167 Kirchengut. 168
muß, versteht sich von selbst. Aus dieser Theorie aber die Kollegialtheorie sehr viel dazu bei, daß
erklärt sich der bekanntlich oft in die Praxis über- sich neben den Konsistorien von unten herauf
setzte Satz: Cuius regio, illius et religio. Diese immer mehr die Synoden entwickelten, d. h.
Anschauuͤng wird bereits von Hugo Grotius ver-
treten, der die Staatsgewalt durch Abtretung
auf dem Prinzip der Selbstverwaltung beruhende
Organe. So entstanden infolge der wenigstens
ihrer Rechte seitens der den Staat zuerst bildenden teilweise zugegebenen Selbstregierung in größeren
Individuen entstehen läßt und die religiösen Rechte Staaten die Kreis-, Provinzial- und Landes-
für gleichfalls von den einzelnen an die gemein- spnoden. Die Konsistorien sind ein Ausfluß der
same staatliche Autorität abgetreten hält. Grotius landesherrlichen Kirchengewalt, die Synoden eine
folgten unter andern Hobbes, Spinoza. Doch Betätigung der Selbstregierung der Gläubigen.
fand Grotius mit seiner Erklärung vom Ursprung Die Agenden beider in den Ländern, wo sie neben-
des Staates und der Staatsgewalt nicht überall einander bestehen, sind verschieden verteilt. Die
Anklang. Zudem kam vielen dieses System zu gegenwärtigen Einrichtungen der protestantischen
radikal vor. Das eigentliche Territorialsystem Landeskirchen finden sich angegeben bei Vering,
wird dann von Pufendorf, Thomasius, Böhmer Lehrbuch des Kirchenrechts (1893) 377/389, und
u. a. ausgebaut. Der Staat hat nach demselben
zwar nicht über das Innere der Religion (Glaube
und Gewissen), wohl aber über das Außere zu be-
stimmen. Die Grenze zwischen interna und e-
Friedberq, Lehrbuch des Kirchenrechts ((1909)
228/257.
Daf sich die Mitglieder einer protestantischen
Konfession in jenen Ländern, welche von anders-
terna zieht der Staat nach Maßgabe des staat-= gläubigen Fürsten regiert werden, noch angelegent-
lichen Interesses selbst. Dieses System wurde licher um eine erweiterte Selbstregierung bemühen,
dann in Verbindung gesetzt mit dem Kollegial= ist selbstverständlich. Es liegt dafür ein praktisches
system. Bedürfnis vor. Auch hier folgt die Theorie nach
3. Das Kollegialsystem faßt die An- und sucht Gründe dafür, daß der Landesregierung,
hänger eines und desselben Glaubens in einem deren Inhaber einer andern Konfession angehört,
größeren oder kleineren Territorium als Genossen= nicht so viel Rechte zustehen dürfen als derjenigen
schaft oder Kollegium auf, das zur Befriedigung der gleichen Konfession. Doch ist auch hier die
derselben religiösen Bedürfnisse sich gebildet hat. Theorie nicht immer glücklich (vogl. z. B. Richter-
Es betrachtet den Staat nicht als absoluten Herrn Dove-Kahl, Lehrbuch des kath. und evang. Kirchen-
der genossenschaftlichen Rechte, so daß ihm die rechtss 503 ff).
unumschränkte Leitung der Genossenschaft zukäme; Nach den neueren Rechtstheorien leitet sich alles
es erkennt ihm nur ein gewisses Aufsichtsrecht zu, Recht entweder vom Staat ausschließlich ab, oder
reserviert aber dem Kollegium im übrigen das es kommt wenigstens nicht ohne wesentliche Mit-
Selbstbestimmungsrecht. Diese Theorie beschränkt wirkung des Staates zustande. Durch die An-
also in nicht unwesentlichen Punkten die landes= nahme dieser Theorien seitens der protestantischen
herrliche Kirchengewalt und tritt ihr zugunsten Kirchenrechtslehrer sind die angeführten drei Sy-
des demokratischen Prinzips feindlich entgegen. steme überflüssig geworden, um die Abhängigkeit
Doch konnite sie trotz ihrer zahlreichen Verteidiger des innern und äußern Rechts der protestantischen
an den tatsächlichen Zuständen, die sich seit der Konfessionen vom Staate und dem Staatsober=
Reformation eingelebt hatten, nichts ändern; sie haupte darzutun.
war „nicht imstande, das in der Praxis befolgte Literatur. J. H. Boehmer, lus cccles. Pro-
Territorialsystem irgendwie zu erschüttern" (Fried- testantium (5 Bde, Halle 1714/37 u. ö.); Mejer-
berg). Es stellte sich vielmehr auch hier das Be- Sehling in der Real-Enzyklopädie für protest.
dürfnis heraus, die Theorie den Tatsachen anzu- Theol. u. Kirche, 3. Aufl., hrsg. von Herzog-Hauck;
bequemen. Das tat der Tübinger Jurist Pfaff Art. Episkopalsystem, Kollegialismus, Territoria-
in seinem Werke Origines iuris ecclesiastici lismus; die Lehrbücher von Richter-Dove-Kahl,
und den später herausgegebenen Akademischen Friedberg, Schulte, Walter-Gerlac, nirring) uf.
Reden. Er erklärte auf der Grundlage der Kolle- Giederlack 8. J.
gialtheorie die Tatsache der uneingeschränkten
landesherrlichen Kirchengewalt durch die seitens
der Gemeinden stattgehabte Übertragung ihres
Selbstbestimmungsrechts an die Landesherren.
So harmonierten nun allerdings Theorie und
Praxis wieder.
Zeigte sich die Kollegialtheorie auch unwirksam
gegenüber dem Prinzip von der landesherrlichen
Kirchengewalt, so war sie doch von großer Be-
deutung für die Verfassung der protestantischen
Landeskirchen unter der obersten Leitung der
Territorialherren. Diese übten und üben ihre
Gewaltaus durch die Konsistorien. Nun trug
Kirchengut. LBegriff und Einteilung; Not-
wendigkeit; Verwaltung; Verwendung; Eigen-
tümer. Über Erwerb und Veräußerung s. d. Art.
Hand, tote.)
I. Begriff und Einteilung. Unter Kirchen-
gut versteht man das zeitliche Vermögen, welches
sich im Eigentum der Kirche befindet. Nicht
der fromme, dem kirchlichen Wirkungskreise an-
gehörende Zweck, zu dem das Gut zu verwen-
den ist, macht es allein schon zum Kirchengut im
eigentlichen Sinne, sondern erst der Umstand, daß
die Kirche sein Eigentumssubjekt ist. Wohl gilt
als unumstößliche Regel, daß das Kirchengut mit-