Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Weise zu erproben: es galt, die tatsächliche und verfassungsmäßig ge- 
sicherte Selbständigkeit unserer parlamentarischen Regierung vor aller 
Welt nachzuweisen; danach würde Wilson entweder Wort halten und die 
ersehnten Friedensverhandlungen auf der Basis des Rechtsfriedens ein- 
leiten, oder er präsentierte die Bedingungen der Kapitulation — dann war 
er entlarvt. 
Für mich stand zweierlei fest. Erstens: ohne diese Entlarvung kommt 
keine Volkserhebung mehr zustande. Und zweitens: eine nationale Vertei- 
digung, gegen den Widerstand der Massen proklamiert und eingeleitet, mußte 
im Bolschewismus enden. Das sagte mir Rußlands warnendes Beispiel.! 
Ging aber nicht vielleicht Wilson weiter in seinen Forderungen, als ich 
annahm, und zielte auf die Abdankung? Ich habe mir diese Frage immer 
wieder gestellt, mich stundenlang mit Interpretationskunststücken abgemüht 
und schließlich daran festgehalten: dem Sinn seiner Worte nach würden 
die eingebrachten und geplanten Verfassungsänderungen die Grundlage 
für Verhandlungen schaffen. 
einer offenen, rückhaltlosen Haltung gegenÜber dem Präsidenten. Eine ehrliche 
und vertrauende Haltung ist aber auch ganz allgemein für die Verhandlungen in 
der Kommission gegenüber den amerikanischen Vertretern notwendig. Zweifellos 
bestehen in den politischen und militärischen Zielen zwischen den Vereinigten StWaaten 
und ihren europäischen Verbündeten tiefgreifende AUnterschiede. Jedes Mißtrauen 
der Gereinigten Staaten gegen uns würde diese Unterschiede zurücktreten lassen, 
ein Vertrauensverhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und uns vertieft sse 
Sobald jedoch demütigende Bedingungen von ihnen lden englischen und französischen 
Vertretern] gestellt werden, wird eine starke Zurückhaltung einzutreten haben. Es 
kann erwartet werden, daß die Vereinigten Staaten solchen Forderungen sich nicht 
anschließen werden. .“ 
1 Unter dem Ruf: Nieder mit dem Krieg! waren die Massen Lenins gegen die 
Kerenski-Regierung aufmarschiert. 
2 Wir interpretierten die einzelnen Wendungen der Note folgendermaßen: 
1. Dräsident Wilson erklärt, daß er nur in der Lage ist (praesens), den Alliierten 
Waffenstillstandsbedingungen zuzumuten, die auf die Wehrlosmachung ODeutschlands 
hinauslaufen. 
2. Er erklärt aber ausdrücklich, daß diese Garantien nur deshalb nötig sind, weil 
noch keine Bürgschaft für die Dauer des gegenwärtigen Regierungssystems besteht. 
3. Er macht zum Schluß deutlich den Unterschied zwischen dem Unterwerfungs- 
frieden und dem Verhandlungsfrieden. 
Der Unterwerfungsfriede wird verlangt, solange diese Bürgschaften nicht vor- 
liegen. Der Verhandlungsfriede, d. h. ein Friede ohne militärische Unterwerfung, 
wird dem deutschen Volk als möglich vorgehalten, wenn die nötigen Bürgschaften 
gegeben sind. 
Das Ganze läuft hinaus auf die Aufforderung: Gebt mir politische Bürgschaften, 
dann verzichte ich auf militärische. (Notiz vom 24. Oktober zur Verwendung durch 
Staatssekretär Solf in der Kabinettssitzung.) 
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