Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Erstes Kapitel 
Meine Antwort auf den Brief Lansdownes 
Die für politische Aktionen fruchtbarste Periode setzte in jedem Jahre 
ein nach Abschluß der militärischen Kampagne. 
Die Russen hatten am 28. November 1917 um Waffenstillstandsver— 
handlungen nachgesucht. Am 2. Dezember endete unser Gegenstoß bei 
Cambrai, der den einzigen Erfolg der Engländer auf der Westfront wieder 
aufhob. Er überraschte nicht nur die englischen Offiziere (in ihren Pyjamas), 
sondern auch die Politiker: man rechnete in dieser Jahreszeit nicht mehr 
mit einer so großen Anternehmung an der Westfront. 
So kam es, daß sich am 29. November in England die größte politische 
Sensation seit Kriegsbeginn ereignen konnte. 
Der „Daily Telegraph“ brachte einen Brief Lord Lansdownes über 
den Frieden. Daß Lord Lansdowne heimlich mit den Anhängern des Ver- 
ständigungsfriedens spmpathisierte, war uns bereits durch Presseindis- 
kretionen bekannt geworden. Als vor genau einem Jahre Lloyd George 
das Kabinett Asquith stürzte, wurde unter den zu beseitigenden Gegnern 
der Knock-out-Holitik Lansdowne genannt: Anfang August 1917 hatte 
uns dann die Nachricht aus dem Haag erreicht: Man spreche in England 
ganz offen von einem Ministerium Asquith-Lansdowne als Alternative 
der Lloyd-George-Regierung. Gleichwohl wirkte die Offenheit und Ent- 
schiedenheit seines Auftretens verblüffend. 
Lord Lansdowne forderte die Revision der Kriegsziele, die die Alliierten 
am 10. Januar 1917 verkündet hatten. Er erwähnte Elsaß-Lothringen nicht 
und stellte die belgische Frage in den Vordergrund. Ahnlich wie es Grey 
und Asquith in den Jahren 1914/15 getan hatten: 
„Wir werden diesen Krieg nicht verlieren, aber seine Verlängerung bedeutet 
den Auin der zivilisierten Welt und eine unendliche Vermehrung der Bürde 
menschlichen Leidens, die jetzt schon auf ihr lastet. Sicherstellung wird einer Welt 
unschätzbar sein, welche noch die Lebenskraft hat, davon Vorteil zu ziehen; was 
für einen Wert werden aber die Segnungen des Friedens für Nationen haben, 
die so erschöpft sind, daß sie kaum die Hände ausstrecken können, um danach zu 
greifen? Es ist meine Überzeugung: wenn der Krieg noch rechtzeitig, um eine 
weltumspannende Katastrophe zu verhüten, zum Abschluß gebracht werden sollte, 
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