Ich habe demgemäß Auftrag gegeben, unsere Gesetzesvorlagen mit
größter Beschleunigung durchzubringen, und auch zugestimmt, daß die
Kommandogewalt regelnde und die Verantwortlichkeit des Kanzlers
festlegende Bestimmungen als Zusatzanträge der Parteien in unsere
Vorlagen aufgenommen würden.
1Die von den Mehrheitsparteien in Verabredung mit der Regierung zur dritten
Lesung eingebrachten Abänderungs- und Zusatzanträge zur Reichsverfassung er-
weiterten die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers dermaßen, daß die Konservativen
(siehe Westarp, a. a. O., Heft 1, Seite 69) bestritten, daß es noch eine Abänderung
sei, es handle sich vielmehr um einen ganz neuen Artikel der Verfassung. Sie be-
haupteten, ein solcher könne nicht in dritter Lesung eingebracht werden, sondern
erfordere eine Neuberatung. Eine solche Verzögerung war wegen der Beant-
wortung der am 24. Oktober eingetroffenen Wilson-Note unmöglich, wenmgleich
die sachliche Berechtigung der konservativen Einwände zu jeder anderen Zeit
ins Gewicht gefallen wäre. Am 26. Oktober wurden dann die Anträge der Mehr-
heitsparteien gegen die Stimmen der Konservativen und einiger Mitglieder der deut-
schen Fraktion angenommen:
Die Reichsverfassung wird wie folgt abgeändert:
1. Im Art. 11 werden die Abs. 2 und 3 durch folgende Bestimmungen ersetzt:
„Zur Erklärung des Krieges im Namen des Reichs ist die Zustimmung des Bundes-
rats und des Reichstags erforderlich. Friedensverträge sowie diejenigen Verträge
mit fremden Staaten, welche sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung beziehen,
bedürfen der Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags.“
2. Im Art. 15 werden folgende Absätze hinzugefügt: Der Reichskanzler bedarf zu
seiner Amtsführung des Vertrauens des Reichstags. Der Reichskanzler trägt die
Verantwortung für alle Handlungen von politischer Bedeutung, die der Kaiser in
Ausführung der ihm nach der Reichsverfassung zustehenden Befugnisse vornimmt.
Der NReichskanzler und sein Stellvertreter sind für ihre Amtsführung dem Bundesrat
und dem Reichstag verantwortlich.
3. Im Art. 17 werden die Worte gestrichen: „welcher dadurch die Verantwort-
lichkeit übernimmt“.
4. Im Art. 53 Abs. 1 wird folgender Satz eingefügt: „Die Ernennung, Ver-
setzung, Beförderung und Verabschiedung von Offizieren und Beamten der Marine
erfolgt unter Gegenzeichnung des Reichskanzlers.“
5. Im Art. 64 Abs. 2 (Ernennung von Höchstkommandierenden eines Kontingents
usw.) werden im ersten Satz hinter dem Worte „Kaiser" die Worte eingeschaltet: „unter
Gegenzeichnung des AReichskanzlers“.
6. Im Art. 66 werden folgende Absätze 3 und 4 binzugefügt: „Die Ernennung,
Versetzung, Beförderung und Verabschiedung der Offiziere und Militärbeamten
eines Kontingents erfolgt unter Gegenzeichnung des Kriegsministers des Kon-
tingents. Die Kriegsminister sind dem Bundesrat und dem Reichstag für die Ver-
waltung ihres Kontingents verantwortlich.“
v. Gräfe, Abgeordneter, Reichstagssitzung vom 26. Oktober 1918: „. Ich ver-
stehe, daß die Herren bei früheren Gelegenheiten, wo diese Tendenz noch nicht zum
Ausdruck kam, unter Berufung auf Bayern und das alte Preußen mitgegangen
sind, und ich kann verstehen, daß sie damals auch nur die Wirkung erzielen wollten.
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