Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Er hatte bereits das Versprechen seiner Söhne erhalten, daß keiner sich 
zur Übernahme der Regentschaft bereit finden würde. Drews mußte sich 
harte Worte sagen lassen, besonders von Gröner, über die Untätigkeit, 
mit der die Regierung die Agitation der Presse dulde. Es hatte ihm 
starken Eindruck gemacht, als der Kaiser sagte: wenn er ginge, bräche die 
Armee auseinander und der Feind fiele ungehindert ins Land ein. Hinden- 
burg und Gröner hatten dieses Argument gestützt, der Feldmarschall mit 
denkbar starken Worten: nach der Abdankung würde die Armee nur noch 
als marodierende Räuberbande in die Heimat zurückströmen. 
Payer und Wahnschaffe hörten in meiner Stellvertretung am Sonn- 
abend diesen Bericht. Sie hielten Drews fest, bis Scheidemann herbei- 
gerufen war, der dann mit vereinten Kräften bearbeitet wurde, die For- 
derung der Sozialdemokraten aufzuhalten bis nach Eintreten der Waffen- 
ruhe. Scheidemann glaubte nicht, daß die Armee nach der Abdankung 
ihren Halt verlieren würde, wie der Feldmarschall befürchtete, aber er 
wurde doch sehr ernst und erklärte schließlich, es spräche manches dafür, 
die Streitfrage zu vertagen, bis Waffenstillstand und womöglich Prä- 
liminarfriede unter Dach wären. Dann aber würden die Sozialdemokraten 
auf der Abdankung bestehen. Bis dahin wolle er alles tun, um seinen 
DParteivorstand zurückzuhalten. Der zufällig eintretende Staatssekretär 
v. Waldow erklärte sich auf Wunsch Wahnschaffes sofort bereit, seine viel- 
fältigen Beziehungen zur Presse und zu den Parteien im gleichen Sinne 
auszunugen. Friedberg, Solf, Deutelmoser, Clemens v. Delbrück wurden 
ebenfalls sofort ins Bild gesetzt, die Chefredakteure der großen Zeitungen, 
die Führer der Mehrheitsparteien wurden in Einzelbesprechungen auf die 
große Gefahr einer weiteren Verschärfung der Kaiserkrisis hingewiesen. 
Heute morgen habe er, Wahnschaffe, noch Theodor Wolff eingehend ge- 
sprochen und Verständnis gefunden. 
Wahnschaffes Initiative während meiner Betäubung war noch weiter 
gegangen: er hatte an Freiherrn v. Grünau von seinen Bemühungen und, 
ihrem Erfolg berichtet. Dadurch mußte sich in der Umgebung des Kaisers 
die Meinung befestigen, die Frage der Abdankung könne vorläufig aus 
den Erwägungen Seiner Majestät ausscheiden. 
Ich konnte an die Wendung zum Guten nicht glauben. Wahnschaffe 
mochte das Fieber herabgedrückt haben, aber das war nur eine sympto- 
matische Behandlung, die keine wirkliche Besserung, sondern nur eine 
trügerische Beruhigung in unserem Amkreis schuf. Wohl möglich, daß die 
Presse sich ein paar Tage Gewalt antat — aber was lag daran: die Presse 
machte keine Revolution, die Bewegung stieg von unten herauf. Alles 
hing an der Führerschaft Scheidemanns: ich wußte, daß „seine Befehls- 
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