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gemein anerkannt. Als die Traditionen der abso-
lutistischen Epoche von den Regierungen aufgegeben
wurden und die oben erwähnte antikuriale Rich-
tung in den katholischen Kreisen Deutschlands voll-
ständig überwunden war, sahen sich die Staaten
(namentlich seit der Mitte des 19. Jahrh.) auch
in dieser Frage zu einer Anderung ihres Stand-
punktes veranlaßt und suchten durch besondere Ver-
einbarungen mit der Kirche für die behaupteten
Besetzungsrechte eine unanfechtbare kanonische
Grundlage zu erlangen. Wenn die modernen Ge-
setzgebungen die Forderung aufstellen, daß der
Staatsregierung, falls dem Landesfürsten oder den
Organen der Staatsgewalt nicht etwa aus einem
besondern Rechtsgrund ein weiter gehendes Recht
bei der Besetzung eines Kirchenamtes gebührt, zum
mindesten ein Einspruchsrecht gegen die beabsich-
tigte Einsetzung kirchlicher Amtsträger eingeräumt
werde, um dem Staate nicht genehme Personen
von Kirchenämtern auszuschließen (also ein Ex-
klusionsrecht, welches die modernen Staaten als
Ersatz des der territorialistischen Auffassung ent-
sprechenden Bestätigungsrechts verlangen), so kann
diese Forderung nur in dem besondern, historisch
entwickelten Verhältnis der Kirche zum Staate
ihre rationelle Begründung finden; dieselbe kann
keineswegs als eine Prärogative der Staatsver-
waltung gelten, welche in allen Fällen einfach auf
Grund des allgemeinen staatlichen Aufsichtsrechts
gegenüber öffentlichen Korporationen beansprucht
werden könnte. Nach den Erfahrungen der letzten
Dezennien wird man übrigens wohl die Ansicht
aussprechen dürfen, daß es (auch falls man diese
Frage bloß von einem politischen Standpunkt be-
urteilen will, für den in erster Linie das staatliche
Interesse entscheidend ist) den schwersten Bedenken
unterliegt, wenn solche Rechte von der Staats-
gewalt einseitig in Anspruch genommen werden,
ohne daß denselben durch eine Vereinbarung mit
dem Oberhaupte der Kirche eine unanfechtbare
kanonische Basis gesichert wird. Uberdies wird
heute wohl auch niemand mehr bestreiten wollen,
daß der Wert und die Wichtigkeit solcher Rechte
für den modernen Staat, daß die aktuelle politische
Bedeutung solcher Einspruchsrechte von den Staats-
männern der älteren Schule jedenfalls bedeutend
überschätzt worden ist.
6. Die Erledigung der Kirchenämter. Ein
Kirchenamt wird a) von Rechts wegen (ipso
iure) in folgenden Fällen erledigt: durch den Tod
des Amtsträgers; ferner wenn dieser die feierliche
Profeß in einem approbierten Orden ablegt; wenn
er eine Ehe eingeht (durch die Verehelichung ver-
liert der Kleriker der niederen Weihen seine Bene-
sizien wie die Vorrechte des geistlichen Standes;
Kleriker der höheren Weihen können sich nicht mehr
gültigerweise verehelichen); wenn er den ruhigen
Besitz eines Benefiziums erlangt, welches mit
seinem bisherigen Benefizium nicht kompatibel sst;
endlich wenn der Träger des Amtes sich eines
Deliktes schuldig gemacht hat, welches kraft gesetz-
Kirchenamt.
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licher Vorschrift den ipso facto eintretenden Ver-
lust des Amtes zur Folge hat (Ketzerei, Apostasie,
Realinjurien gegen einen Kardinal usw.). Seel-
sorgebenefizien werden überdies auch ipso jure
erledigt, wenn der Benefiziat binnen einem Jahre
nach erlangtem ruhigem Besitze des Amtes die
Priesterweihe nicht erworben hat; dasselbe gilt
vom Bischofsamte, wenn der Inhaber des Amtes
aus eigenem Verschulden nicht binnen längstens
sechs Monaten, nach erlangter Kenntnis von der
Übertragung des Amtes, zum Bischof konsekriert
worden ist.
b) Fälle, in welchen die Willenserklärung
des Amtsträgers die Erledigung des Amtes her-
beiführt, sind: der Verzicht auf das Kirchenamt
(Resignation, Renuntiation) und der Tausch (per-
mutatio beneficiorum). Bischöfe und Kardinäle
können auf ihr Amt wirksam nur mit päpstlicher
Genehmigung verzichten. Das gemeine Recht ge-
stattet den Bischöfen, aus bestimmten gesetzlichen
Gründen die Zulassung ihres Verzichtes zu er-
bitten; liegen solche Gründe nicht vor, so hängt
die Genehmigung der Resignation vom Ermessen
des Papstes ab. Der Verzicht der niederen Amts-
träger bedarf zu seiner Gültigkeit der Genehmigung
ihres Ordinarius, also des Bischofes, dessen Juris-
diktion das Amt unterworfen ist. Will der Bene-
fiziat in einen Orden treten, so ist der Bischof
verpflichtet, dem Resignationsgesuche zu willfahren;
in andern Fällen entscheidet der Bischof nach seinem
Ermessen. Er darf jedoch den Verzicht auf ein
Benefizium, welches den Ordinationstitel gebildet
hat, nicht zulassen, solange der Kleriker nicht den
Besitz eines andern Titels nachgewiesen hat. Die
Resignation muß unentgeltlich und unbedingt er-
folgen; eine bedingte Resignation könnte nur auf
Grund eines besondern päpstlichen Indultes zu-
gelassen werden. Der Tausch von Benefizien be-
darf vor allem der Genehmigung des Ordinarius
bzw. beider Ordinarien, wenn die Benefizien ver-
schiedenen Diözesen angehören. Wenn bezüglich
eines der Benefizien ein Designations= oder Kol-
lationsrecht begründet ist, so ist auch die Zustim-
mung des Berechtigten (Patrones, Nominanten,
Kollators usw.) wesentlich. Das vom Ordinarius
genehmigte Übereinkommen der Tauschenden be-
gründet noch nicht die Vakanz ihrer Pfründen;
es sind vielmehr beide Teile infolge des rechts-
wirksamen Tauschvertrages verpflichtet, auf ihre
Benefizien zu resignieren, damit die durch Verzicht
erledigten Benefizien so verliehen werden können,
daß der Tausch realisiert wird.
P) Die Erledigung der Kirchenämter durch Ab-
setzung. Titulierte Benefiziaten können ihres
Amtes nur aus den vom kirchlichen Recht aner-
kannten Gründen, im Wege eines ordnungs-
mäßigen Straf= oder Disziplinarverfahrens, ent-
setzt werden (s. d. Art. Kirchenstrafen). Andere
Amtsträger genießen diese Bürgschaften der Ina-
movibilität nicht: der Kirchenobere kann solche
Amtsträger nach seinem freien Ermessen ihres