Daher forderte ich noch einmal Verschiebung des Angebots, bis die
Regierung sich vorgestellt und ihre Ziele verkündet hätte. Dann sollte
die Wirkung der neuen Männer und ihres Programms abgewartet werden.
Bei guter Resonanz in Feindesland könne das Angebot dann erfolgen —
es würde weniger als ein Eingeständnis militärischer Schwäche erscheinen.
Hierdurch würde nur eine Verzögerung von wenigen Tagen notwendig
werden.
Der Feldmarschall schien einen Augenblick geneigt, auf meinen Vor-
schlag einzugehen. Aber als Herr v. Hintze auf rasches Handeln drängte,
stellte er sich auf seine Seite.
Nach der Sitzung beauftragte ich Haeften, den General Ludendorff in
meinem Namen anzurufen und ihm einen letzten Vorschlag zu machen:
das Friedensangebot möge sofort hinausgehen, aber nicht mit der Bitte
um Waffenstillstand verknüpft werden.
Haeften machte den General darauf aufmerksam, daß der Feldmarschall
wiederum die militärische Lage nicht so ernst dargestellt habe wie der Major
v. d. Bussche. General Ludendorff entgegnete wie am Tage vorher: „Der
Feldmarschall habe mit seiner Beurteilung der Lage gewiß recht, trotzdem
müsse er auf dem Waffenstillstandsangebot und dessen baldigster Absendung
bestehen. Wenn auch die Lage im jetzigen Augenblick nicht bedrohlich sei,
so sei doch bestimmt in kurzer Zeit mit einer Wiederholung der Großangriffe
der Entente auf der ganzen Front zu rechnen. Dann aber — in zwei oder
drei Wochen — könne es von entscheidender Bedeutung werden, ob das
deutsche Heer 24 Stunden früher oder später die so dringend nötige
Waffenruhe erhielte."“!1
Gegen Abend wurde dann der endgültige Wortlaut der Note festgestellt.
Ich unterschrieb und wurde noch an diesem Tage zum Kanzler ernannt.
Die Frage ist oft an mich gerichtet worden, warum ich meinen Namen
bergab. Ich antworte darauf:
Der Kampf gegen das Angebot war verloren. Auch wenn ich ablehnte,
ging es binaus.
Dann trug es die Unterschrift von Hindenburg oder Payer. Baten
die Soldaten um Waffenstillstand, so war das die Kapitulation. Auch
Payers Name konnte unsere Notlage nicht verhüllen, denn der Vize-
kanzler hatte sich noch jüngst? gegen Wilsons HProgramm ausgesprochen.
Der Schein der Freiwilligkeit mußte vor dem eigenen Volke gewahrt
werden, selbst wenn die „Verschleierung“ nur 24 Stunden dauerte. Ein
1 PVgl. Bericht Haeftens, a. a. O., S. 378.
2 In einer Rede am 12. September 1918 in Stuttgart.
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