Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

preußischen Armee früher bestanden hatte und in den bayerischen, sächsischen 
und württembergischen Militärkontingenten noch bestand. 
Nicht der Inhalt unserer Gesetzgebung war das Un— 
würdige, sondern der Zeitpunkt. Wir besserten an unseren inneren 
Einrichtungen, während die lebendige Mauer einzustürzen drohte, welche 
die Heimat schützte. Wir haben diese Schmach gefühlt genau wie die Kon- 
servativen, aber glaubten nicht anders handeln zu können. 
Machthunger der Darteien war wahrlich nicht der Beweggrund. 
Diese elende Verdächtigung kann ich beiseite lassen. Uns trieb die Sorge: 
wie können wir die Forderung nach der Abdankung aufhalten? Bezeich- 
nend war, wer in den Beratungen dieser Tage auf die Verfassungs- 
änderungen drängte, und wie ihre Notwendigkeit begründet wurde. Der 
Sozialdemokrat David, dem nach Gesinnung und Temperament jeder 
Amsturz zuwider war, erklärte am 25. Oktober in einer Sitzung im Reichs- 
amt des Innern: Es handle sich heute darum, eine Rettungsaktion für den 
Kaiser zu machen. In den Situngen des preußischen Staatsministkeriums 
stimmte Hergt aus allgemeinen Gründen der Regelung der Kommando- 
gewalt zu und erklärte von der einschneidendsten Maßnahme, der Ande- 
rung des Art. 11, die Regierung sollte vorausgehen und nicht auf die Ini- 
tiative der Parteien warten. Es war der bayerische Ministerpräsident 
v. Dandl, der in der Sitzung des Bundesratsausschusses am 20. Oktober 
vorschlug, in Beantwortung der zweiten Note Wilsons das Militär- 
kabinett abzuschaffen. 
Ich weiß jeßt, daß alle diese Gedankengänge auf trügerischem Grunde 
bauten. Die Geschichte wird mir den Vorwurf machen, ich hätte die Not- 
wendigkeit der Abdankung nicht rechtzeitig erkannt. Heute bedaure ich, 
daß Haeftens Worte mich nicht aufgeschreckt haben. Ich hätte am 24. 
abends handeln sollen. 
Mich hat nach dem Kriege ein AUrteil von Max Weber schwer ge- 
troffen: Prinz Max habe, in dynastischer Sentimentalität befangen, 
die Wirklichkeiten der Situation nicht gesehen und kostbare Tage und 
Wochen verrinnen lassen. 
Ich gebe die gefühlsmäßige Trübung der Urteilskraft zu, aber ich glaube, 
Max Weber tut meinen Beweggründen unrecht; ich war von der Aufgabe 
erfüllt, den Kaiser mit dem Volk wieder zusammenzuführen; ich dachte 
dabei nicht minder an das Reich als an ihn. Die Nachfolge des Kron- 
prinzen würde die Situation nicht erleichtert, sondern erschwert haben. 
Dann kam der Enkel, und „wehe dem Volk, dessen König ein Kind ist“. 
Gerade eine reformierende Regierung braucht die ungebrochene Auto- 
rität des Staatsoberhaupts, soll sie nicht nur äußerlich ihren Willen 
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