Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Auch darüber ließ Noske keinen Zweifel, seine Führerschaft werde 
von dem Glauben der Matrosen getragen, er werde sie schützen und sich 
zum Sprecher ihrer wesentlichen Forderungen machen: Abdankung des 
Kaisers und Amnestie für die Meuterer von heute und von 1917. In den 
Meldungen der Marine war nur allgemein gesagt worden, es würden 
auch politische Forderungen aufgestellt. Wir entnahmen erst aus Noskes 
und Haußmanns Mitteilungen, daß die Abdankung des Kaisers darunter 
war, und zwar an erster Stelle stand. Noske fragte nach den Entschlüssen 
des Kaisers. Die Amnestie aber forderte er, ja er erklärte, sie bis zum 
6. November mittags haben zu müssen, sonst könne er nicht länger in 
Kiel bleiben. 
Gegen Gewährung der Amnestie äußerten Mann und Erzberger ernste 
Bedenken im Kabinett; Scheüch erhob ebenfalls scharfen Widerspruch: 
„Wir dürfen nicht sagen, daß wir die Rädelsführer nicht fassen werden .“ 
„Die Gefugnisse der militärischen Befehlshaber regelten sich nach mili- 
tärischen Grundsäczen; man könne nicht einen Weg betreten, der sie außer- 
halb dieser Grundsäcze stelle.“ Erzberger forderte: Aber Kiel sollten durch 
Flieger Droklamationen abgeworfen werden, die strenge Strafen androh- 
ten und dementierten, daß Haußmann ein Amnestieversprechen gegeben 
babe. Demgegenüber warnte Drews vor allen langwierigen Anterneh- 
mungen: wenn die Sache in Kiel nicht rasch zu Ende gebracht würde, 
brächen wir an einer anderen Stelle zusammen. Haußmann versicherte, 
daß der von Noske beschrittene Weg am raschesten zum Ziele führen würde. 
Man dürfe ihm nicht in den Rücken fallen. Heute noch glaube Noske, 
durch eine Amnestie die Leute zum Gehorsam zurückzubringen. Der 
Staatssekretär des Reichsmarineamtes beschwor uns, unterstützt von Erz- 
berger, den Weg der Gewalt zu gehen: „Die Sache liegt jetzt so, daß die 
Arbeiter und Soldaten vollständig das Heft in den Händen haben. Telephon 
und Telegraph werden kontrolliert. Hier müsse ein Exempel statuiert 
werden. Durch Hunger ist Kiel nicht zu bezwingen, man muß mit großer 
Macht eindringen und es mit Schiffen beschießen.“ Dieser Vorschlag, die 
rote Flotte zur Wiederherstellung der Ordnung einzusetzen, war offensicht. 
lich nicht durchzuführen. Aber auch von einer militärischen Anternehmung 
gegen Kiel mußte in diesem Stadium abgesehen werden, und zwar auf 
Grund von schwerwiegenden Lberlegungen: 
Erstens: Man schägte die Meuterer in Kiel auf 40000 Mann, und 
zwar waren es gut bewaffnete, gut genährte, ausgeruhte Matrosen. Noske 
hatte vor jedem Versuch gewarnt, die Stadt mit Truppen anzugreifen. 
„Es würde nur ein nugtloses Blutbad geben, die 40000 Mann, um die 
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