Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

geschlagenen Heilmittel ein verbrecherischer Leichtsinn gewesen, für den es 
in der englischen Geschichte keine Parallele gibt. 
Eines steht freilich fest: Amerika kann in diesem Jahre sein materielles 
Schwergewicht nicht in die Wagschale werfen; weder kann es England 
deblockieren, noch die 200000 Mann im Herbst bereitstellen, die Repington 
fordert. Die amerikanische Kriegsmaschine kommt mit ungeheurem Spek- 
takel in Gang, aber in sehr langsamem Tempo, da das amerikanische An- 
sehen es zu fordern scheint, nicht aus den Fehlern der Alliierten zu lernen, 
sondern eigene schlechte Erfahrungen zu machen. An dem Ernst des Kriegs- 
willens allerdings ist nicht zu zweifeln.? 
1 Lord Devenport kündigt am 25. April 1917 eine „Enthaltsamkeitspropaganda“ 
an mit Hilfe von Zeitungen, Schule und Kirche. Er fordert freiwillige Beschrän- 
kung des Brotverbrauchs auf vier Pfund die Woche; des Zuckerverbrauchs auf 
ein halbes Hfund die Woche. Die kämpfende Truppe wird nicht in ihren Rationen 
gekürzt, aber die Heeresleitung willigt in eine Herabsetzung der Ration für die 
70—100000 Mann, die außerhalb Englands mit Bureauarbeit und ähnlichem be- 
schäftigt sind. 
Die „Westminster Gazette“ fordert dagegen Zwangsmaßregeln: 
à) Verbot des Gebrauchs von Zerealien zur Herstellung von Getränken; 
b) allgemeine Streckung des Weizenmehls; 
c) Höchstpreise für Brot; 
d) Regierungskontrolle der Brotherstellung vom Korn bis zum fertigen Brot usw. 
Auch die „Times“ fordert Zwangsrationierung. 
Der Sachverständige Archibald Hurd verlangt, daß die Armee die Tausende 
von gelernten Schiffsarbeitern von der Front freigibt, damit sie für den beschleu- 
nigten Bau von Schiffen verfügbar werden. 
: „Manchester Guardian, History of the War“, VI. Band, S. 293, schreibt über 
die amerikanische Hilfe: 
1. Schiffe und Truppen waren nicht sofort verfügbar, wohl aber Finanzhilfe. Am 
11. April wird eine Sieben-Milliarden-Dollar-Anleihe aufgelegt, deren Ertrag einer 
britischen und französischen Mission förmlich übergeben wird zur Verteilung an die 
verschiedenen Alliierten. 
2. Die deutschen, in amerikanischen Häfen internierten Schiffe, deren Tonnage 
einer monatlichen Versenkung durch deutsche U. Boote gleichkam, werden den 
Alliierten zur Verfügung gestellt. Ferner wird ein Schiffsamt eingerichtet mit Voll- 
machten, neuen Schiffsraum zu bauen, zu kaufen, zu pachten. Der Bau soll „stan- 
dardisiert“ werden; zum Oktober werden die ersten Stapelläufe erwartet. 
3. Die allgemeine Wehrpflicht wird eingeführt, ohne das Zwischenstadium des 
Aufrufs von Freiwilligen. Für den Dienst außerhalb des Landes sollten zunächst 
nur diejenigen verwendet werden, die sich freiwillig meldeten, aber im Notfall konnte 
der Präsident auch zu Zwang greifen. 
4. Wilson versucht zunächst sämtliche noch neutralen Staaten durch sein Beispiel 
in den Krieg gegen Deutschland zu ziehen. Das gelang nur bei einigen und allmäh- 
lich; aber Amerika schloß sich den Maßnahmen Englands zur Unterdrückung des 
Handels der Neutralen mit Deutschland an und war womöglich noch rücksichtsloser 
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