Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Offensive zu Lande komme für uns nicht mehr in Betracht; die U. Boot- 
offensive der Marine gegen die feindlichen Verbindungen verspreche die 
Munitionszufuhr zu behindern. Die Reichsleitung zeige uns keinen Weg 
zu einem ehrenvollen Frieden. Wir hätten keine Wahl als den verschärften 
U-Bootkrieg.! 
Die Politiker fand ich in einer Geistesverfassung, die man nur als 
dumpfe Ergebenbeit bezeichnen konnte. Sie glaubten nicht an den Erfolg 
des U-Bootkrieges. Helfferichs Widerlegung der Zahlen der Marine? war 
für sie auch heute noch schlüssig; aber nach der herausfordernden Antwort 
der Entente an uns und besonders an Wilson sei jede Hoffnung auf Frie- 
den zerstört, jedenfalls auf einen ehrenvollen Frieden. Wilson habe kein 
Verständnis für die deutschen Lebensinteressen, auch würde er nicht die 
Macht haben, ihre Berücksichtigung durchzusetzen. Anter diesen AImstän- 
den habe man kein Recht, auf die Anwendung unseres schärfsten Kriegs- 
mittels noch weiter zu verzichten. Der Kanzler — dies ist mir von zuver- 
lässiger Seite mitgeteilt worden — schauderte im Grunde vor der Ver- 
antwortung zurück, die er dereinst vor seinem Gewissen und vor der Ge- 
schichte tragen müßte: einen faulen Frieden verschuldet zu haben, weil er 
die lechte Siegeschance nicht aus genutzt hätte. 
Da trat mir eine vierte Meinung entgegen: Noeggerath kam zu mir 
und wollte meinen Beistand aufrufen, um den verschärften U. Bookkrieg 
noch aufzuhalten. Erfüllt von der überzeugenden Kraft seiner Gründe 
meinte er, alle Rechtgesinnten müßten sich noch fünf Minuten vor zwölf 
verbünden, um das AUnheil zu verhüten. Ich setze den Vortrag her, wie 
er mir — dem Inhalt nach — damals gehalten wurde. Die gemeinsame 
Arbeit der Rohrbach-Gruppe stand dahinter: 
1. Der Optimismus der Marine ist unbegründet. Deutsch- 
land verschärft den U.Bootkrieg, aber es verschärft auch die Kraft der 
Abwehr. In diesem Krieg ist der Irrtum hundertmal nachgewiesen, daß 
die Engländer töricht oder schlapp wären. Deutschland wird England 
wahrscheinlich in Todesnot bringen, aber Amerika wird in den Krieg 
eintreten und das technische Ingenium Amerikas und Englands und die 
Zähigkeit ihrer gemeinsamen Dasse werden einen Ausweg aus dieser 
Todesnot finden. 
1 Ludendorff (Meine Kriegserinnerungen, Berlin 1919, S. 250) schreibt, daß 
er vor eine neue Lage gestellt und in seinen Anschauungen stark beeinflußt worden 
wäre, wenn ihm der Kanzler am 9. Januar den Zusammenbruch eines unserer 
Feinde in Aussicht gestellt hätte, wie wir ihn nachher in Rußland erlebten. 
#: Bgl. Helfferich, a. a. O., S. 385f. 
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