen wirksameren
Schutz zu garantieren, ferner um die pöänpstliche
Autorität für den Verlust einer Reihe von Re-
servaten, betr. die Besetzung höherer Kirchen-
ämter zu entschädigen, haben die Päpste seit dem
15. Jahrh. wenigstens die Ubertragung des Bi-
schofsamtes an die designierten Kandidaten aus-
schließlich ihrer Entscheidung vorbehalten und die
Anerkennung dieses Rechtssatzes anläßlich der im
15. Jahrh. geschlossenen Vereinbarungen über die
Reservate und die Vergebung der Bistümer ge-
sichert. (Das Konzil von Trient Isess. XXIII,
can. 8 de sacram. ordinis; sess. XXIV,
ap. 1 de reform. Jsetzt dieses ausschließliche Pro-
visionsrecht des Papstes, durch welches die noch
im Dekretalenrechte den Metropoliten zugestan-
dene Befugnis zur Konfirmation der kanonischen
Wahlen ihrer Suffragane gänzlich beseiligt wurde,
bereits als bestehend voraus.)
Seit den letzten Jahrhunderten des Mittelalters
suchten die Landesherren ihren Einfluß auch auf