Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

zuwachs von der levée en masse, wie von Walter Rathenau in der „Vossischen 
Zeitung“ empfohlen ist? 
Nach den bisher eingegangenen Nachrichten erscheint es nicht ausgeschlossen, 
daß Dräsident Wilson als Vorbedingung für den Eintritt in die Verhandlungen die 
Mäumung Belgiens und Nordfrankreichs fordern wird; es fragt sich daher weiter: 
1. Würde die Oberste Heeresleitung empfehlen, daß wir eine solche For- 
derung bedingungslos annehmen, oder daß wir sie mit Gegenbedingungen 
beantworten? Falls die militärische Lage unter den obenangeführten Ge- 
sichtspunkten einen Zeitverlust durch Verhandlungen zuläßt, kämen als 
Gegenbedingungen in Frage: 
a) Die von Frankreich und England besetzten Gebiete Oberelsaß (eventuell 
auch die deutschen Kolonien) sind gleichfalls zu räumen. 
b) Garantien sind dafür zu leisten, daß der Feind uns nicht folgt. Eventuell 
könnte gefordert werden, daß die von uns geräumten französischen Ge- 
biete nur von amerikanischen Truppen besetzt werden, und daß Belgien 
nur von belgischen Truppen betreten, seine Neutralität von allen Krieg- 
führenden beachtet und der belgische Boden nicht wieder zum Kriegs- 
schauplatz gemacht wird. 
) Erklärung unsererseits, daß wir, um die Werschlechterung unserer strat- 
egischen Lage im Westen auszugleichen, unsere Truppen auch aus den 
von uns besetzten Gebieten im Osten (Baltikum, Litauen, Polen und 
Ukraine) zurücknehmen müßten, was diese Gebiete dann dem Bol. 
schewismus ausliefern würde. 
2. Innerhalb welcher Zeit könnte die Räumung von Nordfrankreich und 
Belgien durchgeführt werden, wenn sie mit der Unterzeichnung des Waffen- 
stillstands beginnt? 
3. Werden wir nach der Räumung mit den uns noch zur Verfügung stehen- 
den Kräften in der Lage sein, die deutsch-französische Grenze zu halten, falls 
im weiteren Verlauf die Friedensverhandlungen scheitern und die Gegner 
von neuem zum Angriff übergehen? 
Dräsident Wilson könnte mit der Begründung, daß er Sicherheiten braucht, 
die Besetzung deutscher Festungen an unserer Westgrenze fordern. 
1. Würden wir angesichts der militärischen Lage gezwungen sein, eine solche 
Forderung anzunehmen? 
2. Inwieweit würde die Annahme der Forderungen von Gegenbedingungen 
abhängig zu machen sein? Max, DPrinz von Baden, 
Reichskanzler.“ 
Der Abendbericht des 8. lautete eher beruhigend: die Gefahr von Durch- 
bruch und Amfassung schien wirklich fürs erste vorüber zu sein. Oberst 
v. Haeften gab zu, das Angebot wäre militärisch nicht nötig gewesen. 
Ich kann schwer wiedergeben, wie mich dieses Eingeständnis traf. Warum 
hatte die Oberste Heeresleitung nicht den Rettungsanker ergriffen? Warum 
gab sie mir nicht die acht Tage Frist, die ich verlangt hatte, und die aus- 
gereicht haben würden, um die Besinnung berbeizuführen? Am 8. Ok- 
tober wäre kein Angebot mehr erfolgt. 
380
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.