Lager, ihre Adjutanten, ja einzelne Dolmetscher lindernd oder verschärfend auf
das Leben der ihnen unterstellten Gefangenen in geradezu erstaunlicher Weise zu
wirken vermögen und gewirkt haben. Diese Arbeitslast ist ungeheuer und die per-
sönliche Erregung infolge schlechter Nachrichten aus Feindesland, die vielleicht
Verwandte und Freunde gequält und schwer leidend schildern, kann eine große
Rolle spielen und eine beklagenswerte Wirkung ausüben.
Jedenfalls bleibt aber das eine: die Tendenz der Leitung ist unbedingt gut und
die Organisation bewundernswert. Auch die Auswahl der Kommandanten ist
fast durchweg sehr glücklich.
Trotzdem vermochte seit Anfang des Krieges die feindliche, namentlich die eng-
lische Hropaganda sich, auf Einzelfällen fußend, der Gefangenenfrage mit großem
Geschick zu bemächtigen und hat sie auf ihre Liste der „Cerman atrocities“ gesetzt.
Unsere passive und aktive Gegenwehr war nicht wirksam. Wir begegneten den An-
griffen nicht mit den Methoden, die auf die Psyche der einzelnen Länder eingingen.
Immerhin hatten die atrocities eine Zeitlang geringen Anklang, nachdem sie an-
fangs mit Gier aufgenommen worden waren und großen Haß erweckt hatten.
Neuerdings hat die englische Regierung ihre alte Methode wieder aufgegriffen
und gebraucht sie mit Erfolg zur Belebung des Kriegswillens. Wir müssen ihr
wirksam begegnen. Ich habe meine Gedanken über die besten Wege des Angriffs
und der Abwehr zu Papier bringen lassen und bitte Dich, meine Vorschläge von
Freiherrn v. Grünau, dem ich sie zugestellt habe, gütigst anzuhören. Ich habe sie
dem Reichskanzler und Generalmajor Friedrich ebenfalls zugeschickt.
Wenn wir die geeigneten Maßnahmen nicht treffen, geraten wir den Engländern
gegenüber ins Hintertreffen, zumal diese der privaten Hilfe, die sich unserer deut-
schen Gefangenen in loyaler Weise annimmt, Billigung und Unterstützung ge-
währen und dadurch einen starken Trumpf der allgemeinen Meinung gegenüber
geschaffen haben.
Vorschläge, die ich vor zwei Jahren gemacht habe, um etwas Ahnliches in
Deutschland zu schaffen, wurden als ungeeignet verworfen. And doch halte ich es
für dringend geboten, daß wir, wenn wir uns dereinst an den Berhandlungstisch
setzen, alle Atouts materieller nicht nur, sondern auch ethischer Art in der Hand
haben, da es gewiß ist, daß unsere Feinde auch diese Waffe gegen uns gebrauchen
werden und wir jedes Mittel ausnutzen sollten, ihnen die Maske . vom Gesicht
zu reißen.
Hierzu sollen auch meine bescheidenen Vorschläge dienen
Darauf erhielt ich am 15. Juli die Nachricht von Grünau:
„. Die Ausführungen und Vorschläge Eurer Hoheit zu der Gefangenenfrage
und der propagandistischen Auswertung unserer Gefangenenbehandlung haben
das Interesse des Kaisers lebhaft erregt, und ich konnte daher die Allerhöchste
Willensmeinung via Militärkabinett an das Kriegsministerium gelangen lassen,
desgleichen an das Auswärtige Amt. Auch der Herr Reichskanzler hat sich für die
Frage sehr interessiert und hat entsprechende Schritte getan. Ich hoffe, daß Euer
Hoheit damit einverstanden waren, daß die Sache von Seiner Majestät an das
Kriegsministerium geleitet wurde und so die Auffassung Seiner Majestät gleich
von Anfang an bekannt wurde.“
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