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Kirchengut nur zu religiösen und wohltätigen,
d. h. zu kirchlichen Zwecken zu verwenden ist. So-
lange das Diözesanvermögen eine Masse bildete,
wurden die Oblationen und die Erträgnisse der
liegenden Güter gewöhnlich in vier Teile geteilt;
der eine kam dem Bischof zu, der andere diente
zum Unterhalt des Klerus, der dritte wurde zu
gottesdienstlichen Zwecken, der vierte als Almosen
für Arme verwendet (can. 26, 27, 28, 30 C. XII
d. 2). In Spanien stand die Dreiteilung im
Gebrauche, indem man dem Bischof und dem
Klerus die Sorge für die Armen überließ (can. 7
der ersten Synode von Braga im Jahre 563;
vgl. can. 10 C. X d. 1, can. 1½3 C. X d. 3).
Mit der getrennten Verwaltung der einzelnen
Teile des Diözesanvermögens mußte dieses
aufhören. Jetzt gilt als Regel, daß die Erträg-
nisse des Pfründenvermögens zum Unterhalt des
jeweiligen Inhabers der Pfründe dienen, die
Früchte des Fabrikvermögens zur Feier des
Gottesdienstes, zur Erhaltung und Verschönerung
der Kirche; das Vermögen kirchlicher Korpora-
tionen ist für die Bedürfnisse dieser und ihrer
Gotteshäuser zu verwenden; die Verwendung des
Eigentums kirchlicher Unterrichts= und Wohltätig-
keitsanstalten ist mit ihrem Zweck gegeben. Be-
merkenswert ist noch die jedem Pfründeninhaber
obliegende Pflicht, das nach Abzug des standes-
gemäßen Unterhaltes etwa noch übrig bleibende
Pfründeneinkommen zu kirchlichen Zwecken zu
verwenden. Die nähere Bestimmung und Wahl
dieses Zweckes bleibt jedem Pfründeninhaber über-
lassen, ebenso die Art und Weise des Uberlassens,
ob z. B. durch letztwillige Anordnung oder durch
Schenkung bei Lebzeiten.
V. Eigentumssubjekt. Die wissenschaftliche
Untersuchung, wer als Eigentümer des Kirchen-
gutes zu gelten habe, wurde in früheren Jahr-
hunderten nicht geradezu vernachlässigt, mit be-
sonderer Aufmerksamkeit jedoch erst in der neueren
Zeit behandelt, wo die Säkularisierungen und die
staatliche Einmischung in die Verwaltung zur
Lösung dieser Frage drängten. Im Laufe der
Zeit traten hauptsächlich folgende Meinungen her-
vor: 1. Eigentümer des Kirchengutes ist die
Kirchengemeinde oder Parochie, zu der das-
selbe gehört und zu deren Nutzen dasselbe ver-
wendet wird. Diese Ansicht findet sich bei Sarpi,
dem Böhmer folgt, dann bei Savigny u. a.
Anklänge an dieselbe trifft man auch bei älteren
Autoren insofern, als diese die Kirchengemeinde
wenigstens für die Rechtsträgerin des der Kirche
gehörigen Fabrikgutes halten. Auf dieser Theorie
fußt das preußische Allgemeine Landrecht sowie
das preußische „Gesetz über die Vermögensverwal-
tung in den katholischen Kirchengemeinden“ vom
20. Juni 1875, insoweit es der Pfarrgemeinde
das Verwaltungsrecht des sämtlichen zu ihr ge-
hörenden Kirchenvermögens beilegt. Diese Ansicht
ist jedoch als unbegründet zurückzuweisen. Denn
a) wie sollte die Kirche, die das Laienelement von
Kirchengut.
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der Verwaltung des Kirchengutes ausschließt, es
zum Eigentumsträger desselben gemacht haben?
Und gesetzt, es wäre die aus Laien bestehende
Kirchengemeinde Rechtsträgerin des Kirchengutes,
wie könnte die Kirche sie von der selbständigen
Teilnahme an der Verwaltung desselben ganz
ausschließen? b) In einer und derselben Kirchen-
gemeinde befinden sich sehr oft verschiedene kirch-
liche Institute. Sie sind voneinander ebenso un-
abhängig und schließen Rechtsgeschäfte unterein-
ander ebenso ab wie die Institute verschiedener
Parochien. Die einzelnen Institute der eigenen
Kirchengemeinde stehen also dieser gegenüber ge-
rade so da wie auswärtigen Kirchengemeinden.
Es liegt demnach gar kein Grund vor zu be-
haupten, die einzelne Kirchengemeinde sei die
Eigentumsträgerin des kirchlichen Vermögens.
IP) Schreibt man der Kirchengemeinde das Eigen-
tumsrecht zu, so ist das sämtliche zur Gemeinde
gehörige Gut Korporationsgut. Nun bedarf es
aber einer besondern Aufnahme in eine Kirchen-
gemeinde nach dem kanonischen Recht gar nicht. Es
kann sich jeder Gläubige niederlassen, wo er will;
er kann ein Domizil oder Quasidomizil erwerben.
Demnach müßte sich jeder nach freier Wahl in
den Mitgenuß des Korporationsvermögens setzen
können, da man doch sonst nach dem Kirchenrecht,
nach den Staatsgesetzen und nach der natürlichen
Anschauung Mitglied einer Korporation und zum
Mitgenuß eines Korporationsvermögens berechtigt
wird nur durch Aufnahme in die Korporation oder
durch die seitens der rechtmäßigen Obrigkeit er-
folgte Einsetzung. d) Damit hängt zusammen,
daß sich im Kirchenrecht keine Spur findet für die
Annahme, es komme einer Pfarrgemeinde der
Charakter einer juristischen Person zu.
2. Nach dem Gesagten bedarf die Ansicht, nach
welcher der bürgerlichen Gemeinde ein
Eigentumsrecht an den Kirchengütern zukäme,
keiner besondern Widerlegung mehr. Wie sollte
die Kirche der bürgerlichen Gemeinde, die nicht
nur aus Laien besteht, sondern zu der auch Irr-
und Ungläubige gehören können, die zudem als
Gemeinde von der Kirche unabhängig ist und als
solche außer ihr steht, Eigentumsrechte verleihen
an dem zu kirchlichen Zwecken dienenden Gute?
Lediglich dann, wenn man das gesamte Kirchen-
gut für staatliches Zweckvermögen ansieht, kann
man zu der Meinung kommen, es gehöre das in
einer bürgerlichen Gemeinde als einem Teile des
Staates befindliche Kirchengut der bürgerlichen
Gemeinde als Zweckvermögen.
3. Die Theorie, welche die Armen und Hilfs-
bedürftigen als Eigentümer wenigstens eines Teiles
vom Kirchenvermögen ansieht, beruht auf einer
zweifelsohne falschen Auffassung der Ausdrücke,
mit denen das Kirchengut in älteren und neueren
Rechtsquellen bezeichnet wird. Es wird öfters
patrimonium oder peculium pauperum ge-
nannt zur Einschärfung der Pflicht, am Genusse
desselben auch die Armen und Hilfsbedürftigen