Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Lansdowne zu unterstützen; sie brauchte einen Führer und hat ihn gefunden 
Daß der Brief eine wirklich reale Bedeutung hat, daß er „Realpolitik“ ist, daran 
braucht man nicht zu zweifeln.“ 
Lord Loreburn urteilte: Lansdownes Brief habe die einzige Nevolution 
hervorgebracht, die, wie er vertraue, das Land jemals sehen würde, näm- 
lich eine Revolution der öffentlichen Meinung. 
Was wollte nun Lansdowne? 
Anser holländischer Gewährsmann schrieb: Das Ziel Lansdownes ist, 
daß ein deutscher Staatsmann ein ganz klares Wort über Belgien sagt. 
Dazu waren die Aussichten sehr gering. 
Die nachfolgenden Worte aus einer vertraulichen Aufzeichnung jener 
Tage, die mir zur Verfügung gestellt wurde, sind in ihrer Schärfe über- 
trieben, aber ich gebe sie wieder, um zu zeigen, wie die Passivität der 
Reichsleitung die Menschen damals zur Verbitterung und zur Ver- 
zweiflung trieb: 
Vorbedingung für jede moralische Offensive gegen den feindlichen 
Kriegswillen ist, daß das Auswärtige Amt wirklich davon überzeugt 
wird: 
„a) Die Beeinflussung der öffentlichen Meinung in Feindesland gehört 
zu dem Machtbereich der deutschen Dolitik. 
b) Gehört ferner zu ihren Dflichten, damit unser Krieg erleichtert und 
der feindliche erschwert wird. 
) Der Friede kann nicht zustande kommen, bevor das bessere Eng- 
land Lloyd George und seine Gesinnung gestürzt hat. 
Diese Forderungern sind unerfüllbar: da das Auswärtige Amt 
1. jede Hropaganda in Feindesland auf dem Wege öffentlicher Kund- 
gebungen als zwecklos ablehnt; 
2. die belgische Erklärung in keinem Falle, aus Rücksicht auf unsere 
öffentliche Meinung, abgeben will, da, wie es wörtlich hieß, über 
Friedensbedingungen nur von Regierung zu Regierung zu sprechen sei; 
3. den Sturz Lloyd Georges gar nicht als wünschenswert ansieht. Mit 
diesem versatilen Manne zu verhandeln, scheint gewissen Stellen so- 
gar Vorteile zu bieten. 
Da 
4. die Aufgabe der Diplomatie ausschließlich in der Liquidierung des 
Krieges, nicht aber in seiner Erleichterung gesehen wird. 
5. Eine moralische Offensive nur von Menschen eingeleitet werden kann, 
die, bei aller realpolitischen Verschlagenheit, auch in der Holitik starke 
sittliche Impulse haben. (Bismarck verfügte über diese Kombination.)“ 
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