Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

8. Unsere Feinde sind heute miteinander uneinig (wie lange noch?). Das 
Ziel unserer Politik muß sein, in einem Augenblick an den 
Verhandlungstisch zu treten, wo England und Amerika Ge— 
neigtheit zeigen, Frankreich mit seinem Anspruch auf Elsaß— 
Lothringen im Stich zu lassen. Das ist heute der Fall. 
Unsere voraussichtliche Position nach der Offensive? 
Hier muß klar definiert werden, welcher Art unsere militärischen Er— 
folge sind, die wir voraussetzen: 
Erste Möglichkeit: Wir schaffen eine Zwangslage für die Feinde, auf 
Grund deren wir ihnen den Frieden diktieren können. 
Diese Möglichkeit schalte ich aus. Sie könnte nur unter einer Bedingung 
wirklich werden, wenn unsere militärischen Erfolge begleitet würden von 
einem Zusammenbruch der englischen Heimatfront in revolutionärer Form, 
Deutschland aber von der revolutionären Bewegung verschont bliebe. 
Zweite Möglichkeit: Unsere Erfolge sind so gering, daß in Feindes- 
land Siegerstimmung einzieht. Sagen wir einmal, wir erreichen nicht mehr 
als die Engländer an der Somme oder wir bei Verdun — auch diese Mög- 
lichkeit schalte ich aus. 
Wir fassen allein die dritte Möglichkeit ins Auge. Wir erreichen 
ungefähr ebensoviel, wie wir in Italien erreicht haben, prachtvolle Schläge, 
Erbeutung einer großen Gefangenenzahl, enormen Kampfmaterials. Aber 
am Ende einen Stillstand, der es unseren Feinden ermöglichen würde, sich 
zu sammeln und, unter Haltung der Brückenköpfe Calais und St. Nazaire, 
den Feldzug zu fristen (Stegemann), bis Amerikas Hilfe da ist. Kämen 
beim Eintreten dieses Stillstandes Verhandlungen zuwege, wie würde 
dann unsere Situation am Verhandlungstisch sein? 
1. Unsere Kriegskarte ist besser, aber unsere militärische Kraft ist ge- 
ringer. 
2. Unser größter Trumpf, die kommende Offensive, ist ausgespielt. Man 
kennt lbeim Feinde] das Schlimmste und hat es ausgehalten. 
3. Es ist sehr wahrscheinlich, daß wir den einen oder anderen unserer 
Verbündeten verloren haben werden. Heute sind unsere Meinungsver- 
1 Hier bringt die Denkschrift eine Analyse des Kriegswillens und der Kriegs- 
ziele unserer Feinde, die fortgelassen wird, weil sie sich bereits aus dem Verlauf 
unserer Darstellung ergibt. 
2 Die militärische Situation, wie sie hier geschildert ist, und die politischen Ergeb. 
nisse, die daraus gefolgert werden, enthielten eine Fehlerquelle: es wurde nämlich 
niemals eine deutsche Niederlage im Felde in Rechnung gestellt, sondern nur der 
mpfang unseres Sieges diskutiert. 
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