295
nur zu Zwecken des Gewerbes und Verkehrs, des
häuslichen und geselligen Lebens dienenden Druck-
schriften sowie Stimmzettel. § 7. Zeitungen und
Zeitschriften, welche in monatlichen oder kürzeren
Fristen erscheinen (periodische Druckschriften), müs-
sen außerdem auf jeder Nummer den Namen und
Wohnort des verantwortlichen Redakteurs ent-
halten. § 9. Von jeder Nummer einer periodischen
Druckschrift muß der Verleger, sobald die Aus-
teilung oder Versendung beginnt, ein Exemplar
an die Polizeibehörde des Ausgabeorts gegen
eine ihm sofort zu erteilende Bescheinigung un-
entgeltlich abliefern. § 11. Der verantwortliche
Redakteur einer periodischen Druckschrift ist ver-
pflichtet, eine Berichtigung mitgeteilter Tatsachen
auf Verlangen einer beteiligten öffentlichen Be-
hörde oder Privatperson ohne Einschaltungen oder
Weglassungen aufzunehmen, sofern die Berichti-
gung von dem Einsender unterzeichnet ist, keinen
strafbaren Inhalt hat und sich auf tatsächliche An-
gaben beschränkt. 8 14. Ist gegen eine im Aus-
land erscheinende periodische Druckschrift binnen
Jahresfrist zweimal eine Verurteilung erfolgt, so
kann der Reichskanzler das Verbot der ferneren
Verbreitung derselben bis auf zwei Jahre durch
öffentliche Bekanntmachung aussprechen. 88 18
19. Die Verletzung dieser preßpolizeilichen Be-
stimmungen wird mit Geldstrafe bis zu 1000 M,
mit Haft oder Gefängnisstrafe bis zu sechs Mo-
naten bedroht. Dieselbe Strafe trifft den Ver-
leger einer periodischen Druckschrift auch dann,
wenn er wissentlich geschehen läßt, daß auf der-
selben eine Person fälschlich als Redakteur (sog.
Sitzredakteur oder Strohmann) benannt wird.
§ 20. Die Verantwortlichkeit für Handlungen,
deren Strafbarkeit durch den Inhalt einer Druck-
schrift begründet wird, bestimmt sich nach den
bestehenden allgemeinen Strafgesetzen. Bei perio-
dischen Druckschriften ist der verantwortliche Red-
akteur als Täter zu bestrafen, wenn nicht durch
besondere Umstände die Annahme einer Täter-
schaft ausgeschlossen wird. § 21. Begründet der
Inhalt einer Druckschrift den Tatbestand einer
strafbaren Handlung, so sind der verantwortliche
Redakteur, der Verleger, der Drucker und der
Verbreiter, soweit sie nicht als Täter oder Teil-
nehmer zu bestrafen sind, wegen Fahrlässigkeit
mit Geldstrafe bis zu 1000 M oder mit Haft
oder mit Festungshaft oder Gefängnis bis zu
einem Jahr zu belegen, wenn sie nicht die An-
wendung der pflichtgemäßen Sorgfalt oder Um-
stände nachweisen, welche diese Anwendung un-
möglich gemacht haben. Die Bestrafung bleibt
jedoch für jede der benannten Personen aus-
geschlossen, wenn sie als Verfasser oder Einsender
oder als einen der in obiger Reihenfolge vor ihr
benannten bis zur Verkündigung des ersten Urteils
eine Person nachweist, welche in dem Bereich der
richterlichen Gewalt eines Bundesstaats sich be-
findet. § 22. Alle Preßvergehen verjähren in
längstens sechs Monaten. 8 23. Eine Beschlag-
Presse usw.
296
nahme von Druckschriften ohne richterliche An-
ordnung, also durch die Staatsanwaltschaft oder
Polizei, findet nur statt, wenn den in diesem
Gesetz enthaltenen preßpolizeilichen Vorschriften
zuwidergehandelt wird, ferner wenn der Inhalt
einer Druckschrift den Tatbestand einer der in den
g8 85 (Aufforderung zu hochwverräterischen Unter-
nehmen), 95 (Beleidigungen des Kaisers und des
Landesherrn), 111 (Aufforderung zu strafbaren
Handlungen), 130 (öffentliches Anreizen von
Bevölkerungsklassen zu Gewalttätigkeiten gegen-
einander) oder 184 (Verbreitung von unzüchtigen
Schriften, Abbildungen oder Darstellungen) des
deutschen Strafgesetzbuchs mit Strafe bedrohten
Handlungen begründet; in den Fällen der §§ 111
und 130 jedoch nur dann, wenn dringende Gefahr
besteht, daß bei Verzögerung der Beschlagnahme
die Aufforderung oder Anreizung ein Verbrechen
oder Vergehen unmittelbar zur Folge haben werde.
§§ 24/28 geben nähere Bestimmungen über die
Behandlung der Beschlagnahme. 8 30. Vorbehalt-
lich der auf den Landesgesetzen beruhenden all-
gemeinen Gewerbesteuer findet eine besondere Be-
steuerung der Presse und der einzelnen Preßerzeug-
nisse (Zeitungs= und Kalenderstempel, Abgabe
von Inseraten usw.) nicht statt. § 31. Dieses Gesetz
tritt am 1. Juli 1874 in Kraft. Seine Einfüh-
rung in Elsaß-Lothringen bleibt einem besondern
Gesetz vorbehalten. Diese ist aber bis 1910 noch
nicht geschehen.
Die „allgemeinen Strafgesetze“, denen die Presse
nach § 20 unterworfen ist, finden sich im deut-
schen Strafgesetzbuch. Außer den schon er-
wähnten Paragraphen dieses Gesetzes bestimmt
§ 110: „Wer durch Verbreitung von Schriften
zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige
Verordnungen oder gegen die von der Obrigkeit
innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anord-
nungen auffordert, wird mit Geldstrafe bis zu
600 M oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren
bestraft“; § 131: „Wer erdichtete oder entstellte
Tatsachen, wissend, daß sie erdichtet oder entstellt
sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um da-
durch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der
Obrigkeit verächtlich zu machen, wird mit Geld-=
strafe bis zu 600 M oder mit Gefängnis bis zu
zwei Jahren bestraft.“ In Beziehung auf alle
diese Vergehen bestimmt § 41: „Wenn der Inhalt
einer Schrift, Abbildung oder Darstellung straf-
bar ist, so ist im Urteil auszusprechen, daß alle
Exemplare sowie die zu ihrer Herstellung be-
stimmten Platten und Formen unbrauchbar zu
machen sind.“ In neuerer Zeit ist zu diesen Be-
stimmungen noch § 360, 11 hinzugetreten, welcher
lautet: „Mit Geldstrafe bis zu 150 AM oder mit
Haft wird bestraft: 11) wer ungebührlicher-
weise ruhestörenden Lärm erregt oder wer groben
Unfug verübt"“, nachdem das Reichsgericht die
Entdeckung strebsamer Staatsanwälte, daß die
Verbreitung falscher Nachrichten durch die Presse,
auch wenn eine böse Absicht nicht vorliegt, sofern