Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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bestraft werden; wer jedoch mit Gewaltanwen- 
dung eigenmächtig vom Amte Besitz ergreift, ver- 
liert zur Strase von Rechts wegen sein Amt. 
Ist ein Kirchenamt nicht innerhalb der gesetz- 
lichen Frist in kanonischer Weise wieder besetzt 
worden (d. h. wurde das Amt überhaupt nicht 
besetzt, oder muß die vorgenommene Provision als 
nichtig angesehen werden), so geht der zur Be- 
setzung Berufene seines Rechts für diesen Er- 
ledigungsfall verlustig, und das Besetzungsrecht 
steht für diesen Vakanzfall iure devolutionis dem 
nächsthöheren Kirchenobern zu. Ist die kanonische 
Besetzung des Amtes ohne jedes Verschulden des 
Provisionsberechtigten unterblieben, so ist eine 
Devolution ausgeschlossen; bei Amtern, deren 
Wiederbesetzung dem Ermessen der Kirchenobern 
überlassen ist, kann von einer Devolution über- 
haupt nicht die Rede sein. Die Devolution des 
Verleihungsrechts kann ferner dann nicht eintreten, 
wenn für die Vornahme des Verleihungsaktes eine 
Frist nicht vorgeschrieben ist (hier ist Abhilfe nur 
durch eine Beschwerde beim höheren Kirchenobern 
Mmrööglich, welcher den Kollator zur Erfüllung seiner 
Pflicht zu verhalten hat). Die Besetzung, welche 
von einem höheren Kirchenobern kraft Devolu- 
tionsrechts vorgenommen wird, ist von der Schule 
übereinstimmend als ein Fall der außerordent- 
lichen Verleihung (provisio s. collatio extra- 
ordinaria) aufgefaßt worden (den Begriff der 
provisio s. collatio ordinaria s. Sp. 153); es 
ist jedoch vollkommen richtig, wenn von vielen 
neueren Schriftstellern ebenso auch die Fälle, in 
welchen die Verleihung niederer Benefizien kraft 
besondern Vorbehalts unmittelbar durch den Papst 
erfolgt, und wenn endlich von manchen Autoren 
die auf Grund spezieller Rechtstitel vorkommen- 
den, das Provisionsrecht des collator ordinarius 
ausschließenden Verleihungsrechte als außerordent- 
liche Verleihungsarten (als Fälle einer provisio 
s. collatio extraordinaria) behandelt werden. 
Diese Auffassung der erwähnten päpstlichen Ver- 
leihungsrechte ist allerdings mit dem Standpunkte 
des Dekretalenrechts nicht vereinbar (vgl. cap. 2 
de praeb. in VII· (3, 441 potest de iure 
conferre . ); es ist jedoch mit dem Ergebnisse 
der historischen Entwicklung völlig im Einklang, 
wenn die unmittelbare Verleihung niederer, der 
bischöflichen Jurisdiktion unterworfener Benefizien 
durch den Papst zu den Fällen der provisio s. 
collatio extraordinaria gerechnet wird. Die Be- 
setzung durch die ordentlichen Kollatoren bildet im 
neueren Rechte durchaus die Regel; die Päpste 
haben sich damit begnügt, daß das (im päpstlichen 
Universalepiskopate begründete) oberste Kollations-= 
recht des Papstes zwar grundsätzlich anerkannt, 
dessen Ausübung aber auf einzelne Benefizien 
(regelmäßig Kapitelsdignitäten oder andere Stifts- 
ämter) beschränkt werde, deren Verleihung dem 
Papste zur Wahrung des Prinzips vorbehalten 
wurde. Nach heutigem Rechte können nicht ein- 
mal die (selbst vom Basler Konzil und seinen An- 
Kirchenamt. 
  
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hängern anerkannten) im Corpus iuris canonici 
clausum enthaltenen Reservate als gemeinrecht- 
liche, als in der ganzen Kirche grundsätzlich be- 
stehende päpstliche Verleihungsrechte bezeichnet 
werden; nach der heutigen Rechtsauffassung gelten 
vielmehr in jedem Gebiete nur jene päpstlichen 
Vorbehalte, welche in den besondern, für dieses 
Gebiet maßgebenden (gewöhnlich auf Grund einer 
Vereinbarung zwischen dem Papste und der 
Staatsregierung erlassenen) kirchlichen Rechtsnor- 
men über die Besetzung der höheren Kirchenämter 
und der Kapitelsstellen ausdrückliche Anerkennung 
gefunden haben. 
Die politische Stellung der Prälaten im mittel- 
alterlichen Feudalstaate läßt es erklärlich erscheinen, 
daß die Landesherren die Besetzung der höheren 
Kirchenämter gänzlich an sich zu ziehen oder doch 
ihrem entscheidenden Einflusse zu unterwerfen 
trachten. Der Ausgang des sog. Investiturstreites 
vermochte den fürstlichen Einfluß auf die Be- 
setzung der höheren Kirchenämter keineswegs dau- 
ernd zu beseitigen; nachdem die ungünstige poli- 
tische Lage des Papsttums, welche durch den 
Aufenthalt zu Abignon und das Schisma herbei- 
geführt worden war, dessen Widerstandskraft gegen 
die Forderungen der weltlichen Fürsten lahmgelegt 
und dem schon früher häufig genug maßgebenden 
Einflusse der Landesherren noch bedeutenderen 
Spielraum verschafft hatte, mußte in einzelnen 
Gebieten die Ausübung des nach dem Investitur- 
streite beseitigten königlichen Ernennungsrechts 
wieder zugelassen, ja seit dem 15. Jahrh. den 
Landesherren der meisten katholischen Staaten das 
Nominationsrecht bezüglich der höheren Benefizien 
zugestanden werden. Die Wahlfreiheit der Ka- 
pitel blieb, von verschwindenden Ausnahmen ab- 
gesehen, nur für die reichsunmittelbaren Kirchen 
Deutschlands aufrecht. Um diesen landesherrlichen 
Gerechtsamen gegenüber das Prinzip der kirchlichen 
Einheit zu wahren und den Forderungen des all- 
gemeinen kirchlichen Interesses einen wirksameren 
Schutz zu garantieren, ferner um die pöänpstliche 
Autorität für den Verlust einer Reihe von Re- 
servaten, betr. die Besetzung höherer Kirchen- 
ämter zu entschädigen, haben die Päpste seit dem 
15. Jahrh. wenigstens die Ubertragung des Bi- 
schofsamtes an die designierten Kandidaten aus- 
schließlich ihrer Entscheidung vorbehalten und die 
Anerkennung dieses Rechtssatzes anläßlich der im 
15. Jahrh. geschlossenen Vereinbarungen über die 
Reservate und die Vergebung der Bistümer ge- 
sichert. (Das Konzil von Trient Isess. XXIII, 
can. 8 de sacram. ordinis; sess. XXIV, 
ap. 1 de reform. Jsetzt dieses ausschließliche Pro- 
visionsrecht des Papstes, durch welches die noch 
im Dekretalenrechte den Metropoliten zugestan- 
dene Befugnis zur Konfirmation der kanonischen 
Wahlen ihrer Suffragane gänzlich beseiligt wurde, 
bereits als bestehend voraus.) 
Seit den letzten Jahrhunderten des Mittelalters 
suchten die Landesherren ihren Einfluß auch auf 
 
	        
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