fassen, eine Erklärung der Bereitschaft, auf Wilsonsche Ideen einzugehen, oder
Ahnliches. Kommt es im Reichstag dazu, so geraten wir in die äußerste Gefahr,
denn dieser Beweis von Schwäche bei uns würde dem Kriegswillen der
Feinde einen solchen Auftriebgeben, daß darüber die vorhandenen friedens-
bereiten Strömungen völlig verschlungen würden und die Kriegsparteien ihren
gegen uns fechtenden Völkern weiter die größten Opfer zumuten könnten. Auf
unserer Seite dagegen wäre nach einem solchen Schwächeausbruch
eine moralische Wiederaufrichtung kaum noch denkbar.
Ich habe alle Verehrung für die Persönlichkeit und staatsmännische Hingabe
unseres greisen Reichskanzlers, aber ich fürchte, daß es ihm bei seinem hohen Alter
doch nicht gelingen könnte, wenn Panikstimmung unter den Abgeordneten zutage
tritt, der Lage Herr zu bleiben. Mit Rücksicht hierauf sehe ich keinen an-
deren Ausweg, als daß Ew. Exzellenz zu der Aufgabe, eine die
öffentliche Meinung beruhigende militärische Lage zu schaffen, auch
noch Schritte zur moralischen Wiederaufrichtung der Heimatfront
zu tun übernehmen. Das eine ist Ew. Exzellenz so gut möglich wie das
andere. Ich halte es nicht einmal für besonders schwer, den erschütterten Mut
des Volkes neu herzustellen, wenn nur die richtigen Mittel angewendet werden.
Dazu ist aber auf jeden Fall eins notwendig, daß die erforderlichen Maßnahmen
nicht von solchen politischen Persönlichkeiten getroffen werden, von denen jeder-
mann sieht, daß sie ihr früheres politisches System oder ihre Systemlosigkeit nur
darum verlassen, weil die Not oder der General Foch sie treiben. Damit wäre unser
Spiel hin. Es müssen große, entscheidende Schritte getan werden, um die gesunkene
Stimmung wieder in die Höhe zu reißen, den unbeugsamen nationalen Willen zum
Ourchhalten zu beleben und uns von neuem die große moralische Schwungkraft
zu geben, die allein uns retiten kann.
Ich kann Ew. Exzellenz auf Grund einer wirklich nahen Fühlung mit unserer
Volksseele versichern, daß bloße politische Taktiker, bloße Organisatoren oder selbst
sogenannte starke Männer die Aufgabe nicht bemeistern werden, unsere Volks-
stimmung wieder in die Höhe zu bringen. Das Volk wird ihnen nicht folgen. Es
verlangt jetzt, sich selbst unbewußt, nach großen moralischen Charakteren von einer
durchsichtigen Reinheit des Willens, die imstande sind, auch den Ideenkampf auf-
zunehmen und die ganze Kraft bei uns zu entbinden, die aus dem Gefühl des
eigenen besseren Rechts und der moralischen Minderwertigkeit der feindlichen Sache
fließt. Gelingt es, zugleich mit der siegreichen Abwehr im Westen, durch groß-
zügige moralische Offensive bei den Feinden dem Krieg seinen Charakter als „Volks-
krieg für eine gerechte Sache“ zu nehmen, so ist Zusammenbruch des feindlichen
Kriegswillens zu erwarten.
Zur Wiederherstellung unserer inneren Lage kommt es vor allen Dingen darauf
an, dem deutschen Volke deutlich zu machen, wie absolut eitel der Gedanke ist, als
ob wir durch Nachgiebigkeit im gegenwärtigen Augenblick einen erträglichen Frie-
den erreichen könnten, und als ob die im Dienste der kriegshetzerischen Parteien stehen-
den feindlichen Regierungen einen anderen Entschluß kennten als den, Deutsch-
land zu vernichten. Diese Einsicht, die bei uns im Volke keineswegs vorhanden ist,
wird uns, verbunden mit dem Aufruf aller unserer sittlichen Kräfte und des Glau-
bens an unser besseres Recht, retten. Daneben müssen in geschickter Weise die starken
1 Von mir gesperrt.
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