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diplomen, Mitglieder der Akademie), ehemalige
Senatoren und Abgeordnete, die zwei Legislatur-
perioden mitgemacht haben u. a. sind von letzterer
Bedingung befreit. In beide Kammern nicht wähl-
bar sind alle Inhaber öffentlicher bezahlter Amter,
die zweiten Bürgermeister, die Advokaten des
Staats, Geistliche, Volksschullehrer (wohl aber die
Lehrer höherer Lehranstalten) usw. — Die Sitzun-
gen des Parlaments sind im allgemeinen öffent-
lich, doch können in bestimmten Fällen geheime
Sitzungen stattfinden. Jedes der beiden Häuser
hat das Recht, Gesetzesentwürfe einzubringen und
zu beraten, abzuändern und mit Zusätzen zu ver-
sehen; sie können an die Minister Anfragen und
Interpellationen richten, besondere Untersuchungs-
kommissionen einsetzen usp. Der Staatshaushalt
wird alljährlich von der Abgeordnetenkammer fest-
gesetzt, unterliegt aber nicht der Zustimmung des
Senats. Abgeordnete und Senatoren sind unver-
letzlich, außer wenn sie sich eines schweren Ver-
brechens schuldig gemacht haben, und können nur
mit vorausgehender Genehmigung des betreffenden
Hauses verfolgt werden. Die Mitglieder beider
Körperschaften erhalten für jeden Tag tatsächlicher
Anwesenheit eine Entschädigung von 20 Ler.
Die durch die Verfassung verbürgten Rechte
der Rumänen sind die Gleichheit aller Bürger vor
dem Gesetz, Aushebung aller Vorrechte, bürgerliche
Freiheit der Person und Schutz vor willkürlicher
Verhaftung, Unverletzlichkeit des Hausrechts und
des Eigentums, das nur im Interesse der Allge-
meinheit und gegen angemessene Entschädigung
enteignet werden darf, Freiheit des Gewissens und
freie Ausübung jedes Bekenntnisses, soweit sie die
bürgerliche Ordnung nicht beeinträchtigt, Freiheit
der Presse, der Versammlungen, des Unterrichts,
soweit dadurch das Interesse des Staats nicht be-
einträchtigt wird. Alle Fremden können die gleichen
öffentlichen und bürgerlichen Rechte erwerben, doch
ist die Erwerbung des Bürgerrechts an die Zu-
stimmung der gesetzgebenden Körperschaften ge-
bunden und erfolgt nur von Fall zu Fall (an Juden
äußerst selten); Liegenschaften auf dem Land dürfen
nur Rumänen besitzen und die Besiedlung des
Landes durch eine fremdstämmige Bevölkerung ist
untersagt.
Verfassungsänderungen können nur
auf Vorschlag der Legislative stattfinden, der allein
das Recht vorbehalten ist, die Notwendigkeit, ein-
zelne Bestimmungen zu ändern, auszusprechen.
Eine Revision selbst ist an sehr verwickelte Förm-
lichkeiten gebunden, so daß bis jetzt nur zwei Re-
visionen zustande gekommen sind (1879 u. 1884).
Die oberste Leitung der allgemeinen und poli-
tischen Verwaltungszangelegenheiten liegt in
den Händen eines Ministerrats. Die Zahl der
Minister beträgt neun: für Krieg, Inneres,
Außeres, Justiz. Finanzen, Unterricht, Domänen
und öffentliche Arbeiten, für Handel und Indu-
strie. Bisweilen ist ein Minister ohne Portefeuille
vorhanden, der dann Vorsitzender des Minister-
Rumänien.
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rats sein muß. Zu Ministern können nur Rumä-
nen von Geburt oder Naturalisation ernannt
werden, Mitglieder der königlichen Familie sind
ausgeschlossen; die Minister können vom Parla-
ment oder vom König zur Verantwortung gezogen
werden. Anklagen gegen einen Minister müssen
von mindestens zwei Dritteln der in der betreffen-
den Sitzung anwesenden Mitglieder der Körper-
schaft erhoben werden; die Rechtsprechung erfolgt
durch den Obergerichts= und Kassationshof in ge-
meinsamer Sitzung aller Sektionen. Die gegen
einen Minister erkannten Strafen kann der König
nicht ohne Zustimmung des Hauses, das die An-
klage erhoben hat, aufheben oder mindern. —
Für die untere Verwaltung ist Rumänien in 32 Be-
zirke eingeteilt; die Verwaltung der Bezirke liegt
in den Händen von Präfekten, die vom König auf
Vorschlag des Ministers des Innern ernannt
werden. In der Wahrnehmung seines Amts stehen
dem Präfekten eine Anzahl von Gemeindeinspek-
toren (Subpräfekten) zur Seite, welche die Ord-
nung in einer bestimmten Anzahl von Gemeinden
zu überwachen haben. Die innern besondern An-
gelegenheiten eines Bezirks (wie der Bau von
Wegen, Schulen, Krankenhäusern, Bewilligung
der Bezirksausgaben, Unterhaltung und Verbes-
serung von Bezirksanstalten) unterstehen der Lei-
tung eines Bezirksrats, dessen Mitglieder von den
Bewohnern des Bezirks in drei Klassen gewählt
werden. Für die Zeit, in der der Bezirksrat nicht
tagt, ordnet er aus seiner Mitte drei Mitglieder
als Bezirksausschuß ab, der als Beirat des Prä-
fekten dient und von diesem in bestimmten An-
gelegenheiten gehört werden muß. Die Gemein-
den (71 Städte und 2908 Landgemeinden) haben
in der Ordnung ihrer innern Angelegenheiten
große Selbständigkeit; der Staat kann nur als
Aufsichts= und Überwachungsorgan eingreifen.
Neuerrichtungen und Anderungen von Gemeinden
können nur durch Gesetz erfolgen. An der Spitze
der Gemeinde steht der vom Gemeinderat ge-
wählte Bürgermeister, der teils ausführender Be-
amter aller Beschlüsse des Gemeinderats teils
Vertreter der Zentralgewalt ist und als solcher die
Gesetze durchzuführen, Maßregeln für die öffent-
liche Sicherheit zu ergreifen hat usw., wobei ihm
ein oder zwei stellvertretende Bürgermeister zur
Seite stehen. Organ für die Selbstverwaltung der
Gemeinde ist der auf 4 Jahre von der Gemeinde
gewählte Gemeinderat (7—13 Mitglieder), der
in den Städten von zwei Wählerklassen gewählt
wird, während die Wähler der Landgemeinden
nur eine Klasse bilden. Die Beschlüsse der Land-
gemeinden und solcher Stadtgemeinden, die nicht
Residenzen sind, unterliegen der Bestätigung durch
den Bezirksrat, für die städtischen Residenzen der-
jenigen des Ministers des Innern; wichtigere
Verfügungen in Betreff der Gemeindeabgaben,
des Vermögens usw. bedürfen der Genehmigung
des Landesherrn, in bestimmten Fällen der des
Parlaments. — Die Organisation der Do-