mit weiser Kühnheit das Steuer herumwarf und den englisch-irischen
Frieden schloß. So glaube ich heute, daß er im gegebenen Augenblick
auch aus der Knock-out-Holitik herausgefunden und den Weg zu Ver-
handlungen eingeschlagen hätte. Diese Verhandlungen aber wären in
einem wichtigen Punkt anders gelaufen, als wir damals voraussahen.
England fühlte sich gebunden, Frankreichs Ansprüche zu unterstützen,
weniger durch Verträge, deren stillschweigende Voraussetzung ja immer die
günstige Kriegslage war, als durch die Waffenbrüderschaft. Wenn auch
die Abtretung Elsaß--Lothringens für ein unbesiegtes Deutschland außer
Frage stand, so hätte eine ernsthafte Konzession von unserer Seite er-
folgen müssen, sonst wären die Verhandlungen gescheitert. Der Gang
der Ereignisse hätte wahrscheinlich auf Abtretung der rein französischen
Teile Lothringens hbingedrängt. So wäre vielleicht die Rückgabe von
Metz an Frankreich gegen große koloniale Kompensationen das Opfer
geworden, das Deutschland im Jahre 1917 oder Frühjahr 1918 für den
Frieden Europas und die deutsch-französische Verständigung hätte
bringen müssen. Wie auch der rechte Kompromiß im einzelnen ausgesehen
hätte — keines falls glaube ich, daß die Verhandlungen zu Ende gegangen
wären, ohne zu einem Ergebnis zu führen. Nicht nur die Heimat hätte
die AUnterhändler auf dem Weg des Verständigungsfriedens vorwärts
getrieben, auch von der Armee wäre ein fühlbarer Druck ausgegangen.
Gewiß, die Soldaten hatten sich an unsägliches Leiden gewöhnt, wie an
etwas Alltägliches, sie kämpften und starben und fragten nicht warum;
doch nur solange, als der Friede nicht greifbar schien; im Augenblick aber,
wo verhandelt wurde, war der Bann des Krieges gebrochen und die Diplo-
maten auf beiden Seiten hätten übermächtige Impulse zu einer vernünf-
tigen Nachgiebigkeit gespürt.
Nachdem Amerika mit seiner Friedensaktion Schiffbruch gelitten hatte
und auf die Seite der Alliierten getreten war, konnte nur noch von Eng-
land oder Deutschland die Friedensinitiative ausgehen. Ich weiß, daß
ich einmal erwartete, die englische Regierung würde sich unter dem Ein-
fluß der Gemäßigten dazu entschließen, die große Weltheilung in Be-
wegung zu setzen. Ich gönnte Deutschland und nicht England diese Nolle
und sagte damals: dann gibt es eine Pax Britannica. Auch heute bin
ich überzeugt, daß dasjenige Land, das den Frieden der Versöhnung
herbeiführte, sich eine Weltgeltung erworben hätte, die an Landgewinn
nicht zu messen war. Es ist tragisch, daran zu denken, daß Deutschland an
der Schwelle der schöpferischen Tat gestanden hat. Die Feinde irren,
wenn sie sagen, unsere Heeresleitung hätte nie die öffentliche Erklärung
über Belgien zugelassen, solange unsere Waffen glücklich waren. Ich
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