181 Kirchenpolitik, preußische. 182
Wilhelm (der Große Kurfürst) drückt in seinem Gedanken von den religiösen Intentionen des
politischen Testamente den Wunsch aus, daß in Kurfürsten erwecken, ihn wohl gar um den Bei-
der Kur Brandenburg und Pommern der Höchste stand der evangelischen Mächte bringen könnten,
es „bis an den jüngsten Tag beständig dabei ver= und dieser sei ihm doch sehr wichtig, wogegen „ihm
bleiben lassen möge“, daß die Römisch-Katholischen wenig daran gelegen, was man in Rom über diese
das Recht der Religionsübung nicht erhielten, Sache für Sentimente habe“.
„auf daß solche Abgötterei und Greuel von den Sowohl der Große Kurfürst als König Fried-
Nachkommen niemals möge gesehen werden“. rich I. erklärten anderseits in ihren politischen
Friedrich Wilhelm trat überall als der Beschützer Testamenten ausdrücklich, daß der Besitzstand der
des Protestantismus auf, so daß er nach seinem Katholiken nicht angetastet werden solle. „Wir
Tode in Litauen als defensor fidei gefeiert wollen und verordnen, daß auch Unsere Unter-
wurde. Die Aufhebung des Ediktes von Nantes tanen, so der römisch-katholischen Religion zu-
beantwortete er mit Repressivmaßregeln gegen die getan, an denen Orten und Enden in Unsern
unter seinem Zepter wohnenden Katholiken. Unter Landen, woselbst jetzt besagte Religion vermöge
seiner Regierung kam der Westfälische Friede zu= instrumenti pacis und anderer aufgerichteter
stande, welcher das ius reformandi der Fürsten Akkorden, Erbverträge und Pakten üblich und im
ausdrücklich anerkannte und nur durch die Fest- Schwange, bei dem hergebrachten exercitio der-
stellung eines Normaljahres (1624) band. Schwer selben wie auch bei denen innehabenden Kirchen,
verständlich erscheint, wie hie und da Kurfürst Klöstern, Präbenden, Renten und Einkommen,
Friedrich Wilhelm bei seinen katholischen Zeit= nicht weniger als die Evangelischen bei den ihrigen,
genossen als der katholischen Kirche wohlgeneigt geschützet und dawider nichts Neuerliches und Ge-
hat gelten oder gar die Möglichkeit eines Uber= walttätiges vorgenommen werden solle.“ Auch
trittes desselben zum Katholizismus hat ins Auge König Friedrich Wilhelm I sagte in seiner
gefaßt werden können. Instruktion für die Erzieher des Kronprinzen, die
Kurfürst Friedrich III. (der spätere König katholische Religion sei zu tolerieren, soweit der
Friedrich I.) ermahnt in seinem politischen Testa= Westfälische Friede und der Wehlauer Vertrag es
mente vom Jahre 1698 seine Nachfolger, jeder= mit sich bringen, obwohl er den Katholizismus
zeit ihre Kräfte und Sorgfalt dahin anzuwenden, auf eine Linie mit den schädlichen und zu argem
daß die evangelische Religion im Römischen Reich Verderben abzielenden Irrungen und Sekten der
und sonst überall aufrecht erhalten, dem Papsttum Atheisten, Arianer und Socinianer stellte und
aber gesteuert und selbiges nicht wieder zu seinem seinem Sohne soviel als immer möglich Abscheu
vorigen Dominat gelassen werde. Das müsse ver= vor ihm beigebracht wissen wollte.
hindert werden, einmal zur Ehre Gottes, dann Tatsächlich gestaltete sich die brandenburgisch-
aber auch, so fügt er hinzu, „weil durch die Re- preußische Kirchenpolitik im einzelnen nach der
formation und die dabeie säkularisierten Fürsten= Verschiedenheit der Territorien sehr verschieden.
tümer und Lande die Macht Unseres Hauses merk= Rücksichten der innern und der äußern Politik,
lich angewachsen ist, und dannenhero, wenn der wirtschaftliche, militärische und fiskalische Er-
Papst wieder die Oberhand bekommen sollte, wägungen wirkten darauf ein. „Hier gänzliche
Unser Haus dabei notwendig an seiner Grandeur Ignorierung der römischen Kirche als Korpora-
ein großes Abnehmen würde erleiden müssen“. tion, dort staatliche Beschützung und Unterstützung
Bei den Bemühungen des Kurfürsten, die Königs= selbst gegen gerechte Ansprüche der Protestanten;
würde zu erlangen, leisteten ihm die Jesuiten= hier Verbot, dort Anerkennung bischöflicher Ge-
patres Wolff und Vota, der eine am Hofe zu richtsbarkeit; hier Untersagung des öffentlichen
Wien, der andere zu Warschau, die größten Gottesdienstes, dort engere oder weitere Duldung;
Dienste; nach Erreichung seines Zieles hat König hier Festhaltung eines Normaljahres, dort freieste
Friedrich I. selbst erklärt, daß er ohne Wolffs kirchliche Freizügigkeit; hier Aufrechterhaltung,
Beistand es schwerlich so weit gebracht haben dort Durchbrechung des Pfarrzwanges; hier Aus-
würde. Aus einer Denkschrift Votas geht hervor, weisung, dort Zulassung der Jesuiten.“ So kenn-
daß demselben bei seinen Bestrebungen auch das 1 zeichnet Lehmann die Religionspolitik des Großen
Ziel einer Wiedervereinigung Brandenburg= Kurfürsten, und diese Kennzeichnung trifft mehr
Preußens mit dem Papste vorschwebte; er dachte oder minder bei allen b s
sich die Möglichkeit einer solchen auf der dogma= Kurfürsten sowie bei den ersten Königen zu.
tischen Grundlage der vier ersten Jahrhunderte. Geleichzeitig macht aber überall der entschieden
Die Schritte, welche Bischof Zaluski von Ermland staatskirchliche Zug der brandenburgisch-
behufs Erlangung der Zustimmung des Papstes preußischen Kirchenpolitit sich geltend sowie das
zur Übernahme der Königswürde seitens des Kur- Bestreben, protestantische Auffassungen in die Be-
fürsten tat, waren ohne Erfolg geblieben, weil der handlung katholisch = kirchlicher Angelegenheiten
Kurfürst ablehnte, eine behufs Einleitung der hineinzutragen. Insbesondere nahmen sämtliche
Verhandlungen mit Rom ihm nahegelegte Erklä= Regenten bis auf Friedrich II., diesen eingeschlossen,
rung zu unterzeichnen. Es seien darin verschiedene den landesherrlichen Summepiskopat gegenüber
zweideutige Ausdrücke enthalten, welche seltsame der katholischen Kirche ebenso wie gegenüber der