Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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der spanischen Eroberung in vorgeschrittenere Halb- 
kulturvölker (besonders im Nordwesten) und in 
weniger zivilisierte Naturvölker (besonders im 
Südosten) zerfällt. Zu den Naturvölkern (etwa 
120 000 Köpfe) gehören die Stämme der Tula 
oder Cunag-Cuna und der Guaimi in Panama, 
der Talamanca im südlichen Costa Rica, der 
Guatuso im nördlichen Costa Rica, der Wulwa, 
Mossgquito usw. in Nicaragua, der Toaca, Paya, 
Leuka usw. in Honduras, der Lakandonen oder 
Karaiben in Guatemala, der Inselkaraiben im 
nördlichen Honduras und in Guatemala. Die 
halbzivilisierten Indianer, die noch immer den 
Weißen und selbst den Mischlingen feindselig 
gegenüber stehen, bilden in manchen Gegenden 
bis zu 9/10 der Bevölkerung. Die Zahl der La- 
dinos (d. h. der Mischlinge zwischen Weißen und 
Indianern) beträgt an 2 Millionen, die der Weißen 
über 1 Million (doch haben auch diese meist viel 
indianisches Blut aufgenommen), die der Neger, 
Mulatten und Zambos an ½ Million (besonders 
in Panama und Nicaragua). Die ausländischen 
Weißen (an 25000; etwa 1600 Deutsche, beson- 
ders in Guatemala und Costa Rica) sitzen nament- 
lich an der atlantischen Seite von Zentralamerika. 
Der Konfession nach gehört die Bevölkerung größten- 
teils äußerlich der katholischen Kirche an, die un- 
zivilisierten Indianer und die Neger sind meist 
Heiden. 
III. Wirtschaftliche Perhälknisse. Der wich- 
tigste Wirtschaftszweig in Zentralamerika ist der 
Ackerbau, dessen wichtigstes Produkt der Kaffee, 
der auch die früheren einheimischen Pflanzungen 
wie Indigo fast verdrängt hat. Der Kaffee steht 
in allen Staaten außer Honduras an erster Stelle 
der zur Ausfuhr gelangenden Erzeugnisse und die 
einseitige Bevorzugung dieses Produkts im Anbau 
hat beim Sinken der Kaffeepreise in einigen Staa- 
ten, besonders Guatemala, schwere wirtschaftliche 
Krisen hervorgerufen. Wichtig ist ferner die Zucht 
von Bananen (besonders auf der atlantischen 
Seite), der Anbau von Indigo, Fruchtbäumen 
(Kakao, Kokospalmen, Orangen, Zitronen, Ana- 
nas), Zuckerrohr, Mais, Reis, Tabak, Bucca, 
Bohnen, Baumwolle, Sisalagaven usw. Die 
Waldwirtschaft wird nirgends forstmäßig be- 
trieben, weshalb die Ausfuhr von Holz (Blau-, 
Mahagoni-, Zedern-, Rot-, Gelbholz usw.) trotz 
der großen Wälder, namentlich auf der atlanti- 
schen Seite, verhältnismäßig unbedeutend ist; 
andere wertvolle Waldprodukte sind Kautschuk, 
Sarsaparille, Kopaivabalsam, Kaugummi usw. 
Die Viehzucht tritt gegenüber dem Ackerbau zu- 
rück, liefert aber immerhin einige Werte für die 
Ausfuhr; die Fischerei bringt Schildpatt, Perlen 
und Schwämme. 
Aussichtsreich ist der hauptsächlich mit ameri- 
kanischem und europäischem Kapital betriebene 
Bergbau, besonders in Honduras, Salvador 
und Costa Rica (in allen Gold, Silber, Eisen, 
Zink, Kupfer usw.); doch liefern auch die übrigen 
Zentralamerika. 
  
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Staaten geringere Mengen von Edelmetallen für 
die Ausfuhr. Die Industrie ist noch wenig ent- 
wickelt; Haupterzeugnisse sind Zucker, Rum, Bier, 
Sodawasser, Kerzen, Zündhölzer, Tabak, Wachs- 
tuche, Wollen= und Baumwollwaren u. dgl.; die 
Hausindustrie der Indianer fertigt Wollenstoffe, 
Decken, Seile, Matten, Körbe, Strohhüte, Töpfer- 
waren, Waffen, Sandalen u. dgl. Handel und 
Verkehr spielen sich noch immer mehr auf der 
pazifischen Seite ab, die fruchtbarer und dichter 
bevölkert ist als die atlantische; die finanziellen 
Verhältnisse sind bei fast allen Staaten überaus 
zerrüttet und treiben einem amerikanischen Pro- 
tektorat zu; vgl. zu Handel, Verkehr und Finanzen 
die bei den einzelnen Staaten gegebenen Ziffern. 
IV. Staatswesen der einzelnen Republiken. 
1. Costa Rica. Nach der Verfassung vom 27. Dez. 
1871, abgeändert zuletzt 1905, ruht die gesetz- 
gebende Gewalt beim Congreso Constitu- 
cional, der aus (41) indirekt auf 4 Jahre ge- 
wählten Abgeordneten besteht; alle 2 Jahre tritt 
hälftige Erneuerung ein. Der Kongreß versam- 
melt sich jährlich am 1. Mai; die ordentliche Ses- 
sion dauert in der Regel 60 Tage, kann aber auf 
90 Tage verlängert werden; außerordentliche 
Tagungen können von der Exekutive angeordnet 
werden. Die Abgeordneten (je 1 auf 8000, oder 
einen Bruchteil von wenigstens 4000 Einwohnern 
eines Departements) werden von einer Asamblea 
electoral gewählt, deren Mitglieder (electores) 
vom Volk auf 4 Jahre gewählt werden (wahl- 
berechtigt sind alle Bürger, die sich selbst unter- 
halten können). Um Elector werden zu können, 
muß man Bürger von Costa Rica und 21 Jahre 
alt sein, lesen und schreiben können, ein Eigentum 
von 500 Pesos oder eine jährliche Rente von 
200 Pesos besitzen und in der wählenden Provinz 
seinen Wohnsitz haben; das Amt eines Wahl- 
manns, das angenommen werden muß, ist unver- 
einbar mit der Würde des Präsidenten der Re- 
publik, des Bischofs, der Staatssekretäre, der 
Nichter im höchsten Gerichtshof und der Gou- 
verneure. Diese Wahlmänner wählen außer den 
Abgeordneten zum Kongreß auch den Präsidenten 
und die Gemeindebeamten. Die Kongreßabgeord- 
neten müssen Costaricaner von Geburt oder Na- 
turalisation sein, die Eigenschaften eines Electors 
und mindestens 4 Jahre nach der Naturalisation 
im Land ihr Domizil haben; der Staatspräsident, 
die Staatssekretäre, die Mitglieder des obersten 
Gerichtshofs und die Gouverneure können nicht 
Abgeordnete sein. Die Abgeordneten genießen 
während der Dauer der Session die übliche Im- 
munität, dürfen aber von der Regierung kein 
Amt annehmen, ausgenommen die Stellung eines 
Staatssekrelärs oder diplomatischen Vertreters. 
Die Befugnisse des Kongresses sind unter an- 
derem: seine Sessionen zu eröffnen, schließen oder 
vertagen, die Akten der Wahl des Präsidenten zu 
eröffnen und die Wahl als betätigt zu erklären, 
wenn ein Kandidat die absolute Majorität der
	        
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