179
ihrer Bedürfnisse zu dienen, ist sie auch als solche
sowohl Eigentümerin als auch alleinige Nutz-
nießerin desselben. Wenn daher auch die einzelnen
Teile dieses allgemeinen Kirchengutes für bestimmte
kirchliche Zwecke oder für bestimmte Teile des großen,
organisch gegliederten Ganzen gewidmet sind und
für die besondern kirchlichen Bedürfnisse der ein-
zelnen Teile verwendet werden müssen, haftet doch
an allem diesem partikularen Kirchenvermögen die
Eigenschaft des der einen Kirche als Gesamtheit zu-
stehenden und nur zu ihrem Nutzen zu gebrauchen-
den Kirchengutes.“
Diese Ansicht stützt sich vornehmlich auf folgende
Gründe:
a) Wie das kirchlichen Zwecken dienende Ver-
mögen einem bestimmten Institut eigen und an-
gehörig genannt wird, ebenso wird es auch der
Kirche eigen genannt. Unter der Kirche schlechthin
läßt sich aber nicht ein einzelnes kirchliches Insti-
tut, auch nicht die Gemeinschaft der Gläubigen
eines bestimmten Landes, sondern nur die Ge-
samtkirche verstehen. Auch das Vermögen einer
Armenstiftung, eines der Kirche gehörigen Spitals
heißt Kirchengut in gleicher Weise wie das Fabrik-
vermögen. Es kann nur so heißen von seiner Eigen-
tümerin, der Kirche. Wie man unter Staatsgut,
Provinz-, Gemeindevermögen nicht jenes versteht,
das unter der Verwaltung des Staates, der Pro-
vinz oder Gemeinde steht oder vom Staate dazu
legitimierten Körperschaften oder Instituten an-
gehört, sondern lediglich jenes, das ein Eigentum
des Staates, der Provinz oder Gemeinde bildet:
so kann „Kirchengut“ eben nur jenes Vermögen
bezeichnen, das der Kirche angehört und ihr Eigen-
tum bildet. Die Kirche ist aber eben die uni-
verselle, die Gesamtkirche.
b) Wie bemerkt wurde, kommt der Kirche als
Gesamtheit der Charakter einer juristischen Person
zu, welche, wie andere, ihrem Gegenstande nach
geistliche Rechte, so das Recht, zeitliche Güter zu
erwerben und zu besitzen, überall ausüben kann.
Was ist demnach mehr sachgemäß und natürlich,
als daß sie in den einzelnen Ländern, in denen
sich ihre Gläubigen finden, zu deren Gunsten von
diesem Recht Gebrauch macht und in Abhängig-
keit von ihr einzelne Institute als die unmittel-
baren Rechtsträger des partikularen Gutes ins
Leben ruft?
c) Das größte Gewicht für die Entscheidung
der in Rede stehenden Frage kommt ohne Zweifel
den kompetenten kirchlichen Autoritäten selbst zu.
Nun lassen sich aber vorzüglich aus der neueren
Zeit, in welcher unsere Frage ja erst brennend
wurde, eine große Menge von Zeugnissen zu
Gunsten der Ansicht von der Kirche schlechthin als
Eigentümerin des gesamten Kirchengutes anführen,
die an Klarheit nichts zu wünschen übrig lassen.
Ee sei hier verwiesen auf die „Denkschrift der im
Jahre 1848 zu Würzburg versammelten Erz-
bischöfe und Bischöfe Deutschlands“ (Coll. Lac.
V1137); „Denkschrift der vereinigten Erzbischöfe
und Bischöfe der oberrheinischen Kirchenprovinz
Kirchenpolitik, preußische.
180
vom Jahre 1851“ (OColl. Lac. V 1214); „Mit-
teilung der im Jahre 1849 zu Wien versam-
melten Erzbischöfe und Bischöfe Osterreichs an
das k. k. Ministerium des Innern“ (Coll. Lac.
V 1354); Acta et decreta conc. plenariü
Baltimorensis III, ann. 1884, n. 264.
Do die Kirche nicht aus den Vorgesetzten allein
und nicht aus den Untergebenen allein, sondern
aus Vorgesetzten und Untergebenen besteht, so ist es
nicht genau, wenn man sagt, die Gesamtheit der
Bischöfe mit dem Papste oder gar der Aposto-
lische Stuhl sei der mittelbare und oberste Rechts-
träger des gesamten Kirchengutes. Doch kommt
den Vorstehern der Kirche, wie die höchste Juris-
diktion in geistlichen Dingen, so auch das oberste
Verwaltungs= und Verfügungsrecht über das
Kirchenvermögen zu.
Literatur. Mamachi, Del diritto libero della
chiesa di acquistare e di possedere beni tempo-
rali (1769); Braun, Das kirchliche Vermögen von
der ältesten Zeit bis auf Justinian 1. (1860);
Wernz, Lus decretalium III 154 ff; die Lehrbücher
von Aichner, Phillips, Walter, Vering, Schulte
(System des Kirchenrechts; Lehrbuch des Kirchen-
rechts; kleinere Schriften), Laemmer, Silbernagl,
Hergenröther, Sägmüller usw.
(Biederlack S. J.)
Kirchenpolitik, preußische. 1. Gegen-
ühber der Katholischen Kirche. In keinem
Staate ist der traditionelle Charakter der Kirchen-
politik so klar erkennbar und so sicher nachweisbar
wie in Preußen. Und zwar sind die UÜberliefe-
rungen der preußischen Kirchenpolitik ausgeprägt
staatskirchliche. Die Kurfürsten von Brandenburg
vollzogen verhältnismäßig spät ihren Anschluß an
die „Reformation“. Als Joachim II. im Jahre
1539 derselben sich zuwandte, waren bereits die
fränkische und die preußische Linie der Dynastie
sowie Schlesien, Magdeburg, Braunschweig, An-
halt, Pommern, der eine Herzog von Mecklenburg
und die Mehrzahl der welfischen Fürsten prote-
stantisch geworden. Politische Gesichtspunkte
kamen bei dem Glaubenswechsel wesentlich in Be-
tracht. „Nur unter schweren Kämpfen“, sagt
Lehmann in den Publikationen aus den königlich
preußischen Staatsarchiven, „hätte sich Branden-
burg inmitten einer andersgläubigen Welt be-
haupten können.“ Für die Machtstellung der
brandenburgisch = preußischen Regenten war die
Sakularisation der Bistümer Brandenburg,
Havelberg, Lebus, der reichsunmittelbaren Bis-
tümer Magdeburg und Halberstadt sowie des
Deutschordenslandes Preußen von der größten
Bedeutung.
In zahlreichen Kundgebungen der Kurfürsten
wie der ersten Könige tritt die Abneigung gegen
den Katholizismus scharf hervor. Johann
Sigismund rühmt sich in seinem Glaubens-
bekenntnisse, im „geliebten Vaterlande Kur= und
Mark Brandenburg abgetan zu haben, was noch
etwa von papistischer Superstition in Kirchen und
Schulen übrig verblieben“. Kurfürst Friedrich