Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Kirchengut. 
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teilnehmen zu lassen. Daß in diesen Ausdrücken sondern zur Erreichung besonderer kirchlicher Ziele 
keine Bezeichnung des Eigentumssubjektes liegen bestimmten Zweckvermögens. Die Kirche ist nach 
kann, folgt schon daraus, daß das Kirchenrecht? 
gar keine bestimmten Armen angibt, denen die 
Erträgnisse des Kirchengutes zufließen sollen, 
sondern nur die Wohltätigkeit im allgemeinen be- 
ehlt. 
4. Ebenso sind im uneigentlichen Sinne zu 
nehmen die sehr oft vorkommenden Ausdrücke, 
mit denen das Kirchenvermögen im allgemeinen 
als bona Dei, res Dei, patrimonium oder pe- 
culium Christi bezeichnet wird, das Vermögen 
einer einzelnen Kirche wohl auch als Eigentum 
des himmlischen Patrones der betreffenden 
Kirche. Manche Kanonisten wollen allerdings 
diese Ausdrücke vom Rechtsträger verstehen (ovgl. 
Reiffenstuel 1. 3 Decretal. tit. 25, n. 48), in- 
dem sie meinen, es komme Gott nicht nur jene 
Herrschaft über das Kirchengut zu, welche er als 
Schöpfer und Erhalter aller Dinge besitzt, sondern 
eben das Eigentumsrecht, das an den sonstigen 
zeitlichen Gütern die Menschen haben. Das 
Kirchenvermögen hat nach dieser Theorie keinen 
irdischen Eigentumsträger, die Kirche ist nur 
Nutznießerin und Verwalterin desselben. Indessen 
a) lassen sich die angeführten Benennungen auch 
anders erklären. Sie sollen nicht Antwort geben 
auf die wissenschaftliche Frage nach dem Eigen- 
tumsträger des kirchlichen Vermögens (die Frage 
war gar nicht gestellt); sie sollen vielmehr dienen 
zur Bestimmung des Zweckes desselben sowie 
zur Charakterisierung des Kirchengutes als hei- 
ligen, zu gottesdienstlichen und frommen Zwecken 
zu verwendenden Gutes und der Verletzung des- 
selben als eines Gottesraubes. b) Es müssen die 
genannten Ausdrücke im uneigentlichen Sinne ge- 
nommen werden, da die kirchlichen Rechtsquellen 
unzweideutig den menschlichen Rechtsträger des 
Kirchengutes angeben und auch die Anschauung 
von Gott als dem alleinigen Rechtsträger eines 
zeitlichen Gutes als juristisches Unding zu ver- 
werfen ist. 
5. Die ohne Zweifel richtige Ansicht unter- 
scheidet zwischen einem unmittelbaren oder nächsten 
und mittelbaren oder entfernteren Eigentums- 
träger. Die einzelnen kirchlichen Institute sind 
als juristische Personen die unmittelbaren Rechts- 
subjekte; die Gesamtkirche ist gleichfalls als 
juristische Person das entferntere, aber hauptsäch- 
liche Eigentumssubjekt des gesamten kirchlichen 
Vermögens. Nach dieser, wie gesagt, richtigen 
Theorie befindet sich a) alles Kirchengut im Be- 
sitze der katholischen Kirche als eines großen, 
weltumspannenden Organismus; b) von der ka- 
tholischen Kirche sind die einzelnen kirchlichen In- 
stitute als juristische Personen legitimiert; c) das 
kirchliche Vermögen ist hauptsächlich durch Schen- 
kungen verschiedener Art erworben, und da diese 
gewöhnlich zu bestimmten Zwecken gemacht wurden, 
trägt das kirchliche Vermögen den Charakter eines 
nicht nur zu kirchlichen Zwecken im allgemeinen, 
  
katholischer Lehre als eine organisch gegliederte 
Gesellschaft von Christus gegründet mit verschie- 
denen Pflichten und Rechten. Zu diesen letzteren 
gehört das Recht, als Einheit und darum als 
juristische Person zeitliches Vermögen zu erwerben 
und zur Erreichung besonderer Ziele eigene juri- 
stische Personen zu schaffen. In dieser Hinsicht 
hat die Kirche gleiche Rechte wie der Staat. — 
Daß die einzelnen kirchlichen Institute juristische 
Personen und als solche die unmittelbaren Eigen- 
tümer des ihren Zwecken dienenden Vermögens 
sind, ergibt sich a) aus der Sprache der kirchlichen 
Rechtsquellen. Alle Ausdrücke, mit denen man 
gemeiniglich das Eigentumsrecht wiederzugeben 
pflegt, finden sich vom Vermögen der einzelnen 
kirchlichen Institute gebraucht. Belegstellen hier- 
für bringt Schulte (System 487 ff) aus den kirch- 
lichen und weltlichen Rechtsquellen. b) Dasselbe 
folgt auch aus der Praxis der Institute, aus ihrem 
rechtlichen Verhältnisse zueinander sowie zu andern 
physischen und juristischen Personen. Das einzelne 
Institut erwirbt und verliert, klagt und wird ver- 
klagt, schließt Rechtsgeschäfte ab wie jede andere 
physische oder juristische Person. 
Es muß aber auch die Gesamtkirche als 
hauptsächliche Trägerin des Vermögens aller ein- 
zelnen kirchlichen Institute angesehen werden. Die 
zwischen dem entfernteren und näheren, dem haupt- 
und dem nebensächlichen Eigentümer unterschei- 
dende Anschauung ist nicht neu. Schmalzgrueber 
bezeichnet sie als sententia communis. Sie 
findet sich auch in nicht wenigen kirchlichen Doku- 
menten, denen man eine vorzügliche Autorität 
nicht absprechen kann, ausgedrückt und verwertet, 
so z. B. in der „Denkschrift der im Oktober 1850 
zu Freising versammelten Erzbischöfe und Bischöfe 
Bayerns an den König Max von Bayern“ (Coll. 
Lac. V 1185): 
„Die Kirche ist nach ihrem innersten, von Gott 
herstammenden Wesen ein Ganzes; sie ist, wie es 
das Apostolische Glaubensbekenntnis ausspricht, 
notwendig eine und bildet in unzertrennlicher Ver- 
bindung mit ihrem unsichtbaren Haupte, Jesus 
Christus, unter seinem Stellvertreter auf Erden 
eine moralische Person, einen mystischen Leib, der 
alle Gläubigen als Glieder in sich begreift, welche, 
wenn sie auch unter dem Einfluß der das Ganze 
umfassenden und in der Einheit erhaltenden kirch- 
lichen Gewalt sich in gesonderte Gemeinden abteilen, 
auch in dieser Sonderstellung Teile des einen Lei- 
bes bleiben, der ein unzertrennbarer Organismus 
ist, nicht ein Aggregat selbständiger korporativer 
Vereinigungen. Diesen ihren Grundcharakter der 
Einheit hat die Kirche auch in Hinsicht auf ihr 
zeitliches Gut immer festgehalten und sich in ihrer 
Gesamtheit als ein Ganzes, als eine moralische 
Person für das Subjekt des Eigentums des ge- 
samten Kirchengutes betrachtet und auf diesen 
Grundsatz ihre hierher bezügliche Gesetzgebung 
aufgebaut. Insofern nun dieses ihr Eigentum die 
Bestimmung hat, ihr als Gesamtheit zur Erfüllung
	        
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