Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

er an den Fortbestand der Allianz und an eine letzte siegreiche Kraftanstren- 
gung gegen das einzig übriggebliebene „Bollwerk der Autokratie“", den 
„preußischen Militarismus“. Er ist jetzt viel an der Front, versucht die 
sich auflösende Zucht zu festigen und neuen Kampfwillen aufzurufen. 
Wird es ihm gelingen? Die besten Sachkenner Rußlands halten es für 
möglich, daß die russische Armee noch einmal schlägt, sind aber überzeugt, 
daß dann nur um so sicherer und schneller das russische Chaos herauf- 
geführt werden wird. 
Die unberechenbaren Verhältnisse an der Ostfront führten zur Revision 
des Kriegsplanes der westlichen Alliierten. Die Engländer und Franzosen 
waren sich nicht über die Frage einig: lohnt es sich, auf die Russen zu 
warten, oder nicht? Die Franzosen wollten gleich losschlagen, die Engländer 
erst, wenn die Russen bereit sein würden, ihren Teil der Generaloffensive 
zu leisten. Am 13. März 1917 hatte ein Kriegsrat in London zwischen 
Nivelle und Haig stattgefunden. Die Franzosen setzten ihren Standpunkt 
durch, wie Haeften am 3. April der Obersten Heeresleitung mitteilen 
konnte. Die Offensive in der Champagne wurde beschlossen. Anser Rückzug 
an der Ancre mag die Entscheidung zugunsten des französischen Planes 
gebracht haben. 
General Ludendorff hatte ursprünglich gezögert, die zur Erleichterung 
der Defensive erforderliche Verkürzung der Front vorzunehmen. Er be- 
sorgte eine Ermutigung des Feindes. Haeften hatte sich dem General gegen- 
über stark gemacht, über die neutralen Korrespondenten die Suggestion in 
das feindliche Ausland zu werfen: hinter einem deutschen Rückzug steckten 
unheimliche Pläne Hindenburgs. Haeften hatte sein Versprechen wahr ge- 
macht: Laut englischen Ouellen befürchtete der französische Generalstab, 
nachdem unser Rückzug tatsächlich geglückt war, eine reißende Offensive 
gegen Soissons. Den alliierten Heerführern wurde in der Offentlichkeit 
Mangel an Wachsamkeit vorgeworfen, weil sie Hindenburgs „Erfolg“ nicht 
verhindert hatten. 
Für die Offensive Nivelles wurde im voraus gewaltig die Trommel 
gerührt. Man übertrieb seine Erfolge bei Douaumont ins Sinnlose und 
pries ihn als neuen Napoleon. England beteiligte sich nur zum Teil an 
der Reklame. 
Der Streit über die strategische Grundfrage: Ist ein Sieg im Westen 
mit den vorhandenen Mitteln möglich? hatte in England vor dem Beginn 
der Offensive eine sensationelle Wendung genommen. Haig hatte den 
vöstlich“ gerichteten Skeptikern öffentlich Trotz geboten: „Sie fragen mich, 
ob wir die deutsche Front durchbrechen werden,“ so hatte er einem fran- 
zösischen Journalisten gesagt, „natürlich, und scharf, an vielen Stellen. 
101
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.