Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

und „An das Heer“ vorzulegen; von dem Memorandum sollte der Prinz 
Friedrich Karl nach Gurdünken Gebrauch machen: 
I 
„Die Frage der Thronentsagung Seiner Majestät des Kaisers und Königs 
wird öffentlich erörtert, die Reichsregierung muß rasch und klar dazu Stellung 
nehmen. Bei Hrüfung der Frage darf die Absicht der Feinde keine Rolle spielen, 
soweit sie nicht auf die Lage im Innern zurückwirkt. Deshalb ist es auch nicht 
ausschlaggebend, ob die Antwort des DPräsidenten Wilson so ausgelegt werden 
muß, daß sie die Thronentsagung fordert, oder so, daß sie sich mit Verfassungs- 
#inderungen begnügt. Es kommt vielmehr nur auf die Erfordernisse der inneren 
Lage an. 
Daß eine Thronentsagung Seiner Moajestät, die den Thronverzicht Seiner 
Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen zur unmittelbaren Folge 
haben würde, Gefahren für Preußen und das Reich in sich schließt, bedarf keiner 
Ausführung. Aber diesen Gefahren kann man begegnen, wenn der Schritt un- 
vermeidlich ist. Werden die Bundesregierungen und die Parteien rechtzeitig ins 
Bild gesetzt, bereitet man rasch einen Gesetzentwurf vor, der die Wahl des NReichs. 
verwesers regelt, läßt man in Preußen die Regentschaft sich nach dem bestehen- 
den Gesetze einführen, wählt man zum Negenten in Preußen den geeigneten 
Agnaten und zum Aeichsverweser eine vom Vertrauen des Inlandes getragene 
Persönlichkeit, die zugleich das Mißtrauen des Auslandes nicht hervorruft, bringt 
Seine Majestät der Kaiser und König seine Kronen dem Wohl des Volkes als 
freies Opfer und mahnt er seine Treuen eindringlich, seinen Willen auch hier zu 
ehren, so lassen sich die schwersten Erschütterungen vermeiden. Solche Erschütte- 
rungen sind aber unausbleiblich, wenn die Thronentsagung verzögert wird. 
Wir stehen unmittelbar vor der Mitteilung der Bedingungen, unter denen uns 
die Feinde den Waffenstillstand gewähren wollen; nach aller Voraussicht handelt 
cs sich nur noch um wenige Tage. Die Bedingungen werden so schwer sein, daß 
unser Volk davon getroffen werden wird wie von einem Keulenschlage, denn es 
weiß immer noch nicht, wie es um Deutschland steht. Die Gebildeten werden zum 
Teil darauf reagieren mit grimmigem Jorn gegen den übermütigen Feind und 
emit dem Ruf nach dem letzten Berteidigungskampf, die Massen ganz überwiegend 
mit erbitterten Vorwürfen gegen den höchsten Führer, der ihnen, wie sie glauben 
werden, diese Demütigung durch eine rechtzeitige Thronentsagung hätte ersparen 
können, und mit dem Ruf nach der Abdankung. Der Ruf wird so stark werden, 
daß er nicht mehr zu Überhören ist, und selbst königstreue Kreise werden dadurch 
so zweifelhaft werden, daß sie als Stütze versagen. Die dann eintretende Spaltung 
des Volkes wird sein Zusammenraffen zum Endkampf kaum gestatten, jedenfalls 
dem Kampf den Schwung und die Nachhaltigkeit nehmen. 
Seine Majestät wird dem ODruck nicht auf die Dauer widerstehen können, den 
Inland und Ausland gleichzeitig auf ihn ausüben, da das Heer gegen eine Volks- 
bewegung nicht mehr verwendbar sein wird, wenn die Alternative gestellt wird: 
entweder die Allerhöchste Person oder ein erträglicher' Friede. Der verkannte und 
verleumdete Träger der weltgeschichtlichen Berantwortung würde dann dem 
Throne nicht mehr mit der Würde entsagen können, ohne die sein Schritt für den 
dynastischen und monarchischen Gedanken verhängnisvoll wäre. Das Volk würde 
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